Hamburg Metal Dayz
Programm ohne Ende
Konzertbericht
Hamburg dreht mächtig auf: In der Hansestadt findet im September das Reeperbahn-Festival statt, das größte Clubfestival Europas, das an vier Tagen mehrere Hundert Events vereint. Das härteste davon: Die Hamburg Metal Dayz in der Markthalle und im Marx, wo an zwei Tagen 15 Bands aufspielen, die den Metaller aber auch mit einem bunten Rahmenprogramm unterhalten. Wer wollte nicht schon mal Metal-Yoga praktizieren, mit einem Shoutcoach die eigene Stimme zu Höchstleistungen schrauben oder die Wacken-Macher mit Fragen löchern? metal.de war mit seinem besten Außenteam vor Ort: Chefredakteur Jan Wischkowski und ex-Chefredakteur Eckart Maronde.
Donnerstag, 20.09.2018
Kaum in St. Pauli angekommen, werden wir schon von einem Schwall Metaller absorbiert und in Gespräche verwickelt – die Hamburg Metal Dayz und das Reeperbahn-Festival sind nicht nur ein reines Publikumsevent, sondern auch eine Leistungsschau der Musikbranche, wo einige Agenturen die Medienvertreter zum Plausch einladen. Zunächst stehen also ungezwungene Gespräche auf dem Programm, bis von irgendwoher der Tipp kommt, dass man sich im „Hausverbot“ das neue THE OCEAN-Album „Phanerozoic I: Palaezoic“ in voller Länge anhören könnte. Man floatet also durch die Stadt bzw. den sündigen Stadtteil St. Pauli, bis abends die sogenannte Norwegian Invasion auf dem Programm steht.
Die Norwegian Invasion ist wiederum die Leistungsschau des norwegischen Metal-Labels Indie Recordings, die gleich vier ihrer Bands aufspielen lassen – und zwar in einem Club im Club. Hat man sich nämlich durch die Menschenmassen im Molotow gedrängt und blickt dort im Hinterhof auf die aufgebaute Bühne (wo zwar eine Indie-Rock-, aber keine Indie-Recordings-Band aufspielt) geht es noch einmal die Treppe abwärts in den Keller. Warum er Karatekeller heißt, wird spätestens dann klar, wenn die erste Band beginnt zu spielen. Hier ist es verdammt eng und schwitzig und jede Bewegung endet als Frontalangriff auf den Stehnachbarn.
Zunächst HALCYON DAYS, Post-Hardcore, mal mit viel Wucht, mal zerbrechlich schön. Hier und heute ist allerdings Intensität angesagt, und statt den Gerüchen von “Rain Soaked Pavements & Fresh Cut Grass” (so der Titel ihres ersten Albums) riecht es hier nach Schweiß und Bier.
THE CRUEL INTENTIONS kommen nur teilweise aus Norwegen, Teile des Trupps um Frontmann Lizzy DeVine stammen aus dem Nachbarland Schweden. Ist aber völlig schnuppe, denn die Heimat im Herzen ist eh L.A. – die Herrschaften fahren einen Sound auf, der Fans von GUNS N‘ ROSES und MÖTLEY CRÜE das Herz aus der Brust springen lässt. Dazu gibt es eine mitreißende Bühnenperformance, die einzig durch die winzige Bühne im Karatekeller eingeschränkt wird.
Weiter geht es mit Hard Rock meets Garage Rock – THE DOGS um den norwegischen Performance-Weirdo Kristopher Schau entern die Bühne. Der lässt zwar diesmal alle Körperteile im Outfit, er und seine vier Mannen machen auf der Bühne aber ordentlich Alarm. Vor der Bühne ist derweil große Party angesagt, und wer auf Gruppenkuscheln bei rhythmischen Bewegungen steht, wird hier voll bedient.
