Friction Fest
Earth, Electric Wizard, God Is An Astronaut, WInchester Club, Maybeshewill u.a. live in Berlin

Konzertbericht

Billing: Earth, Electric Wizard, God Is An Astronaut, Junius, Maybeshewill und The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble
Konzert vom 2011-04-21 | Berghain, Berlin

Freitag, 22. April

Zum Auftakt des zweiten Friction-Tags gibt es lokale Berliner Kost: TOUCHY MOB, ein langbärtiger, introvertierter Sympathikus mit Three Stooges-Gedenkfrisur, zaubert allerlei interessante Klänge aus Akustikgitarre und Effektgeräten und transportiert dazu mit heller, schüchterner Stimme melancholisches Textgut. Sehr eigen, aber dennoch ein vielversprechender Einstieg.

 

Auf der „Berghain-Stage“ berlinert es weiter mit OOZING GOD, die durchaus mehr als die bis dahin erst anwesenden ca. 150 Leute verdient hätten – es ist noch vor 18 Uhr und draußen brennt die Sonne, so zieht das Gros der Leute den Genuss des schönen Wetters dem dunklen Berghain vor. Schade, denn die Jungs können was: Zwei Schlagzeuger betrommeln manisch ihre Felle, meist exakt synchron, teilweise auf verschieden Pfaden aber perfekt aufeinander abgestimmt, Bass und Gitarre liefern eine vertrackte, aber dennoch sehr dynamische Rhythmik und der Mann am Synthesizer („Wollt Ihr den totalen Overkill? Ihr kriegt ihn“) fräst einen subversiven Elektronikteppich dazu in die Ohrmuscheln.
Bei ABRAHAM ist die Hütte schließlich voll und der Mob schnell am Toben, denn die fünf Schweizer lassen es gewaltig krachen: Cleane Gesangspassagen und apokalyptisches Geschrei zwischen Wut und Verzweiflung trifft auf metallische Riffattacken und eine beklemmende Atmosphäre, bedrohlich bauen sich die Songs auf im Postrock-Takt, um dann mächtig zu explodieren – MASTODON oder CULT OF LUNA lassen grüßen.  Auf der Bühne geht es so leidenschaftlich zur Sache, dass der Sänger die letzten Songs vom Album „An Eye On The Universe“ mit blutender Platzwunde am Kopf vorträgt, vor der Bühne wird gemosht und der ein oder andere Stagediver surft durch den Raum. Ein sehr überzeugender Mix aus schwerer Melancholie, gnadenloser Härte und charismatischer Präsenz.

Die Schweden von EF definieren anschließend Intensität auf eine andere, bedeutend ruhigere Weise. Bisweilen erinnern sie mit dem zerbrechlichen Gesang, pompösen Streichern und weitflächigen, wunderschönen Soundebenen an SIGUR RÓS, durchbrechen diese mit experimentellen Elementen, die an MOGWAI erinnern, und packen im richtigen Moment die Noise-Kelle aus, um dann wieder runter zu faden und in andere Sphären überzuleiten. Normalerweise dauert ein Konzert von EF mehrere Stunden, da fast jedes Stück an der 10-Minuten-Grenze kratzt, aber auch in diesem für ihre Verhältnisse kurzen Set von 50 Minuten transportieren sie eine solche Fülle an Emotionen, wie andere Bands sie nicht auf mehrere Alben packen können. Apropos Alben: EF sind definitiv eine Live-Band, ihr Studiomaterial kann lediglich einen vagen Eindruck von dem vermitteln, was sie auf die Bühne bringen.

Zum ersten Mal in Deutschland danach KHOMA, deren sphärischer Postrock mit starkem Prog-Faktor durch den genialen Sound im Berghain noch hypnotischer und psychedelischer wirkt. Die Polit-Aktivisten aus Schweden bieten Stoff querbeet durch ihre drei Alben mit Schwerpunkt auf „A Final Storm“ und liefern einen exzellenten Auftritt mit reichlich Bombast.
Beim anschließenden Set von SABBATH ASSEMBLY steht die tiefe, traurige Stimme von Sängerin JEX THOTH im Mittelpunkt, die wie üblich reichlich mit Kerzen zündelt und ausladende Gesten zur mollgeschwängerten Musik fließen lässt, aber an dem Abend ein wenig lustlos wirkt. Sie nippt hin und wieder an ihrem Bier und zieht ihr Programm durch, ohne das Publikum näher zu beachten und scheint froh, als es vorbei ist und sie grußlos die Bühne wieder verlassen kann.

Etwas abseits des sonstigen musikalischen Kontexts steht OWEN PALLETT, der kanadische Violin-Virtuose, der früher unter dem Projektnamen FINAL FANTASY auftrat. Es ist schon erstaunlich, was der Mann mit seiner Violine anstellen kann: Er streicht, zupft und schlägt die Saiten, mittels einer Loop-Station sampelt er einzelne Passagen, die dann repetiert werden und über die er neue Schichten legt, und schafft damit als Solo-Künstler einen nahezu orchestralen Sound, über den er mit glockenklarer Stimme außergewöhnliche Lyrics transportiert und dafür jeweils mit phonstarken Ovationen vom Publikum belohnt wird.

THE BLACK ATLANTIC sind die letzte Band der „Kantine-Stage“. Die Niederländer sind keine Band, die den großen Paukenschlag abliefert, sondern überzeugen mit einem warmen, sanften Sound, zurückhaltenden Harmonien, hingetupften Pianoklängen – auch sie verlasse ich recht früh, da auf der „Berghain-Stage“ kurz darauf EARTH aufspielen, denen ich den Vorzug gebe. Die Amerikaner um Gründer und Gitarrist Dylan Carlson gelten als die Pioniere des Drone Doom, und haben diesmal neben der üblichen Besetzung (neben Carlson noch Adrienne Davies am Schlagzeug, Lori Goldston am Cello und Angelina Baldoz am Bass) einen zusätzlichen Posaunisten dabei, der den ausschweifenden, lange, finster und sich stetig wiederholenden Drone-Strukturen zu noch mehr Tiefe verhilft. Mit extremer Langsamkeit ziselieren sich all ihre minimalistischen Stücke auf, die vor allem vom aktuellen Album „Angels Of Darkness, Demons Of Light“ stammen, das eher nach morbidem, drogengeschwängerten Americana klingt; besonders spannend geraten allerdings die noch etwas bedrohlicheren, tieffrequenteren Songs aus früheren Tagen – darunter eine grandiose Version ihres allerersten Songs überhaupt „Ouroboros Is Broken“, von dem Carlson ankündigt, ihn auf dieser Tour letztmals live spielen zu wollen. Mögen sie auch spätere von Ihnen beeinflusste Bands wie SUNN O))) mittlerweile überholt haben, was den Bekanntheitsgrad betrifft: EARTH sind in dem von ihnen erschaffenen Genre immer noch eine Klasse für sich.

Nach einer Stunde dröhnender, vor sich hin mäandernder Doom-Schleifen dachten sich die Veranstalter wohl, käme als Kontrast eine partykompatible Band zum Abschluss gerade recht, um noch mal alle Energien beim Publikum freizusetzen. Diesen Part übernehmen die Berliner T.RAUMSCHMIERE mit krachigem Elektro-Punk und rotzigem Gesang, und sie erfüllen ihren Auftrag: Reichlich Action auf und Pogo vor der Bühne, Wassergespritze und einfach nochmal alles rauslassen zum Ende des langen Konzertabends.

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18.05.2011

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