Hellfest
Ein Erlebnisbericht
Konzertbericht
SONNTAG
Schneller als erwartet begehen wir den letzten Festivaltag. Und das ist schade, denn wir fühlen uns wohl auf dem Hellfest. BETWEEN THE BURIED AND ME – bei einem so bescheuerten Bandnamen kommt man ja leicht auf dumme Gedanken und erwartet den x-ten Metalcore-Klon. Doch weit gefehlt! Die Band empfängt uns mit progressiven aber dennoch hochmelodischen Songs mit Überlänge. Verspielt und komplex, aber dennoch nicht überkompliziert, entfalten die Tracks recht schnell regelrechtes Ohrwurmpotenzial, das die Songs aber dennoch nie banalen Standards ausliefert. Entgegen aller Befürchtungen eine äußerst talentierte Band, die man definitiv auf dem Zettel haben sollte. (Thomas)
Während die reformierten Thrasher von FORBIDDEN eine solide Leistung zeigen, die einen an wirklich gute Tage des Thrash Metal erinnert, nehmen im Zelt GHOST BRIGADE Aufstellung. Dank ihres Labels Season Of Mist scheinen die Finnen in Frankreich schon keine Unbekannten mehr zu sein. Zumindest lässt das das prall gefüllte Zelt vermuten. Irgendwo zwischen KATATONIA, OPETH und CULT OF LUNA zelebriert die Band ihren melancholischen Sound und verbreitet damit ein wenig herbstliches Flair im Hochsommer. (Robby)
THE DILLINGER ESCAPE PLAN: eine ganz normale Show.
Zeitgleich gehen danach die Extremisten von ORIGIN und THE DILLINGER ESCAPE PLAN an den Start. Während die ersten hauptsächlich durch die halsbrecherische Geschwindigkeit bestechen, mit der sie ihre Songs vortragen, sind DILLINGER wieder einmal nur schwer in Worte zu fassen. Absoluter Wahnwitz zwischen Musik gewordenem Tourette-Syndrom und manischem Genie. Da tut zum Relaxen erstmal eine Runde MESHUGGAH not. Wie geschickt, dass die Schweden direkt im Anschluss wieder so etwas wie Struktur mitbringen. Zwar ist ihr polyrhythmisches Stop-and-Go auch nicht gerade leicht verdaulich, dafür aber auch enorm nahrhaft. DILLINGER und MESHUGGAH nacheinander und man weiß, was man geleistet hat. Bitte einmal Gehirnwindungen entknoten! Danke. (Thomas)
THE DILLINGER ESCAPE PLAN, pantomimisch erklärt.
OBITUARY sind wie immer: einfach gut. Aber natürlich wieder mit Tardy’schem Drumsolo. Man sollte einfach mal die Klappe halten und nicht applaudieren, vielleicht lässt er das dann endlich mal sein? Ansonsten gibt es bei der Floridalegende nichts zu kritteln. Dafür, dass jede Show von vorne bis hinten durchgeskriptet wirkt, hat man die Buben eh schon ins Herz geschlossen. Slaooowly we raaaoooooot! Im Gegensatz dazu habe ich Herrn Akerfeldt und seine Profilneurose langsam gefressen. Nicht nur, dass er sich für die Krönung der Schöpfung und den Erfinder des Heavy Metal (sowieso) zu halten scheint, er hört sich selber auch verdammt gerne reden. So gibt er auch auf dem HELLFEST wieder den selbstverliebten Zampano, der nach dem Erfolg von „Ghost Reveries“ auf seinem Egotrip hängen geblieben ist. Es mag Leute geben, die seine Mätzchen noch witzig finden. Mir geht das überhebliche Gehabe mittlerweile dermaßen auf die Nüsse, dass es mir sogar den Spaß an der Mucke vergellt. Live haben OPETH für mich ausgedient. Schade drum. (Thomas)
Das neue Album konnte über den Verlust von Martin Lopez am Schlagzeug nun doch recht gut hinwegtrösten und jegliche Bedenken bezüglich Ersatzmann Martin „Axe“ Axenrot zerstreuen. Live kämpfen OPETH dafür mit dem gleichen Problem wie schon zuvor MESHUGGAH. Der Funke scheint einfach nicht überzuspringen, da helfen auch Mikael Akerfeldts gewohnt zynische Ansagen nichts („This song is about the area between the pussy and the ass.“). Schade, „Demon Of The Fall“, „The Baying Of The Hounds“ oder das neue „Heir Apparent“ hätten bei gutem Sound sicher funktionieren können. (Robby)
Aaron Stainthorpe: der Welt entrückt.