FIGHT THE FIGHT aus Oslo zählen aktuell zu den heißesten Bands, und das, obwohl sie erst 2017 debütiertierten. Metalcore, Post-Hardcore und eine bereichernde Prise Rock fügt sich zu einer energiegeladenen Mixtur zusammen, die live kräftig zündet. Hier im winzigen Karatekeller ist der hochenergetische, vielschichtige Sound zwar ein wenig too much, aber am nächsten Tag spielt die Band noch einmal – auf den Hamburg Metal Dayz.
Freitag, 21.09.2018
Nach einer zu kurzen Nacht trifft sich der gemeine Metaller in der Markthalle an den Gleisen, die in die Welt führen. Im Eingangsbereich steht es schwarz auf weiß: “Ausverkauft! Wirklich!” Kein Wunder, denn das Programm ist ausgesprochen vielfältig – bevor nämlich die Speed-/Thrash-Metaller REZET aus Schleswig ihren Gig abreißen, hat im „Club im Club“ Marx bereits Saskia Thode ihr Programm gestartet – Metal Yoga. Die Frau ist Dauergast auf zahlreichen Wacken-Veranstaltungen und verbindet Yoga mit harten Klängen zu … nun ja, durch die Scheiben sieht es jedenfall so aus, als ob die Teilnehmer*innen des Workshops viel Spaß haben.
Galerie mit 14 Bildern: Hamburg Metal Dayz 2018 - SibiirWeiter geht’s mit dem Panel “Fans fragen Wacken”. Die Wacken-Macher Thomas Jensen und Holger Hübner stehen Rede und Antwort und beantworten Fragen rund um Bierversorgung, Zeltplatz und Anreise. In der Markthalle macht sich derweil der norwegische Fünfer SIBIIR bereit, den Saal mit ihrem angeschwärzen Hardcore zum Kochen zu bringen. Auch wenn die Zuschauerreihen noch recht licht gefüllt sind, können wir bestätigen: Die Musik ist mitreißend, die Stimmung bestens und die Jungs wohl der nicht mehr ganz so geheime Geheimtipp dieses langen Wochendes. Das ändert sich auch nicht bei der darauffolgenden Band ONDT BLOD. Die kommen aus Kirkenes und somit den nördlichsten Gefilden Norwegens und haben eine etwas punkigere HC-Version mitgebracht – die ebenfalls gut zündet. Und wer sich das bereits gefragt hat: Frontmann Aslak trägt wirklich Teile einer samischen Tracht.
Galerie mit 16 Bildern: Hamburg Metal Dayz 2018 - Ondt BlodInteressant wird es derweil im Marx, wo Kai Havaii von EXTRABREIT aus seiner Autobiografie “Hart wie Marmelade” liest und einzelne Bandklassiker zusammen mit seinem Kollegen Stefan Kleinkrieg akustisch intoniert. Wer den Mann kennt, weiß: Das ist verdammt unterhaltsam. Auf der großen Bühne intonieren derweil BATTLE BEAST aus Finnland ihren kraftvollen Heavy Metal. Die gewannen einst im Jahr 2010 den Wacken Metal Battle Contest und haben deshalb eine enge Beziehung zum W:O:A. Selbst wenn Kollege Wischkowski, der immer noch von SIBIIR schwärmt, wegen der Klänge ein gequältes Stöhnen von sich gibt, muss man konstatieren: Die Band kommt gut an, und Front-Beast Noora Louhimo hat eine ziemlich kraftvolle Stimme. Bereits vorab zeigt die Band Fannähe, und jener darf im Foyer die Hände seiner Idole schütteln und sich ein Autogramm abholen.
Gleiches gilt im Anschluss auch für BEYOND THE BLACK, die als letzter Act den Abend in der Markthalle beschließen. Die Hütte ist gerammelt voll, der Sound stimmt, und somit ist doch alles im Lot. Im Marx spielen derweil FIGHT THE FIGHT noch einmal auf, die wir bereits gestern im mikroskopisch kleinen Karatekeller bewundern konnten. Fazit: Deren intensiver Sound mit den Samples kommt hier deutlich besser zur Geltung. Von den Livequalitäten der Band um den hyperagilen Frontmann Lars Vegas (heißes Pseudonym) ganz zu schweigen.
