Friction Fest
Das Festivalcomeback 2015
Konzertbericht
SAMSTAG, 17. OKTOBER 2015, ESSIGFABRIK KÖLN.
Bericht und Fotos von Alex Klug.
Schön, wenn Frau Kollegin Wolff einen am Vortag schon mal vorwarnt. Zwar weiß ich jetzt, dass ich es am heutigen Samstag satte sieben Stunden ohne essentielle Grundnahrungsmittel wie Döner oder Chicken McNuggets aushalten muss, doch auch das zweite Mittagessen hat mir bisher nicht wirklich weitergeholfen. Also mittels jahrelangem Trainings gekonnt eine BiFi in der Kameratasche mitgeschmuggelt und rein ins Vergnügen. Hallo Friction Fest!
Ach Friction Fest, wie schön, dass du auch einmal zu mir kommst und ich nicht erst in deine ferne Berliner Heimat reisen muss. Da ist’s doch immer so hektisch. Hier in der Domstadt spazieren die ersten Gäste jedoch ganz gemütlich nach und nach herein. Und dass, obwohl sich die Essigfabrik im Laufe des Abends mit knapp 1000 Gästen füllen wird.
Doch schon ?INIE geben ihr Bestmöglichstes, um die weitgehend tiefenentspannte Menschenansammlung aus ihrer Seelenruhe herauszureißen. Ihr bissiger, mit halligen Atmo-Keyboards versetzter Stoner-Doom scheint wie für diesen Zweck gemacht. Tighte KYUSS-Riffs hagelt es zur Genüge, Sänger Jörn genehmigt sich das eine oder andere Hetfield- „YEAH!“ – bloß die Elektronik rückt häufiger als intendiert in den Hintergrund. Die Hanseaten verstehen sich aber ohnehin besser auf die Trennung von Gitarren und Synthesizern und lockern ihr Desertgebrumme darum auch gerne mal mit Trip-Hop-Interludien auf. Bei diesem Auftakt bleibt vielleicht nicht gleich jeder Song im Ohr, doch in der zunächst noch herbstlich kühlen Essigfabrik bahnt sich bereits richtige Betriebstemperatur an.
Wobei, halt stopp, bei TODTGELICHTER wird’s natürlicher wieder kühler. Dank einer satten Portion Schwarzlicht erscheinen die Malermeister um Frontdame Marta heute zwar eher blau als weiß, aber das sollte der Atmosphäre ja eigentlich keinen Abbruch tun. Denn hierfür gibt’s ja noch sowas wie schlechten Sound. Klar kann die Essigfabrik nicht immer mit EUROBLAST-artigen Soundverhältnissen aufwarten, doch dank straffen Zeitplans liegt der Truppe der semi-erfolgreiche Soundcheck zu Beginn noch schwer im Magen. Spätestens zu „Embers“ nimmt das Avantgarde-Black-Metal-Quintett dann aber richtig an Fahrt auf. Es folgt ein meist ohne weitere Soundprobleme auskommender Ritt durch altes und neues Material, der insbesondere in Martas exquisite Stimmbeherrschung fußt. Diese reicht von kalten Screams über schwindelerregende Operettenhöhen bis hin zur Ankündigung eines neuen TODTGELICHTER-Albums für 2016. Gemessen an der steigenden Headbanger-Zahl dürften sich einige Abnehmer finden.
MANTAR kommen nicht bloß mit matschigem Sound klar. Sie glorifizieren ihn. Anderthalb Jahre und einige Welttourneen nach dem Senkrecht-Debüt „Death By Burning“ haben Hanno und Erinc die Schnauze immer noch nicht voll von energiegeladenen Live-Auftritten. Ihre extensive Spielfreude zeigt sich aber nicht nur in der gewohnt rotzigen Black-Doom-Punk-Mixtur, sondern zugleich im grenzenlosen Reisetross des Duos: „Hallo, wir sind MANTAR aus Bremen. Und wir müssen gleich wieder weg, weil wir heute aus Versehen noch ein Konzert in Holland spielen.“ Das kann man schon so machen. Genauso wie man mit „Spit“, „The Berserker’s Path“ oder „Into The Golden Abyss“ ein dreckiges Hit-Feuerwerk aus dem Ärmel schütten kann. Genauso wie man die ganze Platte halt einfach feiern kann. Denn die knallt live eben noch mal mit der dreifachen Wucht jeder dahergelaufenen Pseudo-Sludge-Band.
Die dabei auf der Bühne freigesetzten Energien versetzen nicht nur die ersten zehn Reihen heftig in Bewegungen, sondern lassen auch auf der Bühne die Emotionen überkochen. So entschließt sich Hanno als Reaktion auf die Amp-Probleme gegen Ende des Sets gerade noch rechtzeitig gegen die nicht mehr wirklich zeitgemäße Gitarre-in-Amp-stecken-Nummer, sondern begnügt sich kurzfristig mit der Malträtierung seines Mikroständers. Dabei ist die Zerstörungswut im Grunde doch unangebracht: Musikalisch wurde hier ohnehin der Laden abgerissen.
Volles Haus MANTAR, leichtes Spiel für HERETOIR. Wenn im deutschen Post-Black-Metal-Underground noch von heimlichen Lichtgestalten gemunkelt werden kann, dann stehen diese wohl hier gerade auf der Bühne. Im Gepäck haben die vier Herren um Mastermind Eklatanz heute nicht nur Material vom eponymen Debütalbum, sondern auch eine Handvoll neuer Songs, die sich mit wesentlich versierterer Rhythmusarbeit ein gutes Stück vom Black Metal abgrenzen. Über darf den Sound darf inzwischen nur noch minimal gemeckert werden, über den einen oder anderen monitorbedingten schiefen Ton im Klargesang aber schon eher. Das Jammern auf hohem Niveau könnte natürlich auch meiner langsam exorbitant steigenden Sehnsucht nach bedingungslosem Fresswahn zuzuschreiben sein. Aber ein Profi lässt sich von so etwas ja nicht gleich das Konzert verderben.