Für OPETH entschädigen MY DYING BRIDE dafür gleich doppelt und dreifach! Nicht nur, dass sie mit Lena und Katie neuerdings zwei schicke Hinkucker in ihren Reihen haben, nein: letztere kümmert sich nicht nur um das Keyboard, sondern auch um die Violine, die damit wieder Einzug in die BRIDE’sche Live-Performance hält. Dazu „The Songless Bird“, „From Darkest Skies“ und die Oberknaller „The Cry Of Mankind“ und „The Snow In My Hand“, die einem selbst bei 32 Grad im Schatten eine Gänsehaut verpassen. Grandios! (Thomas)
Einen krasseren Kontrast könnte es kaum geben: erst die Trauerweiden von MY DYING BRIDE, dann direkt im Anschluss NOFX! Eine Jugenderinnerung wird wach. Die witzigste Band des Festivals (was in ellenlangen Ansagen gipfelt) macht sich drauf und dran, den Platz vor der Hauptbühne in einen wilden Pogo-Pit zu verwandeln. Die Franzosen scheinen jedenfalls schon lange auf die West-Coast-Punker gewartet zu haben. Der Andrang ist enorm. Und alle haben dieses typische, debile Grinsen im Gesicht, dem man wortwörtlich entnehmen kann: „Ich bin glücklich – man muss ja nicht alles so ernst nehmen!“. Das beschreibt auch den Auftritt vielleicht am Besten. (Robby) In der Tat machen NOFX Mikael Akerfeldt bei der Länge ihrer Ansagen spielend Konkurrenz. Nur sind die Jungs eben witzig. Das einzige, was hier schwarz-weiß ist, sind die Karos auf Turnschuhen und Gitarrengurten. Ansonsten regiert das Understatement: ein Backdrop? Hat man sich aus einem kleinen Pappkarton gebastelt, auf den man mal schnell NOFX gekritzelt und 5 Meter Höhe aufgehängt hat. Völliger Kult! Dass man seinen Platz zwischen all den Metalbands zurecht hat, unterstreicht Drummer Erik, indem er betont, dass er alles mit nur EINEM Bassdrum-Pedal spielt. Und das macht er bei Songs wie „Don’t Call Me White“, „Perfect Government“, „Theme From A NoFX Song“ oder natürlich “Kill All The White Men” klasse. Super Sache, das. (Thomas)
Es folgt: der Reason to be, Nr. 2. AT THE GATES. Herbeigesehnt, herbeigefleht, her…rje! Was für ein Kacksound! Was bei CARCASS gut war, läuft bei AT THE GATES schlecht. Aus dem linken Boxenturm kommt allenfalls am Anfang ein ersticktes Knacksen, danach den kompletten Gig lang ärgerliche Stille. Die Band agiert, als sei sie nie weg gewesen. Als sei das hier ihr zwölfter Gig in vier Tagen, so lustlos, träge und nebenbei hängen geblieben stehen Tompa & Co. auf der Bühne und überlassen das Publikum sich selbst. Das braucht neben „Slaughter Of The Soul“, „Kingdom Gone“, „Blinded By Fear“, „Under A Serpent Sun“, „Suicide Nation“, „The Burning Darkness”, “Terminal Spirit Disease” oder “Raped By The Light Of Christ” keine weiteren Motivatoren und geht auch ohne sichtbare Lebenszeichen der Band steil. Vielleicht sitzt Tompa noch der DISFEAR-Gig vom Vortag in den Knochen. So anämisch habe ich ihn noch nie gesehen. Immerhin ziehen die Songs und es tut gut, sie live zu hören. Aber zu einem guten Auftritt gehört einfach mehr. Schade, so hätte das nicht laufen dürfen. (Thomas)
Wie sich Wahrnehmungen doch unterscheiden können: Was bleibt mir hier anderes, als eine Geschichte von einem Freund zu beschreiben, der der vielleicht größte AT THE GATES-Fan auf diesem Planeten ist? Hoch konzentriert, letzte Vermutungen über die Setlist abgebend, harrt er der Dinge die da kommen mögen. Die Anspannung weicht alsbald purer Erleichterung und Freude, er scheint die Welt umarmen zu wollen. Und ja – AT THE GATES sind an diesem Tag mächtig. Da sieht man auch gern über die Tatsache hinweg, dass eine PA-Seite ab und an ausfällt (wieder gespannte Blicke, ob der Reaktion des Freundes, den das aber so gar nicht zu stören scheint). Ein Sound wie vom Band, Thomas „Tompa“ Lindberg so gut aufgelegt wie schon lange nicht mehr, feuern die Mannen ein ums andere mal ihre Hits in die Massen. Bei „Terminal Spirit Disease“ sind sich dann alle einig – das Highlight des Tages! (Robby)
