Full Of Hell
Europatour 2018
Konzertbericht
Ein Besuch von FULL OF HELL im Schlachthof Wiesbaden scheint lyrisch und musikalisch wie die Faust aufs Auge zu passen. Dass sich der Booker der heutigen Show wohl einen kleinen Scherz erlaubt hatte, merke ich, als ich mir im Vorfeld zum Konzert die beiden Supportbands anhöre. Für den wütenden Bastard aus Grindcore, Noise und Metal lässt man nämlich zwei spanische Bands die Bühne aufwärmen, die auf dem Papier so absolut gar nicht zum Mainact passen.
DESCUBRIENDO A MR.MIME
Am Schlachthof angekommen bemerke ich, dass nicht nur das Lineup des heutigen Tages sehr gemischt daherkommt. Es hat sich eine beschauliche jedoch bunte Menge von Grindjüngern, Emokids und Metallern versammelt, die bei den ersten Klängen der Spanier von DESCUBRIENDO A MR.MIME auch nur teilweise ins Innere des Gebäudes strömt. Eine nicht unbeachtliche Hitze hat sich bereits vor (und vermutlich auch auf) der Bühne aufgestaut. Und leider bringt da auch die energetische und emotionale Darbietung der Opener keine Abkühlung.
DESCUBRIENDO A MR.MIME zelebrieren klassischen Screamo mit viel Reverb, aber auch cleanen Gitarren und Samples. Die Musiker wuseln über die Bühne, was das Zeug hält. Wer Fan des Genres ist, wird vom Auftritt sicherlich mehr als gut unterhalten. Da ich mich selbst nicht als den größten Screamo-Fan bezeichnen kann, fehlt mir an manchen Stellen ein bisschen der Druck.
Andererseits kann ich im Nachhinein auch nicht behaupten, dass mich die Band gar nicht mitgerissen hat. Denn das, was die Madrider auf die Beine stellen, hat sicherlich Substanz und echte Emotionen. Da ich heute auch mit der Kamera unterwegs bin, freut es mich umso mehr, dass mir auch ordentlich Bildmaterial geliefert wird. Denn DESCUBRIENDO A MR.MIME scheint es zu keiner Minute zu gelingen, ihre Musik nicht mit jeder Faser ihres Körpers zu spüren, was eine unheimlich intensive Atmosphäre auf den Fotos erschafft.
Galerie mit 8 Bildern: Descubriendo A Mr.Mime - Full Of Hell - Europatour 2018BONEFLOWER
Dass sich die Qualitäten der Opener noch steigern lassen, zeigen BONEFLOWER quasi direkt mit dem Betreten der Bühne. Die Songs wirken deutlich gradliniger und weniger verspielt, lassen aber auch den bereits bekannten Reverb und die emotionalen Vocals nicht missen. Vor allem die Vocals gefallen mir deutlich besser, da sich der Sänger und Gitarrist nicht auf das Screamo-typische hohe Geschrei beschränkt, sondern seine Stimme auch in Form von sehr stimmigem Klargesang zu manifestieren weiß. Während er da so über die Bühne hüpft, headbangt und wild gestikuliert, frage ich mich, wie es dem jungen Mann möglich ist, überhaupt noch irgendwelche Töne rauszubekommen.
Ganz ohne Spuren geht die Hitze aber auch an den Spaniern nicht vorbei und es kommt bisweilen vor, dass einem als Zuschauer eine hitzige Mixtur aus Schweiß und Emotionen entgegenkommt. Aber da freuen sich meine Kamera und ich natürlich auch wieder, denn Spanier scheinen die Fotogenität auf der Bühne mit Löffeln gefressen zu haben. Auch dem Publikum scheint es zu gefallen und ich bemerke, dass selbst einige Grindheads den Weg in den Schlachthof gefunden haben und das sogar schon vor dem eigentlichen Headliner des Abends FULL OF HELL.
Galerie mit 12 Bildern: Boneflower - Full Of Hell - Europatour 2018FULL OF HELL
Und da sind sie: Das Quartett aus Pennsylvania bzw. Maryland samt Synthesizer. Wer sich schon einmal durch einen Langspieler der Band durchgehört hat, weiß, was er bekommt. Kompromisslosen und boshaften Grindcore beziehungsweise Death Metal, garniert mit bedrohlichen Samples und Noise-Einlagen. Wer bisher beim Lesen nicht geschlafen hat, sollte bemerken, dass das irgendwie nicht so ganz zum melancholisch hallenden Postrock/Screamo der vorherigen Bands passen will.
Für den Grindcore typisch kurze Songs jagen einander und Sänger Dylan Walker gurgelt und schreit fast schon manisch in sein Mikrofon, während er immer wieder zu seinem Synthesizer rennt, um die nächste elektronische Schandtat auf das Publikum loszulassen. Wo die beiden Opener durch gefühlvolle Musik versuchen, ihren Emotionen Raum zu verschaffen, fühle ich mich bei FULL OF HELL eher, als würde mich ein gewaltiger elektrischer Dampfhammer malträtieren.
Genau dafür scheint auch das Publikum gekommen zu sein, denn trotz des gerade mal zur Hälfte gefüllten Kesselhauses wird viel geheadbangt und wild gestikuliert. Die Band bleibt dabei recht statisch und nur Sänger Dylan rast wie eine Furie vom einen Ende der Bühne zum anderen, um wirklich jede Aggression vollends auf das Publikum zu übertragen. Passend zum Auftritt wurde auch das rote beruhigende Licht der vorherigen Bands durch eine spärliche Beleuchtung ausgetauscht, um die düstere Atmosphäre nochmals mehr zu verdeutlichen. Als die Band und ein sichtlich erschöpfter Dylan die Bühne verlassen, frage ich mich, ob es jemals ein Leben vor dem Schweiß gegeben hat, denn im Konzertsaal ist es unterdessen unerträglich heiß geworden.
Abschließend lässt sich der Abend zwar nicht als eine homogene Erfahrung, aber durchaus als gelungen bezeichnen. Wer mit dem Mindset angereist war, von drei Bands ununterbrochen eins auf die Zwölf zu bekommen, ist vermutlich mit gemischten Gefühlen nach Hause gefahren. Unvoreingenommen hat der Abend aber durchaus Spaß gemacht, trotz der saunaartigen Zustände.
Galerie mit 13 Bildern: Full Of Hell - Europatour 2018Text & Fotos: Jan Schmidt
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