Foreigner
Melodic Rock Legende auf 40th Anniversary Tour
Konzertbericht
FOREIGNER haben 1977 ihr Debütalbum herausgebracht, und das feiern sie nun mit einer ausgedehnten 40th Anniversary Tour. metal.de war in Stuttgart dabei und hat miterlebt, was Fans auf einem bestuhlten FOREIGNER-Konzert machen. Sitzen blieben nämlich die wenigsten.
Ich war noch nie im Beethovensaal und da trifft es mich wie ein Schlag, als ich sehe, dass der Saal komplett bestuhlt ist. Kein Stehplatzbereich! Ein Rockkonzert im Sitzen??? Das hab ich ja nicht mehr erlebt seit… seit… genau, seit den Siebzigern. Na, das passt ja. Heute machen wir eine Zeitreise in die Siebziger.
Der Beethovensaal ist eher ein Opernsaal, es gibt sogar diese süßen kleinen Privatbalkone. Der Vorteil: die Akustik ist der Hammer! Heute ist der Laden fast ausverkauft, wollen wir doch mal sehen, ob sich das Publikum auf den Stühlen halten lässt oder ob die älteren Herren von FOREIGNER die Leute noch vom Hocker reißen können.
Support sind die noch recht unbekannten THE WEIGHT
Galerie mit 15 Bildern: The Weight - live mit Foreigner in Stuttgart 2017Los geht es erst mal mit THE WEIGHT, einer sogenannten Retro-Rock-Band aus Österreich. Der Name ist Programm, THE WEIGHT liegt eine große Last auf den Schultern. Sie haben 40 Minuten Spielzeit, und fast niemand im Saal kennt sie, sie haben erst eine EP veröffentlicht. Das ist heftig. Es irritiert mich immer wieder, dass der Support von großen Rockbands meist nicht angekündigt wird. THE WEIGHT fand ich erst nach längerer Googelei über ihre eigene Homepage. Dementsprechend sind noch einige Sitze leer.
Die Überraschung ist aber riesengroß, als die vier Jungs auf der Bühne loslegen und stimmige Songs mit 70er-Flair zelebrieren. LED ZEPPELIN und THE WHO lassen grüßen, sie haben sogar noch einen 60er Touch da drin, vor allem, wenn sie bluesig werden, und irgendwo höre ich sogar noch ein paar 80er PINK FLOYD-Anleihen. Das Ganze ist aber trotzdem eigenständig. Das Wort Retro finde ich trotzdem nicht so passend, THE WEIGHT sind nämlich kein bisschen angestaubt, sondern bringen viel frischen Wind mit, Instrumentalparts und Gitarrensoli inklusive.
Das Retro-Flair haben sie aber: gechillt und verschnörkelt, wie früher halt, aber den Sound und die Frische von heute. Der Sänger hat eine tolle Stimme, die er gut einzusetzen weiß, und auch das Bühnen-Entertainment-Gen. Da freue ich mich doch auf das Debütalbum im Herbst, auch wenn einige der älteren Herrschaften gegen Schluss auf den Stühlen rumrutschen – denen sind wohl 40 Minuten zu lang mit unbekannten Songs. Naja, es macht halt nicht jeder seine Hausaufgaben vor einem Konzert, und eine so gute Band wie THE WEIGHT steckt das weg. Nach dem bluesigen, wunderschönen „Hard Way“ drehen sie nochmal voll auf mit „The Doctor“, und da haben sie das Publikum wieder.
Setlist THE WEIGHT:
- Keep Turning
- Inside
- Trouble
- Rich Man’s Pride
- The Preacher
- Plenty
- Heads Or Tails
- Hard Way
- The Doctor
„Cold As Ice“? Nicht bei einem FOREIGNER-Konzert, da ist es heiß!
