Igorrr
Savage Tour - Europe Fall 2017
Konzertbericht
Heizung oder Frost, Hausschuh oder Schal, Tatort oder IGORRR – diese Entscheidung gilt es an einem zumindest draußen ungemütlichen Sonntagabend im windgebeutelten Dresden zu fällen. Dabei kommen letztere gar nicht mal so schlecht weg.
Bevor der entrückte Trupp um Gautier Serre den Saal der Scheune mit allerlei Geräuschen flutet, dürfen SUBACT eine knappe Dreiviertelstunde für Erwärmung sorgen. Für das Duo ist der Auftritt ein Heimspiel, was sich auch in der wohlwollenden Stimmung des Publikums niederschlägt. Da die Kollegin Kostudis ihrerseits eher frisch- und hand- denn eingemachte Musik schätzt, startet sie moderat skeptisch in den Abend. Die ersten Minuten vergehen flott im Kampf mit der technischen Ausrüstung und der sich langsam durchsetzenden Erkenntnis, dass die fotografische Dokumentation ergiebiger wäre, hätte man die Speicherkarte eingepackt. Wenige pflichtschuldige wie deprimierende Telefonknipsereien später gilt ihre volle Aufmerksamkeit endlich dem Konzertgeschehen. Dabei stellt sie fest, dass sowohl Elektriker als auch Schlagzeuger engagiert werkeln. Letzterer aber eher mit überschaubarer Innovation. Neben beatlastigen, flotten Technopassagen gibt es ziemlich ansprechende Momente. Diesen verleiht die Kollegin in Unkenntnis der herrschenden Genre-Bezeichnungen den Arbeitstitel „Konserven-Doom“. Später kommen noch Raggae- und Dub-Sequenzen dazu, die SUBACT insgesamt hörbarer machen als zunächst befürchtet.
Die moderate Umbaupause wird mit Klaviermusik garniert. Passend dazu starten IGORRR ihren aktiven Teil des Abends mit klassischem Damengesang, der in der Folge oft zu hören und – zumindest für die Lauscher der Kollegin – angenehmer ist als die seltenen Wechsel in sägend-klagendes Tönen. Auch das sich anschließende Kontrastprogramm – Gefauche fernab jeder Melodie – ist eher Regel als Ausnahme. IGORRRs Bühnenpräsenz lebt von den Gegensätzen, lärmend und still, fies und edel, rasend und getragen, schrill und reduziert, und das sowohl parallel als auch im Alleingang. Es dauert etwas, bis sich das melodieverwöhnte Ohr in diese bruchreiche Inszenierung eingearbeitet hat. Hat man die Suche nach dem augenscheinlichen Zusammenhang aber aufgegeben, erfreuen reduzierte Piano- und Akustikgitarrenpassagen, Musette und Orgelspiel, aber – Achtung, wichtig – auch ziemlich dickes, wenn auch simples Riffing das sperrangelweit geöffnete Musikerherz.
Die analog umgesetzten Drums beleben das Set ungemein, das wird umso deutlicher, als sie gen Ende zur gemeinsamen Grußaufstellung aus digitaler Quelle angezapft werden. Für weitere Instrumentalisten wäre ohnehin kaum Platz, da die Damen und Herren Sänger Laure Le Prunenec und Laurent Lunoir ziemlich raumgreifend agieren. Das kann aus den hinteren Reihen für einen unterdurchschnittlich bemessenen Menschen schon drollig aussehen: An verschiedenen Plätzen auf der Bühne sausen wahlweise Haare oder Arme durch die Luft. Zumindest der Blick auf Fadenzieher Serre bleibt frei – und der hat sichtlich Freude an der Live-Umsetzung seines Projektes.
Ähnlich gut kommt die IGORRRsche Genre-Collage auch beim Dresdner Publikum an, das im Bejubeln von Elektro- wie Death-Gewitter keinen Unterschied macht. Nach einer knappen Stunde werden die Franzosen noch zu einer Zugabe genötigt. Bei eingängigerer Musik wäre man wohl etwas enttäuscht – und ein paar Unmutsäußerungen sind auch zu vernehmen – der Kollegin persönlich reicht dieser Input vorerst, der bei inzwischen gemäßigterer Witterung auf dem Heimweg verarbeitet wird.
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37235 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!