Das ist auch kaum möglich, beschert doch das nun wieder blackigere „Graue Bauten“ makellose Gänsehautmomente. Eine Welle der Euphorie, die durch einen Gastauftritt von AGRYPNIE-Fronter Torsten abermals in die Höhe getrieben wird. Im Publikum wird dazu wahlweise träumerisch umhergeschwankt oder – soweit bei den Post-Black-Kids möglich – auch geheadbangt. Hipster-Vorurteile mal beiseite, nach vorne hin werden die Haare plötzlich immer länger. Also ehrlich: Wenn ihr mit der Mucke derart viele Mädels in die vorderen Reihen zieht, habt ihr wohl nicht nur musikalisch einiges richtig gemacht, Jungs. Feine Sache!
Wie oft Everybody’s Darling Alan Averill die Spirituosen-Flasche hinter der Bühne schon angesetzt hat, aber das unersättliche Party-Animal hat von Beginn an die gute Laune intus. Während sich die Freunde atmosphärischer Post-Post-Post-Klänge eher verhalten in die hinteren Reihen verflüchtigen, lässt sich ein Großteil der Friction-Fest-Besucher mit größtem Vergnügen auf PRIMORDIAL ein. „Where greater men have fallen, is where we stand guard.“ Schön, wenn martialische Texte die Menge noch immer zu wilden Luftgitarren-Contests animieren können. Averill reiht sich mit seinem imaginären Luftgewehr ein und treibt die heiter-ausgelassene Stimmung in der Essigfabrik damit auf die Spitze. In einer ruhigeren Minute verweist der Fronter dann mit der 1996 erschienene Split-EP „Scarlet Heavens / To Enter Pagan MCMXCVI“ auf die nachfolgenden KATATONIA. Nach 70 Minuten meist doch eher eintönigem Pagan Metal könnte die Vorfreude größer nicht sein.
Setlist:
- Where Greater Men Have Fallen
- Gods To The Godless
- Babel’s Tower
- No Grave Deep Enough
- As Rome Burns
- Wield Lightning To Split The Sun
- The Coffin Ships
- Empire Falls
„Buildings“, „Increase“, „Forsaker“ – KATATONIA ballern erst mal fein was raus. Ohne große Umschweife arbeiten sich die Schweden in den folgenden 80 Minuten durch die Tracklists ihrer letzten vier Platten. Die gewohnte Extradosis Melancholie trifft das andächtige Publikum mit Leichtigkeit ins Herz – und setzt damit genau den richtigen Kontrast zum Partyprogramm PRIMORDIALs. Angesichts der durch und durch Headliner-würdigen Tightness verkommt die allgegenwärtige Rotwein-Stimmung dabei aber niemals zur bloßen Zweckmäßigkeit. Das beweisen nicht nur saftige Mitsingchöre beim Alltime-Favorite „Teargas“, sondern auch sichtlich vergnügte Musiker auf der Bühne. Denn auch wenn der durchschnittlich KATATONIA-Songtext nicht gleich darauf schließen lassen mag, beteuert Fronter Jonas Renkse mehrfach, was für eine „good time“ die Band heute Abend doch auf der Bühne hätte. Na gut, es sei euch abgekauft.
Apropos: Fast schon eingekauft wirkt zunächst der optisch herausstechende Kurzhaar-Knüppelmann Daniel Moilanen. Dabei entpuppt sich der Ersatz für Langzeit-Drummer Daniel Liljekvist bereits nach wenigen Songs als absolute Präzisionsmaschine, die sich mit so einigen Genrekollegen messen lassen kann. Da verzückt Renkses Statement, laut dem es nach dieser Show sofort zurück ins Studio ginge, doch gleich in doppelter Hinsicht. Gegen Ende gibt’s dann noch eine dreifache Portion „The Great Cold Distance“ – und zurück bleibt so manches Grinsen auf den Gesichtern der verzauberten Zuschauer. KATATONIA haben mal wieder zugeschlagen.
Setlist:
- Buildings
- Increase
- Forsaker
- Dead Letters
- Day And Then The Shade
- Leaders
- Cold Ways
- Teargas
- Evidence
- The Longest Year
- Ghost Of The Sun
- The Racing Heart
- Soil’s Song
- Criminals
- My Twin
- Lethean
- July
Was ein Abend. Das Friction Fest lebt! Mit einem abwechslungsreichen Line-up im Extreme-/Progressive-Spannungsfeld setzen die Macher mit ihrem Wiedereinstand ein dickes Ausrufezeichen – und das gleich in zwei Städten. Doch was bleibt von den legendären Auflagen der Jahre 2010 und 2011? Was ist aus den mehrtägigen Entdeckungsreisen im experimentellen, teils gar elektronischen Sektor geworden? Von ?INIE einmal abgesehen, lassen die Veranstalter in diesem Jahr doch das Händchen für wahre Geheimtipps à la DER WEG EINER FREIHEIT vermissen, die hier beispielsweise 2010 ihren ersten Auftritt bestritten. Und auch hierzulande eher selten zu sehende Highlights wie einst WOLVES IN THE THRONE ROOM, CRIPPLED BLACK PHOENIX oder AMENRA hagelte es diesem Jahr nicht. Das schränkt natürlich weder die aufspielenden Bands noch das Friction Fest selbst in seiner Qualität ein – zu einem gewissen Grad verspielt es aber auch das einstige Trendsetter-Potential.
Bericht und Fotos von Alex Klug.
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