Hellfest
Der große Festivalbericht - Hellfest 2011
Konzertbericht
Sonntag, 19.06.2011
Mit TSJUDER stand am Sonntag eine der in diesem Jahr relativ wenigen urwüchsigen Black-Metal-Kapellen auf dem Programm. Die Norweger, die sich eigentlich 2006 getrennt hatten, spielen seit 2009 wieder zusammen und gaben sich im Rock Hard-Zelt wortkarg und distanziert, wie es sich für Schwarzmetaller eben geziemt. Musikalisch schön kalt und knackig, bot die stoische Bühnenpräsenz des Trios abgesehen von geschminkten Gesichtern und gelegentlichem Headbanging nicht viel fürs Auge.
Etwas agiler waren da nicht viel später an gleicher Stelle GRAVE, ein Leckerbissen für die Anhänger des alten schwedischen Death Metal. Wie schon zu anderen Anlässen in den vergangenen Wochen boten sie zum 20. Geburtstag ihrers Debüts „Into The Grave“ das komplette 40-minütige Werk mit Brechern wie „Deformed“ oder „Extremly Rotten Flesh“ dar und untermauerten ihren Status als eine der wichtigsten Schwedentod-Truppen aus der zweiten Reihe.
Nach zwei ruppigen Bands im Zelt wurde es dann auf der Main Stage 2 deutlich ruhiger. Dass ANATHEMA es mit dem Progressive Rock der letzten Dekade auf einem Metal-Festival mitunter schwer haben, weiß offenbar auch deren Frontmann Vincent Cavanagh, der sich für den Zuspruch des Publikums bedankte, obwohl seine Band sich ja „von den vielen harten Formationen auf dem Hellfest ein wenig unterscheide“. Mit dem abschließenden „Fragile Dreams“ ging man bis zum „Alternative 4“-Album von 1998 zurück und obwohl hier die Reaktionen am euphorischsten ausfielen, gab es kein „Eternity“, kein „A Dying Wish“ und kein „Sleepless“ mehr. Der Blick in das enttäuschte Gesicht eines „The Silent Enigma“-Shirt-Trägers sprach für sich. So sehr man sich aber auch altes Material gewünscht haben mag, man verzieh den Liverpoolern die Fokussierung auf ihre neuen Werke, merkte man ihnen doch zu jeder Zeit ihre Leidenschaft für das, was sie tun, an. Und das ist schließlich das Wichtigste.
Setlist ANATHEMA:
01. Thin Air
02. Summernight Horizon
03. Dreaming Light
04. Closer
05. A Natural Disaster
06. Deep
07. A Simple Mistake
08. Fragile Dreams
Den mit Abstand überzeugendsten Auftritt einer Band der alten Garde durften dann JUDAS PRIEST für sich verbuchen. Es war geradezu unglaublich, was Rob Halford auch mit knapp 60 Jahren immer noch für ein Stimmvolumen besitzt, das klang teilweise besser als auf den Studioalben; seine hohen Schreie jagtem einem genau so wie manch tiefe Tonlagen, die einer Death-Metal-Band zur Ehre gereichen würden, immer wieder Schauer über den Rücken – die von oben hatten glücklicherweise im Laufe der letzten beiden Tage in ihrer Häufigkeit abgenommen. Auch der für den im April nach 42 Jahren ausgeschiedenen K. K. Downing gekommene neue Gitarrist Richie Faulkner machte seine Sache sehr gut, zeigte in jedem Augenblick große Spielfreude. Nach dieser beachtlichen Darbietung, die im frenetisch bejubelten und mitgesungenen „Painkiller“ ihren Höhepunkt fand, weiß man, warum JUDAS PRIEST oftmals als eine der drei größten und wichtigsten noch aktiven Metal-Bands betrachtet werden.
