Grossstadtgeflüster
Live im Untergrund in Bochum
Konzertbericht
Wie klingt es, wenn ungezügelte Kreativität, Lebensfreude und Übermut um die Wette rocken? Wer GROSSSTADTGEFLÜSTER dieser Tage im Bochumer Untergrund mit eigenen Sinnen erlebt hat, der hat nun eine keineswegs leise Ahnung davon. Verstärkt um einen energisch aufspielenden Drummer hallt der von der Band so bezeichnete, basslastige „Dancepunk“ so heftig groovend durch die Räumlichkeiten, dass das bewegte Publikum bereits nach wenigen Liedern von Keyboarder Raphael beschworen wird, erst mal wieder runter zu kommen. Schon erstaunlich, dass das verschroben-extrovertierte Trio nach nur zwei keineswegs die Charts stürmenden Alben auf eine offenbar treue Fanschar zählen kann, die sich an diesem Abend als ebenso textsicher wie enthusiastisch erweist und die Band gehörig abfeiert. Diese freut sich darüber so sehr, dass kleine Pannen und Irritationen spontan in humorvollen Improvisationen aufgefangen werden und die Stimmung von Song zu Song – beinahe könnte ich schreiben von Hit zu Hit – ins Grösssenwahnsinnige steigt. Dabei könnten die Dame und die Herren von GROSSSTADTGEFLÜSTER mit ihrem vielschichtigem Wortwitz zwischen authentischer Nachdenklichkeit und Provokation auch beim Poetry Slam über die Bühne fegen, denn wie sie allzu Selbstverständliches und Zwischenmenschliches in ihrer turbulenten Musik ganz selbstverständlich auf die Schippe nehmen, hat in der Tat Beifall verdient. Bei den selbst designten Anzügen für die Bühne spielen Stilfragen eine genauso untergeordnete Rolle wie bei der Musik – die tönt so mitreißend und herrlich individuell, dass ich mir wirklich nicht den Kopf über Szene-Kompatibilität zerbreche, sondern lieber erfreut feststelle, dass nicht nur der Titel des Debut-Albums „Muss laut sein!“ metallische Tendenzen aufweist: Headbangen ist zu Krachern wie „Die Stille“, oder „Haufenweise Scheiße“ durchaus möglich, mehr oder minder kontrollierte Bewegungen laufen bei den übrigen Liedern im weiten Rund ohnehin ab. Diese Musik ist reine Medizin gegen Eintönigkeit, Normalität und Oberflächlichkeit – schade, dass sie die handelsüblichen Industriedrogen bislang noch nicht auf ganzer Breite ablösen konnte und deutscher Radiokonsens so viel geballte Kreativität, Leidenschaft, Fröhlichkeit und Tiefgang offenbar nicht verkraftet.
Danke an Jens Becker @ Getaddicted.org für sein Photo!
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