Herbstreise
Fjørt und Ashes Of Pompeji live im Kesselhaus Wiesbaden

Konzertbericht

Billing: FJØRT und Ashes Of Pompeji
Konzert vom 30.10.2016 | Kesselhaus , Wiesbaden

FJØRT

Fjørt

David Frings von Fjørt

Nach einer kurzen Pause, die alle für einen Besuch am Merchandisestand – sehr viele Leute äußern ein „Hab ich schon alles“ in Bezug auf FJØRT – oder für einen kurzen Plausch an der freien Luft nutzen, füllt sich der Saal ziemlich gut. Ausverkauft ist nicht, aber die Leute drängen sich dicht im Kesselhaus. FJØRT haben ihr aktuelles Album „Kontakt“ bereits im Frühjahr betourt, also wer die Band dieses Jahr sehen wollte, der konnte sie auch sehen. Selbst an der Abendkasse lag der Preis unter 20 Euro, was FJØRT allerdings in den nächsten knapp 90 Minuten in Bezug auf Lichtshow, Sound, Dramaturgie, Inhalt und Leidenschaft bieten, ist deutlich mehr wert.

Fjørt

Jeder Song stimmungsvoll mit dem passenden Licht untermalt.

Nach einem stimmungsvollen Intro, während dem man die Spannung beinahe greifen kann, legen FJØRT mit „Lebewohl“, dem letzten Song der aktuellen Platte, los. Mit einem so traurigen Song ein Konzert zu eröffnen und dafür auch noch euphorisch gestreckte Hände und sozusagen „gute Laune“ zu ernten, dass schaffen auch nur Bands wie FJØRT. Gleich danach gibt es „Anthrazit“ auf die Ohren und zum hektischen Takt von „Für die geschlossenen Augen im Licht…“ bildet sich schon der erste Pit im vorderen, mittleren Teil der Halle.

Hallo, was machst du hier? Kann’s dir nicht sagen, es hat mir mir zu tun.

Bassist David lässt sich nicht lumpen, er kommt dem Publikum – dem FJØRT dank der gerade mal kniehohen Bühne sowieso schon sehr nahe sind – noch näher. Sobald es der Song zulässt und er nicht gerade selbst am Mikrofon steht, tritt er nach vorne. Er untermalt die Inhalte mit Gesten, singt den Leuten direkt in die Augen, bekanntlich der kürzeste Weg zum Herz. Man nimmt es schon fast als gegeben hin, dabei ist es heutzutage leider eher selten, dass Künstler so leidenschaftlich hinter ihrer eigenen Musik stehen. Dass FJØRT gerade mehrere Konzerte gespielt haben und sich einen Tag vorher noch mit Gin und Ananassaft betrunken haben, merkt man ihnen an diesem Abend nicht an – der Funke zwischen Band und Publikum springt sofort über.

Fjørt

Chris Hell von Fjørt

Dank dem sehr guten Sound im Kesselhaus, kommen die ruhigeren Passagen genauso gut zur Geltung, wie heftigen. Viel zu selten erwähnt oder gelobt wird Schlagzeuger Frank. Also wem auf den Platten noch nicht aufgefallen ist, wie
begnadet der Mann auf die Felle drischt, dem müsste es spätestens live auffallen. Leidenschaftlicher Musiker ist noch untertrieben, man hat den Eindruck er spielt um sein Leben, jeder Schlag ein Statement – großartig!

Wahrscheinlich sind die Fans etwas erschlagen, denn obwohl mitgesungen wird, hätte man sich die Publikumsbeteiligung noch etwas lauter vorgestellt. Viele genießen die Songs mit geschlossenen Augen, wippen im Takt und scheinen gerade ihre ganz eigenen Gedanken mit sich auszumachen.

Vereinzelt gibt es richtiggehend Publikumsexplosionen, bei „Revue“ schreien scheinbar alle kollektiv mit erhobener Faust“Zeig dich auch“. Bei „Valhalla“ kommt ein kollektives und mit ausgestreckten Armen unterstütztes „Der Himmel brennt“ und bei Paroli brüllt es einheitlich „Auf zwei von denen kommen zehn von uns, und bitte“, welches sich gleich danach in heftigem Bangen entlädt – genau für solche Momente gibt es Konzerte.

„Paroli“ leitet Bassist David etwas länger ein, spricht selbstverständlich die aktuelle Situation an. Benennt AfD und PEGIDA, sowie deren Anhänger mit ihren menschenverachtenden und unheilbringenden Einstellungen, malt ein düsteres Szenario für die Zukunft. Sicher fragt sich der ein oder andere, ob es Sinn ergibt, hier sind doch alle gegen sowas? Nein, die Wahlergebnisse sprechen eine andere Sprache und besonders wichtig ist der letzte Satz von David: „Erzählt es allen weiter.“ Genau darum geht es nämlich, dass jeder einen kennt, der einen kennt, der nämlich doch in diese falsche Richtung tendiert.

FJØRT lassen keine ihre drei Veröffentlichungen außer acht und so gibt es mit „Kleinaufklein“ auch einen Song von der Platte „Demontage“. Gitarrist Chris erinnert sich noch gut, an den Proberaum damals 2012, wobei Raum wohl eher übertrieben ist, denn zwei Meter auf zwei Meter entsprechen eher eine Kammer. Dass FJØRT damals wesentlich schroffer waren, merkt man sofort, das Publikum passt seine Aktion dementsprechend darauf an. Die Leute hinter Through Love Records, bei dem „Demontage“ damals erschien, stehen FJØRT weiterhin zur Seite, sind sogar auf der aktuellen Tour dabei. Die Band nutzt die Gelegenheit sich zu bedanken, für die Unterstützung, die sie damals bekommen haben.

Fjørt

Einer der wenigen Momente, in denen Fjørt dem Publikum abgewandt sind.

Nach „Valhalla“ verlassen FJØRT die Bühne unter tosendem Applaus, nur um nach wenigen Augenblicken mit dem Song „Demontage“ wieder zurückzukommen. „Lichterloh“ darf den Abend abschließen, Band und Publikum geben nochmal alles und irgendwie ist es besonders schön, dass der letzte Satz des Abends „Denn dein Gott bist du selbst“ lautet. Verschwitzt, erschöpft und glücklich holen sich FJØRT den letzten Applaus ab, verbeugen sich und entlassen die ebenfalls verschwitzte, erschöpfte und glückliche Menge in die kalte Nacht.

Setlist FJØRT

  • Lebewohl
  • Anthrazit
  • Fauxpas
  • Revue
  • Kontakt
  • Courage
  • Mantra
  • Paroli
  • Kleinaufklein
  • D’Accord
  • Valhalla
  • Demontage
  • Lichterloh
Fjørt

Verschwitzt, erschöpft, aber glücklich.

Draußen treffen diese auf das ebenfalls gut gelaunte Publikum von SEASICK STEVE und Livemusik gibt es auch. Ein Musiker hat kurzerhand seinen Verstärker ausgepackt und sich mit seiner E-Gitarre direkt an den Weg gestellt, um Klassiker zu zocken. Die Menge freut sich, viele bleiben stehen und hören ihm zu, einige tanzen und beklatschen ihn. Die Leute kommen ins Gespräch, tauschen sich über die beiden Konzerte aus. In diesem Moment weiß man, was Kultur und friedliches Miteinander wirklich bedeutet.

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01.11.2016

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