Freak Valley Festival
Lange Wege führen nach Netphen
Konzertbericht
Freitag
Gegen Mittag trifft dann auch unsere Nachhut ein. Nachdem auch hier die Hütten aufgeschlagen sind, machen wir uns gemeinsam auf zum Gelände. GODSLEEP mussten damit leider der Nachhut geopfert werden, denn als alle versammelt unten ankommen, ist deren Spielzeit leider schon um. Doch kein Problem, die machen Samstag ja nochmal den Opener.
Also erst einmal mit den wichtigen Begebenheiten vertraut gemacht: Bier kostet wie schon gestern bemerkt 2,50 Euro, und auch das fehlende Wechselgeld des gestrigen Tags hat eine plausible Erklärung: Seinen guten, krisenerprobten Euro muss man gegen rote und blaue Hippietaler eintauschen. Auch das kulinarische Angebot weiß zu überzeugen: Wurst und Burger sowie vegetarisch-veganes Inderessen (und Falafel) von einem ortsansässigen Verein zu absolut fairen Preisen. Unsere erfahrene kulinarische Verkosterin hat sich (im Laufe der beiden Tage) einmal quer durch das Essenssortiment gearbeitet und es allesamt für gut befunden. Da können sich einige ältere, größere Festivals noch eine große Scheibe von abschneiden! Es kann so einfach sein. Ein Caféstand gibt es auch, so richtig mit Siebträgermaschine und warm- bzw. kalt aufgeschäumter Milch. Die Geschwindigkeit der beiden Damen hinter dem Tresen ist der Musik angepasst: Schön Langsam, dass auch ja keine Hektik aufkommt. Ebenfalls wichtig und eine positive Überraschung: die Toiletten. Keramikklos, die eigentlich immer sauber sind und dazu dreilagiges Deluxepapier… Was will man mehr?
Beschallt werden wir auf unserer Entdeckungstour von den alten Herren von DEAD ORSE von der Insel. Die vier spielen das erste Mal außerhalb Englands und die nach eigenen Angaben „beste Doomband der Welt“ kann wirklich überzeugen. Sie jedoch als reinen Doom zu bezeichnen wäre ziemlich vermessen, viel mehr wird hier grooviger Rock mit Doomschlag dargeboten, OZZY OSBOURNE würde es gefallen. Die vier Herren trifft man am Festivalwochenende auch noch wirklich oft am Bierstand oder vor der Bühne, meistens mit strahlenden Gesichtern. Und so meldet sich auch Frontmann Queasy nach dem Festival zu Wort: „I would like to say thank you for an awesome weekend. I haven’t laughed so much, listened to so much cool music and met so many friendly, happy people and hospitality for a long time. We had a ball. Thank you all. You deserve for your festival to be an even bigger success next year. If I can’t play I’m coming anyway.“ Und das von einem Engländer, keine drei Wochen vor der EM. (Nun ja, zu dem Thema Fußball, England und Deutschland kommen wir im Laufe dieses Berichtes ja so oder so noch, da war irgendwas mit Bayern…)
Danach stehen mit GLOWSUN und MARS RED SKY ein französischer Doppelpack auf dem Programm. Die Herren von GLOWSUN wissen die nun schon etwas angewachsene Menschenansammlung vor der Bühne mit eingängigen Riffs und einer soliden Performance zu überzeugen. Während des Gigs wird leider der Regen immer stärker, was viele unter das geräumige Mischpultzelt treibt. Passend zur stets aufmerksamen und bemühten Organisation stehen jedoch innerhalb kürzester Zeit wie aus dem Nichts zwei große offene Zelte auf dem Gelände, unter denen sich der regenscheue Stoner Rocker (und auch die regenscheue Stoner Rockerin, von welchen es gar nicht mal so wenige gibt) ins Trockene bringen kann. Wüstenrock und Regen passt einfach nicht. Erwähnt sei noch, dass der GLOWSUN-Sänger wohl am Freak-Valley-Artwork beteiligt war.
