Friction Fest
Earth, Electric Wizard, God Is An Astronaut, WInchester Club, Maybeshewill u.a. live in Berlin
Konzertbericht
Vom 21. – 23.April 2011 bot das Friction Fest in Berlin ein buntes Potpourri aus 22 Bands bzw. Künstlern, die sich diverse Attribute teilen: Intensiv, atmosphärisch, experimentell und abseits des Mainstream dürfen sie sich alle auf die Fahne schreiben, bei den meisten darf man noch die Adjektive heftig und extrem hinzufügen – wenn auch mittels zum Teil völlig unterschiedlicher Herangehensweisen und Stilformen.
Schon auf dem Papier ein hochinteressantes Package, das mittels Überschreitung von Genre-Grenzen reichlich Spannung (engl. „Friction“) und Abwechslung versprach. Das Konzept hat eine große Schnittmenge mit dem eine Woche zuvor in Holland stattgefundenen Roadburn Festival, und so lag es nahe, einige der dort aufspielenden Bands auch für Berlin zu buchen, und diese um lokale Burner und diverse exklusive Acts zu ergänzen.
Veranstaltungsort war erstmals das berühmt-berüchtigte Berghain – eine hervorragende Wahl, handelt es sich bei dem ehemaligen Heizkraftwerk in Friedrichshain, diesem grauen, neoklassizistischen Kubus, doch um einen Club von Weltruf mit düsterer Atmosphäre und phänomenaler Soundanlage.
Donnerstag, 21. April
Das Festival ist ausverkauft, und so schlängelt sich am ersten Veranstaltungstag ein stattliches Völkchen zwischen den beiden Bühnen hin und her: Die Bands spielen zeitversetzt und lückenlos auf der kleineren „Kantine-Stage“, wo es reichlich eng zugeht und Temperaturen wie in einer finnischen Sauna herrschen, und der großen „Berghain-Stage“ mit ihren monströsen Boxen; immer wieder geht es raus und rein, durch den Hof, an den hünenhaften Türstehern, Merchandise-Ständen und leckerem Essen zu moderaten Preisen vorbei, um die jeweilige Location zu erreichen.
Den Auftakt in der „Kantine-Stage“ bestreiten THE WINCHESTER CLUB mit dichtem, treibendem Instrumental-Rock in bisweilen epischer Länge, der ordentlich zündet, danach wird – leider viel zu früh am Abend – auf der „Berghain-Stage“ das erste Highlight kredenzt: GOD IS AN ASTRONAUT müssen nach ihrem Gig gleich weiter zu einem Konzert in Belgien und spielen deshalb schon um 19.00 Uhr, einige Stunden früher als in der Running Order vorgesehen.
Es ist stockdunkel, nur vereinzelte bunte Funzeln erleuchten den metallenen Treppenaufgang zum Konzertsaal, hinter der Bühne werden Visuals an die Wand projiziert von alten Filmklassikern wie „Nosferatu“ oder „Sindbad der Seefahrer“, jeder Song wird zudem in seine eigenen Lichteffekte getaucht. Die Iren zelebrieren dazu ihre mitreißenden Postrock-Instrumentals, die zwischen fragiler Schönheit und heftigen Ausbrüchen pendeln: Klangwelten prallen aufeinander, heimelige Wärme, Streicher-Samples und Gänsehaut-Pathos werden durch bedrohlich grollende, sich ins Destruktive steigernde Gitarren- und Rhythmuskaskaden vermischt. Das Resultat ist ein durchdringender, bewegender Trip für Ohren und Augen, der unter die Haut geht und mit dem Stück „Suicide By Star“ seinen Zenit erreicht. Das Publikum feiert die Band gebührlich, aber dennoch etwas verhalten: Zu einem späteren Zeitpunkt des Abends, wenn sich die Stimmung immer mehr eingependelt hat, wären die Reaktionen auf den hervorragenden Auftritt sicherlich euphorischer ausgefallen.
Danach geht es durch den Hof in den anderen Veranstaltungsraum, wo MAYBESHEWILL ein wiederum instrumentales Feuerwerk abbrennen, und zurück zu JULIE CHRISTMAS, der Sängerin von MADE OUT OF BABIES, die ihr erstes Solo-Album „The Bad Wife“ live vorstellt. Früher hätte man die charismatische Femme Fatale mit der variablen Stimme, die manchmal sanft schmeichelt und im nächsten Moment so wunderbar hysterisch kreischt, wohl als Rrrriot Grrrl bezeichnet: Mit einem schwarzen Balken über die Augen gemalt, kreidebleichem Gesicht, von UV-Licht bestrahlt und mit ausfallender Theatralik in Mimik und Gestik hangelt sie sich durch entrückte Songperlen von beachtlicher Bandbreite: Teilweise tönt es still, trüb und düster wie eine schwer psychotische Ballade, manche Stücke wie „If You Go Away“ bauen sich langsam und behände zu herrlich manischen Krachern auf, bei denen es vor Energie nur so knistert, und andere wie „Bow“ rocken von Beginn an brachial und kratzbürstig nach vorne. Tolle Sängerin mit einer klasse Band im Rücken, vor allem dem grandios spielenden John LaMacchia von CANDIRIA, und eine begeisternde Performance – das nächste echte Highlight auf dem Friction.
Bei JUNIUS gibt es erstmal Probleme, überhaupt zum Konzert zu gelangen: Die „Kantine-Stage“ ist so überfüllt, dass viele draußen murrend in der Schlange stehen und nicht mehr reinkommen; erst wenn jemand den Raum verlässt, können andere nachrücken. Das Quartett aus Boston wurde vom Rolling Stone mal als „Hybrid zwischen NEUROSIS und THE SMITHS“ beschrieben, und das trifft es perfekt: Krachender Postcore trifft auf melodischen, bisweilen nahezu poppig anmutenden Gesang und mutiert zu einem intensiven Bastard aus purer Energie und düster-erhabenen Melodien.
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37294 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!