Setlist JUDAS PRIEST:
01. Rapid Fire
02. Metal Gods
03. Judas Rising
04. Starbreaker
05. Victim Of Changes
06. Never Satisfied
07. Night Crawler
08. Beyond The Realms Of Death
09. Blood Red Skies
10. The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown) (Fleetwood Mac-Cover)
11. Breaking The Law
12. Painkiller
Zugaben:
13. Hell Bent For Leather
14. You’ve Got Another Thing Comin’
Wie auch JUDAS PRIEST stammt die nun folgende Hauptattraktion des Festivals ebenfalls aus der britischen Arbeiterstadt Birmingham – OZZY OSBOURNE. Der Mann, für viele spätestens seit seiner 2002 gestarteten Reality-TV-Show „The Osbournes“ nur noch eine Lachnummer, gab sich Mühe, spritze den dicht geschlossenen ersten Reihen Schaum und Wasser entgegen und animierte die Zehntausenden immer wieder mit seinen „I Can’t Hear You“-Rufen und dem bekannten „The Crazier You Go, The Longer We Will Play“-Versprechen. Wie gewohnt gab es, eingewoben in die OZZY OSBOURNE-Nummern, auch das halbe „Paranoid“-Album von BLACK SABBATH über das Set verstreut. Im Kontrast zu seiner jungen, lebhaften Band fiel das Verbrauchte, Trattrige des ehemaligen BLACK SABBATH-Sängers dabei umso stärker auf. Wenn er auch im Geld schwimmen mag, irgendwie konnte einem der Mann, der da so unbeholfen die Hände über seinem Kopf zusammenklatschte, Leid tun. Sein Abgang mit den ulkig anmutenden Tippelschritten war schon rührend.
Setlist OZZY OSBOURNE:
01. I Don’t Know
02. Suicide Solution
03. Mr. Crowley
04. Bark At The Moon
05. War Pigs
06. Road To Nowhere
07. Shot In The Dark
08. Rat Salad
09. Iron Man
10. Fairies Wear Boots
11. I Don’t Want To Change The World
12. Crazy Train
Zugaben:
13. Mama, I’m Coming Home
14. Paranoid
Wo John Garcia schon 2010 als GARCIA PLAYS KYUSS das letztjährige Hellfest ausklingen ließ, wurde ihm auch in diesem Jahr, nun unter durchgehender Verstärkung seiner alten Bandkollegen Brant Bjork und Nick Oliveri, die Ehre zuteil: KYUSS LIVES! bliesen ihren Wüstenrock ins Terrorizer-Zelt, das sich – obwohl OPETH und CRADLE OF FILTH zeitgleich auf anderen Bühnen spielten – noch praller gefüllt als freitags bei MONSTER MAGNET zeigte. Die Zuschauerreihen lösten sich erst weit außerhalb des Zeltes irgendwo in der Nacht auf. Mit „Molten Universe“ und „Odyssey“ gab es dann neben „Gardenia“, „Thumb“ oder „Green Machine“ auch zwei Stücke, die man im Vorjahr nicht zu hören bekommen hatte, so dass der Murmeltier-Effekt etwas abgeschwächt wurde. Fein.
Auch wenn das durchwachsene Wetter nicht annähernd die Klasse des Line-Ups erreichte, konnte es die Freude an einem musikalisch und atmosphärisch wieder einmal überzeugenden Hellfest nicht trüben. Bei einem Überangebot an interessanten Künstlern gelang es nicht, all das zu sehen, was man hätte sehen wollen. Doch das, was man sah, gefiel: Neben nur wenigen eher enttäuschenden Darbietungen gab es mehrheitlich sehr solide bis mitreißende Auftritte, MONSTER MAGNET und JUDAS PRIEST lieferten die imposantesten.
Hoffentlich behält sich das Hellfest, das in den vergangenen Jahren stets die stärksten und vielfältigsten Line-Ups aller Metal-Festivals auf die Beine stellen konnte, auch 2012, im Jahr der Neuerungen und des wahrscheinlich abermaligen Wachstums, zumindest noch einen Rest vom Charme seiner Anfänge.
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