FJØRT und We Never Learned To Live
Fjørt beim Tourfinale 2019 in der Aachener Heimat
Konzertbericht
18 Tage lang haben FJØRT die Bundesrepublik und das deutschsprachige Ausland quasi ohne Offdays betourt, an diesem Sonntag wollen sie den Zyklus standesgemäß mit einem triumphalen Heimspiel beschließen. Die Vorzeichen könnten besser kaum sein: der Musikbunker, der gleichzeitig im Obergeschoss auch den Proberaum des Trios beherbergt, ist restlos ausverkauft, das Konzertgewölbe schon lange vor Konzertbeginn kuschlig voll.
FJØRT entfesseln die Hölle mit einfachsten Mitteln
WE NEVER LEARNED TO LIVE aus UK starten pünktlich um 20 Uhr vor dieser wohlwollenden Kulisse. Ihr Sound ist dem von FJØRT in den Grundzügen nicht unähnlich, dabei aber noch deutlich mehr Post als Punk und mit weniger Fokus auf eingängige Songstrukturen. Sänger Seán Mahon steht in einer etwas eigenartigen, seitlichen Stellung zum Publikum und zelebriert die Verzweiflung bisweilen auch unplugged am Mikrofon vorbei. Zumindest in den vorderen Reihen treffen WE NEVER LEARNED TO LIVE auf einige Gegenliebe, was zu sympathisch-bemühten denglischen Dankesformeln zwischen den Songs führt. Nach einer halben Stunde Spielzeit verklingt der letzte Song und die Briten räumen – selbst voller Erwartung – das Feld für die Lokalmatadore.
Als gegen 21 Uhr die Lichter erlöschen und WESTERNHAGEN vom Band die royalen Qualitäten des Pfefferminz besingt, füllen erwartungsfrohe Leiber jeden Quadratmeter des Betonkellers. Nahtlos kehren FJØRT die Stimmungslage mit einem episch anschwellenden instrumentalen Intro mal eben um 180 Grad, bevor sie mit einfachsten Mitteln die Hölle entfesseln.
Bestechend guter Sound und klare Ansagen
Der Sound gelingt für eine unterirdische Clubshow bestechend gut und mindestens das vordere Drittel der Crowd tobt ebenso ausdauernd mit, wie die drei Derwische auf der Bühne. Das Set legt dabei ein verständliches Augenmerk auf die aktuelle Platte “Couleur”. Vor allem “Eden” und “Raison” werden gefeiert, als wäre es das Letzte. “Paroli” vom Album „Kontakt“ wird eine explizite politische Ansage an die “braune Pest” vorausgeschickt, die in der Zeit seit 2015 schon den Schritt in den Bundestag geschafft hat.
Ebenso eindeutig wie gegen rechts spricht sich Bassist David Frings im weiteren Verlauf des Sets für die lokale Musikszene seiner Stadt und das durch eifrige Gentrifizierer und Anwohner, die “lieber in Ruhe Lindenstraße gucken wollen, als mit Menschen und Kultur in Kontakt zu kommen” bedrohte Projekt “Musikbunker” aus. Obwohl FJØRT hier natürlich preaching to the converted betreiben, sind derlei unzweideutigen Stellungnahmen zugunsten des nicht Verhandelbaren zweifellos wichtig.
Professionell und mitreißend, fokussiert und authentisch
Doch bei aller Ernsthaftigkeit kommt dennoch auch der Abriss nicht zu kurz. Knapp unterhalb der niedrigen Decke kreuzen Crowdsurfer kontinuierlich das schummrige Licht, während FJØRT ihre Willkommensfeier ernsthaft ergriffen zu begreifen beginnen.
Mehr als eineinhalb Stunden lang geben Band und Publikum Vollgas – nach fast drei Wochen eng getakteten Tourens eine eindrucksvolle Leistung. FJØRT präsentieren sich an diesem Abend als echte Größe der deutschen Gitarrenmusik, deren enormes Potential sich gerade erst Bahn bricht. Professionell und mitreißend, fokussiert und authentisch. So darf es gerne weitergehen.
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