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Von den harten Klängen getragen floaten wir durch Hamburg und über die Reeperbahn, wo das gleichnamige Festival mit zahlreichen kleineren Events auch zu später Stunde noch vertreten ist. Eindeutig nicht zum Reeperbahn Festival gehört der Oktoberfest-Ableger, der zahlreiche Möchtegernbayern in Lederhose beziehungsweise Dirndl auf die Straßen spült. Strange days in HH …
Samstag, 22.09.2018
Hamburg Metal Dayz, Tag 2: Das Programm startet erst am frühen Nachmittag, und wegen der unvermeidlichen Zugrückfahrt bedeutet das für uns, einen genauen Schlachtplan auszuarbeiten. Punkt 1: Killustrations. Unter diesem Namen ist der ehemalige NIGHT IN GALES- und jetzige THE VERY END-Frontmann Björn Gooßes unterwegs. Eine Auswahl seiner Werke präsentiert er nun im Foyer. Während Saskia Thode im Marx noch einmal zum Metal Yoga bittet, spielen auf der großen Bühne SYNDEMIC auf. Die Lokalmatadoren stehen für melodischen und progressiven Death Metal. Der Heimvorteil wird besser genutzt als vom HSV tags darauf, sodass schon beim heutigen Opener bei gutem Sound und erstem Bier Stimmung aufkommt.
Apropos HSV: Chef Wischkowski hat einige Mühe, den glühenden HSV-Anhänger Maronde davon abzubringen, mit dem in Bahnhofsnähe erspähten Teambus von Jahn Regensburg schlimme Dinge anzustellen. In der Redaktion munkelt man seit dem Heimspiel (0:5), dass die beiden kaum noch ein Wort miteinander gewechselt haben.
Punkt 2: Rock-Stories – Krach- und Lachgeschichten mit Christof Leim. Der ehemalige Metal-Hammer-Chefredakteur trägt zahlreiche Anekdoten aus sechzig Jahren Rock’n’Roll zusammen – von Eric Clapton über den ersten Gig von Zakk Wylde mit Ozzy Osbourne bis hin zum Geheimnis von Lemmys Lieblingskneipe bleibt kein Geschichtchen unerwähnt. Mit viel Witz und seinem unvergleichlichen niederrheinischen Akzent führt Leim souverän durch das Programm. Ungefähr zeitgleich spielen im großen Haus die Hardrocker BONFIRE.
Punkt 3: THE HIRSCH EFFEKT – dafür muss sogar das zeitgleich stattfindende Shoutcoaching mit Thomas Fischer dran glauben. Artcore/Progressive ist zwar nicht notwendigerweise unser aller Fall, aber der Gig überzeugt nicht zuletzt wegen der Fingerfertigkeit der Musiker. Und wegen des leuchtenden Schlagzeugs.
Das metal.de-Außenteam unterwegs in Hamburg: Hamburg Metal Dayz rocken und Jesus lebt.
Gepostet von metal.de am Samstag, 22. September 2018
Danach müssen wir leider auf den Zug und JESPER BINZER, AUDREY HORNE und SKINDRED sowie den Poetry Slam mit Michal El Göhre sausen lassen – von den Altmetallern WARPATH ganz zu schweigen. Trotzdem: Die Hamburg Metal Dayz samt vorgeschalteter Norwegian Invasion und einbettendem Reeperbahn Festival haben uns ob ihrer Vielfalt überzeugt. Gute Gespräche, ein buntes Rahmenprogramm und tolle Auftritte sind schon eine runde Sache. Wir sehen uns im nächsten Jahr!
Text und Bilder: Eckart Maronde & Jan Wischkowski
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