Den Titel um den extremsten Auftritt machen MINISTRY und MORBID ANGEL unter sich aus, wobei die Mannen um Dave Vincent allein schon aufgrund der Lautstärke die Nase vorn haben. Denn die dürfte die extremste des ganzen Festivals gewesen sein. Zusammen mit den grellen Lichtern und den Kunstnebelschwaden, die unter dem halbrunden Bogen des Bühnenaufbaus in die Nacht zucken, wirkt die Szenerie wie ein riesiges Düsentriebwerk. Mit ohrenbetäubender Lautstärke dröhnen einem MORBID ANGEL ihre Gassenhauer um die Lauscher. „Maze Of Torment“, „Chapel Of Ghouls“, „Immortal Rites“, “Rapture”, „Where The Slime Live“, „God Of Emptiness”, “Lord Of All Fevers And Plague”. Was will man mehr? Dazu stimmt auch die Darbietung: Treys Gitarrenarbeit ist wieder einmal eine Liga für sich und Daves Ansagen sind so wohl betont, als priese er auf einem Shoppingkanal revolutionäre Seife an. Ich würde sofort kaufen. (Thomas)
Den Rausschmeißer dieses rundum besuchenswerten Festivals geben SLAYER. Das Beste also zum Schluss? Irgendwie nich so. Der Gig gehört mit zum Skurrilsten, das ich je gesehen habe und dürfte ein Bilderbuchbeispiel für Kommunikation sein, die vollkommen aneinander vorbei geht. Nachdem der erste Doppelpack aus „Darkness Of Christ“ und „Disciple” rum ist, brandet kurz Applaus auf, verstummt aber schnell wieder. Für Tom Araya offensichtlich zu schnell. Etwas irritiert begrüßt er die Meute, wundert sich auch da über die augenscheinliche Lethargie der Leute, die ja auch drei Tage Vollgas hinter sich haben, und leitet kurzerhand „Cult“ ein. Nach dem Song dasselbe Spiel. Araya weiß offensichtlich nicht wie ihm geschieht. Ungläubig starrt er in die Menge und traut seinen Ohren nicht. Da kommt nichts. Im Hause SLAYER ist man anderes gewohnt. Zum Beispiel aus Deutschland: bei uns wird selbst dann lauthals nach SLAYER verlangt, wenn sich die Band gerade nicht einmal auf demselben Kontinent befindet. Hier steht das französische Publikum dagegen stumm vor der Band wie das paralysierte Kaninchen vor der Schlange. Araya berät sich mit Hanneman und King. Noch einmal lassen sie es darauf ankommen. „Chemical Warfare“, „Ghosts Of War“ und „Jihad“ ringen dem Publikum nicht mehr Euphorie ab. Kein Wunder – SLAYER spielen bislang ein B-Set. Dennoch gibt sich das Publikum selbst für meinen Geschmack zu reserviert. Interessant ist es aber allemal. Ich bin gespannt, was noch kommt. Die Band verlässt die Bühne.
Nach kurzer Krisensitzung kehrt sie zurück und greift endlich, nachdem auch die folgenden „Eyes Of The Insane“, „Supremist“ und „Payback“ alle nicht fruchten, zu dickeren Geschützen. Aber selbst „Hell Awaits“, „War Ensemble“, „Dead Skin Mask“ und „South Of Heaven“ ernten nicht den gewohnten Beifall. Nach dem folgenden „Raining Blood“ ist Sense. SLAYER gehen von der Bühne. Der Applaus verebbt, niemand verlangt nach Zugabe. Niemand! Man stelle sich das vor. Das lassen SLAYER nicht auf sich sitzen. Die Band kommt zurück auf die Bühne, Araya stellt sich mit verschränkten Armen ans Mirko und – schweigt. Nach etwa einer halben Minute ruft er „So this is it?!“ – das Volk johlt. Doch Araya muss gutes Wetter machen, im Herbst steht die dritte Ausgabe der „Unholy Alliance“-Tour an, die die Band auch nach Frankreich führen wird. Da darf man sich jetzt nicht mimosig geben. Mit „Mandatory Suicide“ und „Angel Of Death“ beenden SLAYER einen Auftritt, wie sie ihn und wie ich ihn noch nie erlebt haben. Die spinnen, die Franzosen. Aber irgendwie sympathisch war dieses Aufbegehren schon. (Thomas)
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