Haken
An Evening With Haken Europe 2024

“Fauna” in voller Länge plus Stunden (Plural!) an weiterem Material von HAKEN an einem Abend? Klingt nach einem großartigen Konzept! Das bestuhlt zu machen wirft trotz der implizierten Länge des Abends auf der anderen Seite einige Fragen auf. Das Format “An Evening With Haken“ wurde von der Hamburger Markthalle ins kleinere Uebel & Gefährlich verlegt und hat sich damit den Ausverkauft-Stempel verdient. Dementsprechend eng stehen auch die Klappstühle im vorderen Teil und Bierbänke im hinteren Teil der Halle. Körperkontakt mit fremden Menschen steht bei Metal-Konzerten oft grundsätzlich an der Tagesordnung, also wieso nicht auch im Sitzen.

„Fauna“ live am Stück

Das Uebel & Gefährlich ist schon sehr früh sehr voll und der eine oder andere hätte sicher ein Handtuch zum Sitzplatz-Reservieren mitgebracht, wenn das möglich gewesen wäre. Umso dankbarer, dass HAKEN bereits 15 Minuten vor der angekündigten Spielzeit die Bühne betreten – inklusive Sänger Ross Jennings im Hawaii-Hemd im Look vom “Fauna“-Cover. Da sowieso alle wissen, worum es heute geht, gibt es zu Beginn keine großen Ansangen, sondern die Engländer beginnen ihr Set direkt mit “Taurus“.

Obwohl es auch für die Band ein ungewohntes Gefühl sein muss, ihr Publikum statisch im Sitzen zu sehen, ist die Energie und Dynamik von HAKEN auf der Bühne ungebrochen und auch einige Fans lassen sich kaum auf ihren Klappstühlen halten. Insgesamt ist es trotzdem ein komisches Gefühl und im Laufe des Abends auch durch die Komfortlosigkeit der Stühle eine deutliche Limitierung, ein Metal-Konzert in einer kleinen Location im Sitzen zu erleben.

Nichtsdestotrotz geben HAKEN alles und können die Komplexität und den technischen Anspruch ihrer Musik auch live fehlerfrei und mitreißend über die Bühne bringen. Da niemand ein Blasinstrument dabei hat, verzichtet die Band darauf, die Blasmelodie am Ende von “The Alphabet Of Me“ als Einspieler zu bringen. Für “Beneath The White Rainbow“ ist Jennings allerdings ausgerüstet und hat ein Megafon dabei. Auch das Publikum darf trotz Sitzposition ordentlich mitmachen und singt den Chor bei “Lovebite“ euphorisch mit.

Musikalisches Können und endlose Energie

Der erste Teil des Abends endet mit einer Liveperformance des fast 20-minütigen Songs “Crystallised“, bei dem mehr als einem Fan der Mund vor Überraschung und Freude weit offensteht und am Ende des Songs gibt es zurecht eine Standing Ovation. Ganz im Sinne der bestuhlten Veranstaltungen folgt darauf eine 15-minütige Pause, die nach eineinhalb an einen Klappstuhl gefesselten Stunden zumindest für das Publikum mehr als nötig sind, während HAKEN einen unerschöpflichen Vorrat an Energie zu haben scheinen.

Im zweiten Teil des Abends spielen HAKEN dann eine Mischung von Altem und Neuem, darunter auch den Fan-Favoriten “Cockroach King“. Dabei hat Jennings das Publikum jederzeit im Griff und zeigt keinerlei Ermüdungserscheinungen, selbst als die Uhr sich 23.30 und damit zweieinhalb Stunden reiner Spielzeit nähert – Wahnsinn!

Nach acht weiteren Songs gehen die Engländer dann tatsächlich von der Bühne, lassen sich für eine letzte Zugabe aber noch einmal zurücklocken und geben mit “Visions“ einen weiteren Prog-Brocken zum Besten, den die Fans mehr als dankbar annehmen und lassen sich danach verdientermaßen gebührend feiern. Trotz aller Euphorie wirkt das Publikum nach fast drei Stunden Spielzeit (daher das Konzept mit den Stühlen?!) erschöpft, während HAKEN wirken, als könnten sie noch Stunden weiterspielen.

HAKEN setzen völlig neue Maßstäbe

Obwohl die Bestuhlung einige Fragen aufwirft, ist “An Evening With Haken“ ein absolut beeindruckendes Event, das das Können der Band und das Commitment an ihre Fans auf nachdrucksvolle Art und Weise zur Schau stellt. Eine fast dreistündige Performance mit einer Setlist, die jeden Fan an den Rand der Tränen bringt, lässt keine Wünsche offen und lässt das Publikum mit der Realisation zurück, dass Alben viel öfter in Gänze live gespielt werden sollten. Gerne inklusive zweistündigem Extramaterial.