Ghost
Black To The Future Tour 2015 - live in Dortmund
Konzertbericht
„In Venedig ist Maskenball, komm ich zeig dir den Karneval.“ Zuzugeben, so richtig prickelnd wäre der ewige Gassenhauer der FLIPPERS im beschaulichen Dortmund wohl nicht angekommen. Aber hätten GHOST das schwäbische Kult-Trio nicht trotzdem als Vorprogramm buchen können? Denn was den (musikalischen) Fremdschämfaktor betrifft, stehen die stattdessen auflaufenden DEAD SOUL der Schlagertruppe unserer Herzen gar nicht mal so sehr nach. Was hier als „Industrial Doom Blues“ verkauft werden soll, ist allenfalls noch als Rockmusik zu klassifizieren. Gar nicht mal so gute Rockmusik allerdings.
Für die Liveumsetzung ihrer aktuellen Platte „The Sheltering Sky“ haben sich Sänger Anders Landelius und Komponist Niels Nielsen kurzerhand einen zweiten Klampfer bzw. Keyboarder eingekauft, Schlagzeug, Bass und weitere Synthies kommen hingegen schön aus der Dose. Ob das Chancen birgt? Bedingt. So assoziiert man die dicken Bässe in Stücken wie „Burn Forever“ zuerst einmal natürlich auch mit dicken Eiern. Dem tut auch der perfektionierte dreistimmige Harmoniegesang zunächst keinen Abbruch. Schade bloß, dass die kurz drauf einsetzenden Schranzbeats der Marke EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN-Resterampe einen dann aber doch wieder ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückholen: DEAD SOUL präsentieren plastisches Elektro-Rock-Gehabe, dessen Etikettierung als „Industrial“ einem Schlag ins Gesicht eines jeden NINE INCH NAILS-Fans gleicht.
Galerie mit 6 Bildern: Dead Soul - Ghost - Black To The Future Tour 2015So, genug Haterei für heute. Kümmern wir uns erst mal um El Maronde, von dem während des Gigs des schwedischen Grauensduos nur dezent orientierungsloses Gebrabbel zu vernehmen war. „Dachte, das wäre die neue Band von ARCH ENEMYs Johan Liiva…“, „Sind das jetzt GHOST ohne Masken?“, „Ich dachte wir gehen erst im Januar zu ALPHAVILLE…“ Tja, wie das halt so läuft mit den älteren Kollegen und den Elektroklängen. Komm Eckart, jetzt gibt’s erst mal ein Bier.
Nach dem Bier geht es dann auch tatsächlich mit besagtem „Masked Ball“ weiter. Dem Ausschnitt des „Eyes Wide Shut“-Soundtracks lassen GHOST mit den beiden „Meliora“-Openern dann auch gleich ein deftiges Gewitter folgen. Bloß bezieht sich jene weniger auf die großartige Stimmung im FZW, als vielmehr auf den absolut ungenießbaren Sound. Was aus den Frontboxen schallt, klingt, als würde LG Petrov Anfang der Neunziger in einer Lagerhalle eine Monitorspur für Papa Emeritus III. abzumischen versuchen. Wobei: Könnte Emeritus seines dünnes, nicht immer treffsicheres Stimmchen gerade selbst vernehmen, würde ihm wohl binnen Sekunden die Schminke vom Gesicht tropfen. Erste Besserung ist dann mit der anschließenden Rückbesinnung aufs Debütalbum zu erkennen: Zu „Ritual“ und „Con Clavi Con Dio“ bringt Satans Stellvertreter auf Erden erstmals den allseits beliebten Weihrauch ins Spiel, während die Nameless Ghouls im Hintergrund mächtig Bewegung zeigen. Verglichen mit dem unter nicht enden wollenden Buh-Rufen absolvierten Auftritt im Vorprogramm von IN FLAMES vier Jahre zuvor wird hier und heute schnell klar: Aus GHOST ist im Laufe der Zeit eine amtliche Live-Institution geworden.
Nicht minder amtlich ist dann auch die Leistung der anwesenden Tontechniker, denen es nach einer knappen halben Stunde tatsächlich gelingt, das Ruder noch mal vollständig rumzureißen. Wenngleich optisch nicht auseinander zu halten, lassen sich die Instrumentalspuren der Nameless Ghouls nun endlich differenziert wahrnehmen. Und auch Papa Emeritus scheint sich wesentlich besser zu hören. Zeit für den derzeitigen Pontifikatsinhaber, zu beweisen, dass er seinen beiden Vorgängern in Sachen Publikumsinteraktion in nichts nachsteht. In der Folge hagelt es also nicht nur wieder humoristische Sünde-und-Sühne-Ansagen, auch entsendet der Geistliche lokal gecastete Nonnen ins Publikum, um zu „Body And Blood“ Blut und Leib Christi zu verteilen. Ein Jammer, dass die Bewerber Maronde und Klug hierbei schon in der Vorauswahl scheiterten.
Im letzten Drittel verwandelt Emeritus das Konzert dank Outfitwechsel dann endgültig in einen Zwanziger-Jahre-Dandy-Treff. Der Abend mutiert zur überfetten Rockshow – Keytar-Soli und „I wanna see your hands up in the air“-Sprüche bei „Mummy Dust“, herzerweichende Mitsingmomente bei „Ghuleh / Zombie Queen“. Ja, es hat gedauert, aber dann hält die bedingungslose Feierstimmung doch noch Einzug im FZW. Die GHOST-Rezeptur aus heiterer Plattitüde, ABBA-Hymnen und straighter Rockmusik geht an diesem vorweihnachtlichen Mittwochabend wieder einmal auf. In diesem Sinne: Come together – for Lucifer’s son.
Setlist:
- Spirit
- From the Pinnacle To The Pit
- Ritual
- Con Clavi Con Dio
- Per Aspera Ad Inferi
- Body And Blood
- Devil Church
- Cirice
- Year Zero
- Spöksonat
- He Is
- Absolution
- Mummy Dust
- Ghuleh/Zombie Queen
- If You Have Ghosts (Roky Erickson Cover)
- Monstrance Clock
Fotos: Eckart Maronde
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