MARS RED SKY sind wohl die Newcomer in der Stonerszene schlechthin. Mit einer perfekten Mischung aus Härte (Bass) und Hypnose (Gesang) schicken diese Jungs den Zuhörer auf eine psychedelische Reise der Extraklasse. Vom nun sehr starken Regen wenig beeindruckt, haben sie das Publikum von der ersten Sekunde an im Griff und Lieder wie „Strong Reflection“ und „Marble Sky“ regen zum ersten Mal den ein oder anderen textsicheren Besucher zum Mitsingen an. Dem aufmerksamen Festivalbesucher fällt nach und nach auf, dass entweder der gemeine Stoner Rocker sehr wenig anzuziehen hat oder aber die Festivalshirts und Pullis einfach nur sehr gut gelungen sind. Denn schon nach wenigen Stunden hat gefühlt jeder Dritte irgendetwas aus der Freak-Valley-Kollektion an. Und da mit-dem-stromschwimmen manchmal gar nicht so blöd ist, erkundigen wir uns nach dem aktuellen Verkaufsstand: Hoodies schon fast ausverkauft, gerade noch einen bekommen. Nach drei Stunden! Am Samstag ist dann auch alles bis aufs letzte Shirt verkauft, mittlerweile läuft schon die Internet-Sammelnachbestellung. Irgendwas scheinen die Jungs hier richtig zu machen.
Die Niederländer von 3 SPEED AUTOMATIC geben danach ihr letztes Konzert überhaupt. Dummerweise haben wir das erst im Nachhinein erfahren und eine kleine Pause eingelegt, was man aber von den Bierbänken im hinteren Teil des Geländes hören kann: Den Leuten hat’s gefallen.
Unser erstes heiß ersehntes Highlight des Freak Valley folgt mit LONELY KAMEL aus Oslo – mehrfach gesehen und stets für gut befunden. Mit unserer Vorfreude sind wir nicht allein: Backstage- und Bierzapfjunge Affi schwärmt ebenfalls für LONELY KAMEL. Zwar nicht aus musikalischen Gründen, doch auch anderes kann begeistern: So verspeist der LONELY-KAMEL-Drummer wohl mit einer solchen Begeisterung Würstchen (sehr viele Würstchen), dass er Affi damit so begeisterte, dass der zum Fan wurde. Gar nicht mal so blöd: Wurst fressen und dafür geil gefunden werden.
Nach all der Begeisterung im Voraus noch schnell ein paar Hippietaler in kühles, flüssiges Nass verwandelt und ab dafür. Unsere Begeisterung hat jedoch andere Gründe. LONELY KAMEL wissen mit der perfekten Mischung aus Blues und Stoner-Grooves zu begeistern. Der Sound ist absolut genial, sogar so gut, dass wir gegen Ende zum Mischer gehen, um auch ihm den verdienten Applaus zukommen zu lassen. LONELY KAMEL nutzen quasi die Gunst der Stunde und besingen die angereisten Stoner Rockerinnen mit „Damn You’re Hot“. Bei der ein oder anderen ist das auch nicht von der Hand zu weisen – auch mal schön wenn es was fürs Auge gibt. „Don’t Piss On The Lizard“, „Grim Refeer“ und „Stick With Your Plan“, um nur einige Songs zu nennen, runden das Set ab, das sich quer durch die bisherigen drei Veröffentlichungen der Norweger zieht. Ziemlich geil was dabei rauskommt, wenn Norweger auf deutsche Würstchen prallen!
Nachdem LONELY KAMEL den berühmten amerikanischen Wüstensand der Stoner überall auf dem Festivalgelände verteilt haben, geht es mit GENTLEMEN’S PISTOLS, einer wiederum inselstämmigen Band, mehr in Richtung klassischen Rock’n’Rolls. Mittlerweile ist es dunkel geworden und die eingesetzten Ölprojektoren verbreiten eine sehr angenehme Stimmung, die durch die geradezu zum Bewegen animierende Musik der Briten komplettiert wird. Auch der immer wieder einsetzende Regen kann daran nichts ändern. Dass die Band großen Spaß am Musizieren hat, lässt sich unschwer an ihrer von ausgefallenen Bewegungen am Instrument geprägten Bühnenpräsenz erkennen. Vor allem vom obenrum entblößten Bassisten. Jener Bassist ist es auch, der es dann verpasst, sein Instrument in die richtige Stimmlage zu versetzen, nachdem die Band die Bühne bereits verlassen hat, um für die berechtigt gewünschte Zugabe wieder zu erscheinen.