Der Saal füllt sich, und dann eröffnen die heiß ersehnten FOREIGNER mit „Double Vision“. Schon beim dritten Song ist klar, dass kein Mensch Stühle auf einem Rockkonzert braucht. „Cold As Ice“ ist hier gar nichts mehr, der Saal kocht, und Sänger Kelly Hanson lässt es sich nicht nehmen, von der Bühne zu kommen und bis hoch auf den Zuschauerbalkon zu laufen. Dort hält er ein bisschen Hof, bis er wieder auf die Bühne eilt. Coole Aktion!
Weiter geht es Schlag auf Schlag. Riesenhits wie „Waiting For A Girl Like You“, „Feels Like The First Time“, „Jukebox Hero“ heizen den Laden immer mehr auf. Die Herren zeigen immer noch Spielfreude, besonders Kelly Hansen lässt die Rampensau raus. Er ist phantastisch bei Stimme und auch etwas irritiert von den Stühlen. Er meint, ER hätte kein Problem damit, wenn die Leute nach vorne kommen. Na, das muss er nicht zweimal sagen, und vor allem die Jungen eilen vor die Bühne. Ja, es sind auch ein paar junge Leute hier, und der ein oder andere Kuttenträger bangt nun vor der Bühne.
„Urgent“ kommt mit einem packenden Saxophonsolo von Thom Gimbel, dem Mann mit Hut, danach folgt ein Keyboard- und ein Drumsolo, sogar noch ein Keyboard-Drum-Duett. Beim Schlagzeugsolo leert Drummer Chris Frazier Wasser auf seine Felle und klopft dann drauf rum, das spritzt und ergibt im Scheinwerferlicht einen tollen Effekt. Die Songauswahl ist auch großartig, klar bei so einer großen Hitkiste, in der FOREIGNER wühlen können.
Mit den alten Helden ist es ja immer so eine Sache: manche erkennt man nicht wieder, manche machen sich lächerlich, manche demontieren sich selbst. Aber manche bleiben einfach gleich. So ist das heute Abend: keine Experimente, keine Mätzchen, keine Video-Leinwand, die von den Musikern ablenkt. Einfach ein FOREIGNER-Backdrop mit einer 40 und ein paar kleinere Lichtspielereien. Und Foreigner at its best. Gut aufgelegt, spielfreudig, tight. Mick Jones, einzig übrig gebliebenes Originalmitglied, hält sich an das, was er am besten kann: an seine Gitarre und schöne Soli. Kelly Hansen ist Hansdampf in allen Gassen, entertaint und singt und wirbelt über die Bühne. Und irgendwann singt er einen soooo langen Ton, dass ich schon Angst bekomme, dass er wegen Sauerstoffmangel umfällt. Nein, er lacht!
Bei „I Want To Know What Love Is“ fordert Kelly Hansen die Zuschauer dann zum Kuscheln auf, jeder soll seinen Nachbarn in den Arm nehmen. Das ist dann doch etwas zuviel des Guten, und ich muss dringend etwas in meinem Fotorucksack kramen. Immerhin stehen viele in die Jahre gekommene Ehepaare hier und liegen sich in den Armen, das hat auch was.
Aber was eine echte Rockband ist, die entlässt die Leute nicht mit einer Ballade, sondern einem richtigen Kracher. In diesem Falle ist es „Hot Blooded“, das die Temperatur noch einmal zum Siedepunkt bringt. Und so endet ein perfektes Rockkonzert von alten Helden. Geht doch!
Setlist FOREIGNER:
- Double Vison
- Head Games
- Cold As Ice
- Waiting For A Girl Like You
- That Was Yesterday
- Dirty White Boy
- Feels Like The First Time
- Urgent
- Keyboard/ Drum Solo
- Jukebox Hero
- —
- Long, Long Way From Home
- I Want To Know What Love Is
- Hot Blooded
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37235 Reviews und lass Dich inspirieren!
Klasse Bericht – Danke. Ähnlich gut hab ich die Jungs in Erinnerung. Ich war kürzlich auf meinem ersten (und sicherlich letzten) bestuhlten Rock-Konzert. Letz Zep – nee, so macht das keinen Spaß.