Gotthard
Konzert in der Würzburger Posthalle
Konzertbericht
Der erfahrene Besucher von Rockkonzerten hat es bei einem Gotthard-Gig nicht leicht, einerseits die zu erwartende stilistische Breite tolerant hinzunehmen, wozu auch das irgendwie immer sofort erkennbare Eventpublikum gehört, das von Konzert-Netiquette und Heavy Metal noch nicht allzuviel gehört hat, andererseits aber auch das zu fordern, wozu er hier ist: Hardrock. Gotthard beginnen ihr Konzert ansprechend und feuern in den ersten 20 Minuten gleungene Rifforkane durch die Menge. „Sister Moon“, „Bang“ und „Ride On“ lassen den Rockfan auch dank des überzeugenden, freundlich-bestimmten Auftritt des neuen Sängers Nic Maeder auf einen spannenden Abend hoffen. Gotthard begehen dann jedoch einen Kardinalsfehler nach dem Anderen und schlagen sich im weiteren Verlauf der 100 Minuten immer wieder selbst.
Klar ist: Wer ein Gotthard-Konzert besucht, der weiß, dass er mit der ein oder anderen Ballade rechnen muss. Die Dichte und Penetranz, mit der die Band an diesem Abend das Schmacht-Publikum bedient, ist jedoch nur schwer zu ertragen und langweilt über weite Strecken. Auf wirklich gelungene, selten gespielte Perlen wie „Let It Be“ verzichten Gotthard allerdings und schwofen sich mit „Heaven“, „One Life One Soul“, „C’est la Vie“ und anderen, ähnlich gelagerten und größtenteile tausendfach gehörten Mädchenliedern in eine Art Balldentrance. Wer dachte, nach dem ersten, scheinbar endlosen ruhigen Konzertteil sei Feierabend, der sieht sich getäuscht, denn Gotthard lassen es sich nicht nehmen, danach NOCH einen Gang zurückzuschalten und einige akustische Performances vorzutragen (und „vortragen“ ist hier wirklich das richtige Wort), die sie immerhin dem verstorbenen Steve Lee widmen, was dem Geklimper zumindest ein klein wenig Berechtigung gibt.
Keyboard- und Schlagzeugsolo beweisen beide, dass die Band eher im Kollektiv funktioniert (Gotthard haben weder Jon Lord noch Neil Peart in ihren Reihen), und spätestens wenn Leo Leonie und Freddy Sherer, die beiden Gitarristen, bekannte Riffs anderer Rockstars vom Publikum mitträllern lassen, sehnt man sich danach, eher ein Led Zeppelin- oder Deep Purple-Konzert zu besuchen, als hier noch länger zu verweilen. Die Idee, besoffene Konzertbesucher bei „Starlight“ auf die Bühne zu „bitten“ und sich zum Affen machen zu lassen, erweist sich ebenfalls als suboptimal: Je länger der Song dauert, umso schwerer wird es, nach vorne zu Blicken und das Elend zu ertragen. Gotthard sind nunmal nicht die Suicidal Tendencies, bei der Aktion ist Fremdschämen statt Stimmung angesagt.
Immerhin: Gotthard versuchen zwischendurch immer wieder, etwas Boden gut zu machen und kommen speziell zum Ende hin nochmal in die Gänge. Bemerkenswert: Von den härteren Songs kommt ganz klar das Deep Purple-Cover „Hush“ am Besten an. „Lift U Up“ sorgt am Ende zumindest ein bisschen für Stimmung, die Zugabe „Thank You“ ist das klassische Eigentor. 10 Minuten rezitative Schlafwagen-Musik, ganz so, als ob es davon heute nicht schon genug gegeben hätte. Das komplette Konzert bestreiten Gotthard übrigens mit fünf abwechselnd leuchten Lampen, Atmosphäre durch Licht kommt nicht eine einzige Sekunde auf (vom Intro mit blau und rot rotierenden Scheinwerfern vielleicht mal abgesehen). Werbung für eine geile Rockshow, bei der so richtig der Mob tobt, ist der Abend nicht.
Vermutlich haben Gotthard mit ihrem Konzert in Würzburg genau ihr Publikum bedient. Trotz einiger Lichtblicke werde ich mich damit abfinden, dass ich dazu offenbar nicht mehr gehöre.
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