Hämatom
Fränkisches Drei-Gänge-Menü zum Karfreitag
Konzertbericht
In ganz Deutschland wird traditionell an Karfreitag der Kreuzigung Jesu Christi gedacht, deshalb ist dieser Tag ein stiller Feiertag. In ganz Deutschland? Nein! In einer kleinen Konzerthalle der Hansestadt Bremen versammeln sich hungrige HÄMATOM-Fans – Freaks genannt – aus nah und fern um ihren Hunger zu stillen. Hunger nach zart-bitteren Texten und süßen Melodien zu für den Normalbürger schwerverdaulich harten Klängen.
Und so begibt es sich, dass zum wiederholten Male HÄMATOM ihre Jünger ins Aladin rufen, um deren Hunger zu stillen. Diese folgen dem Ruf in Scharen und so ist es nicht verwunderlich, dass sämtliche Speise-, äh.. Eintrittskarten für das Abendmahl im Vorfeld ausverkauft sind. Wir reden hier nicht von nur 12 Jüngern, sondern bewegen uns im vierstelligen Bereich der anwesenden Gäste. Um sicherzustellen, dass niemand an diesem Abend die musikalische Tafel des Aladins hungrig verlassen muss, wurden im Vorfeld die Nürnberger von SCHATTENMANN und J.B.O. aus Erlangen verpflichtet, das fränkische Drei-Gänge-Menü zu vervollständigen.
SCHATTENMANN – mehr als nur ein lasches Vorsüppchen
Nachdem auch die letzten Gäste ihren Platz an der Tafel bzw. in der Konzerthalle eingenommen haben, servieren SCHATTENMANN pünktlich um 21 Uhr die Vorspeise.
Wer denkt, dass die Mannen um Sänger Frank Herzig nun ein Junges-Gemüse-Süppchen präsentieren, hätte seinen Geschmackssinn lieber bei der Dönerbude gegenüber abgegeben. Denn vom ersten Ton an legt sich ein metallischer Geschmack mit einer fein abgestimmten Würzung neuer deutscher Härte in die Gehörgänge. Die Jungköche zeigen sich geübt und routiniert, haben sie doch unlängst ihre Fähigkeiten bei der Komet-Tour der NDH-Veteranen von MEGAHERZ unter Beweis stellen können. So erreichen die Songs aus dem Debüt-Album „Licht An“ beim Publikum direkt den Geschmacksnerv, der beim ein oder anderen der Anwesenden auch gleich „Amok“ läuft. Der selbstbetitelte Track „Schattenmann“, der Album-Opener „Licht An“ überzeugen ebenso wie der ohrwurmverdächtige Song „Generation Sex“. Eine gelungene Vorspeise, von der man gerne nochmal einen Nachschlag genommen hätte!
Ein Fest deftiger Hausmetallerkost – serviert von J.B.O.
Denn schon stehen die Fun-Metaller von J.B.O. in den Startlöchern, deren jüngstes Kochhörbuch „Deutsche Vita“ an diesem Tag seine Veröffentlichung feiert. Auf dem zwölften Album der Erlangener ist nicht „Alles Nur Geklaut“, wie der Opener des zweiten Ganges am heutigen Abend. Und dieser zweite Gang gibt gleich mächtig weiter Gas um mit „Kuschelmetal“, dem beliebten Covermedley aus dem 95er Kult-Debutalbum „Explizite Lyrik“ die Gehörgänge freizublasten. Das feierwütige Publikum freut sich auch wie „Bolle“, dass der Kult-Hit von Nina Hagen schlechthin mit „Du Hast Dein Smartphone Vergessen“ endlich eine digitale Hommage erfahren hat, zu der man nun ordentlich abgehen kann – und die vorderen Reihen auch tun. „Wir Ham Ne Party“ hätte genauso gut das Motto des heutigen Abends sein können. „Arschloch Und Spaß Dabei“ wirkt als würzige Basis, um einigen schon gut angetrunkenen Jüngern als „Ein Guter Tag Zum Sterben“ als Anleitung zu dienen. Jedoch zeigen die „Verteidiger Des Wahren Blödsinns“ das „Vier Finger Für Ein Halleluja“, dazu da sind, diese jubelnd zur Pommesgabel gereckt in die Luft zu strecken. „Wacken Ist Nur Einmal Im Jahr“, das ist klar, aber in Bremen ist an diesem Abend die Stimmung mindestens genauso gut, zumal den beim Pogo zu Boden gegangenen Gästen wieder als Mensch und nicht als Schlammmonster wieder auf die Beine geholfen werden kann. Und so ist die von Vito C., Hannes G.Laber Holzmann, Ralph und Wolfram servierte deftige fränkische Hausmetallerkost wahrlich „Ein Fest“ für die Jünger im Saal.
