Exhorder & Nervosa
Zwei Stunden aufs Maul
Konzertbericht
Mit EXHORDER und NERVOSA treffen zwei Welten aufeinander. Die altgedienten Thrash-Recken starteten vor fünf Jahren mit „Mourn The Southern Skies“ ihr Comeback und veröffentlichten kürzlich „Defectum Omnium“ – NERVOSA spielen sich seit zehn Jahren in die Herzen ihrer Fans und lassen sich durch ihre ständigen Besetzungswechsel nicht aufhalten. Zusammen geht es auf Doppelheadlinertour durch Deutschland und die Schweiz, wobei die Gigs mit je einer Stunde Spielzeit arbeitnehmerfreundlich früh enden. Wir waren in Bremen, Berlin und München vor Ort.
Jannik Kleemann berichtet aus Bremen und Oliver Di Iorio aus München. Die Fotos stammen aus Berlin von Andrea Friedrich.
NERVOSA legen ohne Umschweife los
14.05. Bremen
Die brasilianischen Thrasherinnen veröffentlichten im vergangenen Herbst ihr aktuelles Album „Jailbreak“, das zusammen mit seinem Vorgänger „Perpetual Chaos“ den Löwenanteil der Setlist stellt. Mit großen Ansagen halten die Damen sich zurück und lassen die Musik für sich sprechen. Wer das aktuelle Schaffen der Band feiert, ist heute Abend bestens bedient. Die Klassikerfraktion vergessen NERVOSA auch nicht, denn nach dem eröffnenden Doppelschlag aus „Seed Of Death“ und „Behind The Wall“ zünden sie mit „Death“ ein Stück aus ihrem Debüt „Victim Of Yourself“.
Der Bremer Tower ist für einen Dienstagabend gut gefüllt, sodass die Stimmung der Anwesenden sich schnell hebt. Der Sound von NERVOSA ist für die Location ungewöhnlich gut. Er drückt mit Wucht aus den Boxen und ist glasklar. Zudem ist es auch in den vorderen Reihen nicht zu laut, sodass man die Musik mit Gehörschutz entspannt genießen kann.
NERVOSA spielen sich munter durch ihr Set, das neben „Death“ mit „Masked Betrayer“ noch eine zweite ältere Nummer aufweist. Die Musikerinnen, allen voran Bandleaderin Prika Amaral und Gitarristin Helena Kotina, posen mit ihren Gitarren, feuern die Menge in den richtigen Momenten an und spielen sich in eine schön anzusehende Rage. Da ist es schade, dass der Gig nach einer knappen Stunde bereits vorbei ist, es hätten gerne noch zwanzig Minuten mehr sein dürfen. Das soll an Kritik alles gewesen sein, denn ansonsten lassen NERVOSA abseits einer diverseren Setlist keine Wünsche offen.
23.05., München
Im Zweiergespann mit EXHORDER, wirken NERVOSA natürlich wie die Nesthäkchen. Allerdings finden sich am heutigen Donnerstagabend sicherlich 50 % aller Anwesenden hauptsächlich wegen den Brasilianerinnen ein. Mittlerweile hat sich die Band einen Status erspielt, der ihr ermöglicht, unermüdlich auf Tour zu sein und peut a peut ein breiteres Publikum zu erreichen.
Spaß machen die Shows von NERVOSA ohnehin, die Mädels gehen auf der Bühne – wie man so schön sagt – steil. Letztlich macht es natürlich wenig Sinn, der Band hinterherzureisen, immerhin wirken manche Posen etwas einstudiert und die Setlist ändert sich auch nicht. Wer aber Bock auf eine treibende Thrash-Metal-Show hat, kommt auch heute voll auf seine Kosten.
Galerie mit 30 Bildern: Nervosa - European Tour 2024 in BerlinEXHORDER sind laut
14.05. Bremen
Obwohl EXHORDER kommendes Jahr 40 Jahre Bandbestehen feiern, blicken sie auf eine überschaubare Diskografie zurück. Daran ist freilich die 23 Jahre währende Pause von 1994 bis 2017 Schuld. Trotz gerade einmal vier veröffentlichten Alben fokussiert sich die Setlist mit „Defectum Omnium“ und „Slaughter In The Vatican“ auf nur zwei davon. Das Comebackwerk „Mourn The Southern Skies“ und das zweite Album „The Law“ bekommen je nur einen Slot.
Somit bewegen sich EXHORDER während ihres Gigs zwischen altem und neuen Kram hin und her, was der sympathische Fronter Kyle Thomas auch stets passend ankündigt und betont, wie alt die Musiker bereits sind. Dass der Altersschnitt der Band jenseits der 50 ist tut der Spielfreude keinen Abbruch. Im Gegensatz zu NERVOSAs Gig haben EXHORDER die Lautstärke ordentlich hochgedreht und es damit etwas übertrieben, sodass wir unseren guten Platz in der dritten Reihe nach der Hälfte des Konzertes aufgeben und uns nach hinten verziehen, da selbst mit Gehörschutz die Ohren fiepen.
Nachdem sie am Anfang die Stücke noch öfters durch Ansagen unterbrechen, ballern EXHORDER das Abschlusstrio aus „Exhorder“, „Desecrator“ und „Slaughter In The Vatican“ am Stück durch. In seiner vorangegangenen Abschiedsrede kündigt Thomas an, direkt nach dem Konzert am Merchandise zu sein, um Shirts zu verkaufen – tatsächlich ist er noch bevor die Lichter im Tower wieder angehen bereits dort anzutreffen. Respekt!
23.05., München
Es soll ja immer noch Leute geben, die von den Qualitäten EXHORDERs nicht überzeugt sind. Das sorgt immer dann für Verwunderung, wenn die gleichen Leute von ihrer PANTERA-Leidenschaft erzählen. Immerhin sind seit 1985 mit ihrem Groove-Thrash-Metal die Vorreiter eines Subgenres. Diese Konstante hält die Band auf der Bühne auch. Wie auch in Bremen drehen die Musiker ihre Amps auf 11 und treten das Gaspedal ordentlich durch.
Kyle Thomas ist ein geerdeter Bursche, der aus seinem Alter keinen Hehl macht, was nicht nur grundehrlich sondern auch empathisch rüberkommt. Das heutige Publikum lässt sich nämlich auch nicht Twen-Durchschnittsbereich verorten, Thrashmetal halt. Die Setlist auf „Slaughter In The Vatican“ und „Exhorder“ zu reduzieren, ist zwar nicht ganz fair. Aber die beiden Klassiker gehen halt immer durch die Decke. Schon lange sind wir an einem Donnerstagabend nicht mehr mit einem Tinitus ins Bett gegangen. Hach, wunderschöne Erinnerungen…
Galerie mit 31 Bildern: Exhorder - European Tour 2024 in BerlinInteressante Alben finden
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