So kommt es, dass er das letzte Lied eben ein wenig tiefer spielt als seine Mitmusiker, was denen im Gegensatz zum Bassisten ebenso so auffällt wie dem Publikum. Wie sich anschließend im Backstagebereich herausstellt, war er zu dem Zeitpunkt nicht unwesentlich betrunken… Ein Wunder wie er zuvor noch so gut spielen konnte, denn GENTLEMAN’S PISTOLS haben uns mit ihren ausgefallenen Riffs und ihrem angenehm präsenten Gesang gefallen.
Mit MY SLEEPING KARMA gibt es dann zum Abschluss noch ein echtes Schwergewicht der deutschen Szene. Und die sind hier beim Freak Valley zumindest in einer Sache eine Ausnahme: Die einzige Band, bei der die Zuschauer auf Gesang verzichten müssen. Aber den braucht die Band um den Mann hinter Sound of Liberation halt auch einfach nicht! Mit unglaublich fetten Sounds, untermalt mit scheinbar unendlich weiten elektronischen Flächen und Effekten, geben MY SLEEPING KARMA eine Setlist quer durch alle drei Alben zum Besten. Zwischendurch wird man dann doch an den Klang menschlicher Stimme erinnert. Bassist Matte scheinen Themen wie das bevorstehende Albumrelease zur wahrscheinlich längsten Ansage seiner Karriere motivieren. Aber selbst in dieser kurzen Verschnaufpause (für den Zuschauer) lohnt es sich zuzuhören. Aber nicht nur für die Ohren, auch für die Augen ist wieder etwas geboten: Nein, nicht wegen der blendenden Schönheit der Musikanten, sondern vor allem wegen der grandiosen Lichtshow, die das, was die Band da macht, perfekt ergänzt und uns damit einen tollen Tagesabschluss beschert.
Nach MY SLEEPING KARMA sind die Gemüter dann auch wirklich erschöpft, so ein Festivaltag ist einfach anstrengend. Besonders wenn man dauernd vor diesem Regen flüchten muss. Man schließt sich also der pilgernden Menge an und begibt sich auf den Rückweg, den man inzwischen zu fürchten weiß. Der führt durch das von Laternen erleuchtete Netphen. Als wir am Feldweg ankommen, der uns zum Zeltplatz führt, erkennen wir wieder einmal die wunderbare Fürsorge und Organisationsfähigkeit der Veranstalter: liebevoll verteilte Knicklichter leuchten dem orientierungslosen Festivalbesucher den Weg. Und die Knicklichter sind nicht nur alle hundert Meter irgendwo hingepfeffert – nein, sie sind im gefühlten 20cm Abstand kerzengerade in den Boden gesteckt. Selbst hier hat man keine Mühen gescheut! Das einzige was jetzt noch zum Fürchten bleibt, sind unzählige Kuhfladen und Stromzäune, deren Funktionstüchtigkeit so mancher mehr oder weniger absichtlich erfahren darf. Endlich in der eigenen Residence angekommen, schläft man wie ein kleines Kind.
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37234 Reviews und lass Dich inspirieren!
Colour Haze und My Sleeping Karma auf Tour
29.03.25 | Sol Sonic Ride CologneColour Haze, 1000mods, Slomosa, My Sleeping Karma, Greenleaf, Gnome, Earth Tongue, Daevar und Lucid VoidCarlswerk Victoria, Köln |
Guter Bericht, danke. Flüssig und mit Freude zu lesen.
Huhu, kleiner Fehler im Bericht. Demon’s Eye kommen nicht aus England sondern aus Deutschland. Nur Doogie (ursprünglich Schotte) kommt aus England. Sonst alles super! Rock on!