Galerie mit 18 Bildern: J.B.O. - "Das laute Abendmahl" live in Bremen 2018Hauptgericht HÄMATOM – mit Pyrotechnik gegrillt und mit verfeinert gepfefferten Texten
Nach zwei Gängen stellt sich für gewöhnlich schon ein leichtes Sättigungsgefühl ein, aber hier und heute ticken die Uhren anders, denn beim „Lauten Abendmahl“ kommt der Appetit beim Essen. Und so werden die hungrigen Freaks immer lauter und rufen nach dem Hauptgericht. Nach einer kurzen Umbaupause ist es dann endlich soweit: HÄMATOM entern die Bühne denn es ist „Zeit Für Neue Hymnen“, den Opener ihres neuen Albums „Bestie der Freiheit“, mit dem sie im Januar auf Platz 2 der deutschen Albumcharts eingestiegen sind. Sänger Nord scheint diese Bestie in sich zu tragen, denn er steckt noch in einem Käfig gefangen, aus der er diese neue Hymne herausschreit – und von hunderten Kehlen aus dem Publikum tatkräftig unterstützt wird. Diese Energie reicht wohl aus, um die Fesseln des Käfigs zu sprengen. Nun kann der Hauptgang uneingeschränkt seine Wirkung entfalten. Die Freaks haben Bock auf mehr Freiheit und die vier Himmelsrichtungen Nord, Ost, Süd und West servieren diese überzeugend. Erblickte noch zwei Jahre zuvor auf dieser Bühne das Vorgängeralbum „Wir Sind Gott“ quasi das Licht der Welt, so legt das fränkische Quartett heuer nicht nur eine Prise Schärfe und textlicher Brisanz, sondern eine ganze Schippe metallischer Härte drauf. In den letzten zwei Jahren wurden zahlreiche Konzerte und Festivalauftritte absolviert, die die musikalische Ausrichtung der Band in metallischen Gefilden gefestigt haben. Nicht nur durch den Labelwechsel sind nun ehemalige Bezugspunkte zum Deutschrock-Stempel abgelegt worden und ein für allemal klar, dass die musikalische Heimat von HÄMATOM im Metal liegt, der sich deutscher Texte und Elementen der NDH bedient. „Meine Leben – Meine Regeln“ manifestiert das eindrucksvoll, bevor ein „Sturm“ aufzieht, der das Publikum in eine Richtung weht, einem totalen Abriss entgegen, aber von einem HÄMATOM-Konzert wird auch nicht weniger erwartet. Beim „Tanz Aus Der Reihe“ ist der Name Programm, wäre auch jeder Versuch, einen takttreuen Paso-Doble auf das bier- und schweissgetränkte Parkett des Aladins hinzulegen, spätestens am ausgedehnten Pogo-Pit gescheitert. „Warum Kann Ich Nicht Glücklich Sein“ – diese Frage stellt sich, wenn man doch reihum nur glückliche, wenn auch schweißgebadete Gesichter sieht! Eventuell fehlt ja dem ein oder anderen ein Schluck „Feuerwasser“ als Aperitif, doch wer will jetzt denn schon zur Theke… Auch wenn die Mannen um Nord bescheiden der Meinung sind „Lange nicht perfekt“ zu sein, so ist die Stimmung im Publikum und die visuelle Darbietung auf der Bühne nah dran. Eine kurze Verschnaufpause bietet „Lichterloh“, um auch noch noch den letzten Funken aus Nords Pyro-Handschuh überspringen zu lassen. Wurden bei den Release-Shows Anfang im Januar und Februar noch viele Songs des Vorgängeralbums gespielt, so ist heute auch Zeit für die Live-Premiere von „Ich hasse dich zu lieben“. Ja, die Bestie liebt es frei und auch „Mörder“-isch zu sein, weder „Totgesagt doch Neugeboren“ noch „Kids – 2 Finger an den Kopf“ halten sie auf ihrem Weg in die Gehörgänge und Tanzbeine auf. Langsam neigt sich der Abend seinem Ende zu. Da zu einem guten Abendmahl noch ein kleines Dessert dazu gehört, haben die vier Himmelsrichtungen „Wir Sind Gott“ als Betthupferl auf der Speisekarte. „Leck mich“ – das war nicht nur ein Abend-, sondern ein wahres Festmahl!
Galerie mit 26 Bildern: Hämatom - "Das laute Abendmahl" live in Bremen 2018Nun kann das Tafelsilber wieder poliert im Schrank verschwinden, bevor nächstes Jahr am 19.04.2019 der Tisch im Aladin wieder gedeckt wird.
Text: Ulrike Depfenhart
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