Evergrey
Emptiness Over Europe Tour 2024
Konzertbericht
Ein ziemlich nasser Mittwochabend in einem Wohnviertel von Hannover: Das klingt nicht unbedingt nach Metal? Die gute Nachricht: Doch, tut es, denn EVERGREY machen mit ihrer „Emptiness Over Europe Tour“ halt im MusikZentrum, das selbst auch eine gute Nachricht parat hat. Bis vor kurzem sah es gar nicht gut aus, für das traditionsreiche soziokulturelle Zentrum in der Nordstadt. Der Grundstückseigentümer plante Luxuswohnungen, doch dieses Mal konnte der Gentrifizierung Einhalt geboten werden. Die Stadt Hannover kaufte das Grundstück im September 2024 und deshalb kann es auch mit Metal-Events, wie an diesem Mittwochabend, weiter gehen.
Power Metal mit Startschwierigkeiten
Zunächst sieht es eher danach aus, als würden sich nur wenige Metalheads von der heimischen Couch trennen können, da es doch sehr luftig vor der für den Saal beeindruckend großen Bühne zugeht. Allerdings: VIRTUAL SYMMETRY gehen auch eine halbe Stunde vor dem eigentlich angesetzten Beginn um 20 Uhr auf die Bretter. Die schweizerisch-italienische Formation war bereits auf der letzten Europatour von EVERGREY im Vorprogramm zu Gast und gibt sich spielerisch wieder keinerlei Blöße. Sänger Marco Pastorino gibt sich dabei wirklich allergrößte Mühe, das Publikum anzuheizen, was allerdings nur eingeschränkt gelingt. Irgendwie zündet der nur sehr leicht angeproggte Power Metal von VIRTUAL SYMMETRY ziemlich schwer, auch die eher spärliche Lichtshow und die seltsam deplatziert wirkenden Videoschnipsel auf den im Hintergrund angebrachten LED-Bildschirmen helfen hier wenig. Der Moment, als Keyboarder Ruben Paganelli sich das Sopransaxophon schnappt, wirkt dann zumindest etwas beflügelnd und lässt das gen Ende schon etwas zahlreicher vorhandene Publikum auch zu etwas mehr als Höflichkeitsapplaus hinreißen.
Atmosphärisch dichtes, mutiges Kontrastprogramm
Wir bleiben zwar weiterhin in Italien, aber damit hören die Gemeinsamkeiten zur ersten Band auch schon auf. Obwohl oder gerade weil KLOGR nur einen Teil der Bühne nutzen, schaffen sie es, eine dichte, geradezu intime Atmosphäre samt extrem stimmiger Lightshow und effektiv genutzten Videoeinspielern zu erschaffen. Rauschebartträger Gabriele „Rusty“ Rustichelli zieht sowieso alle Blicke auf sich, schafft es aber auch sofort, das Publikum mitzunehmen, was aufgrund des modern geprägten, groovigen Alternative Metal mit Prog-Schlagseite nicht unbedingt selbstverständlich ist, da die Haupt-Band des Abends ja doch in eine ganz andere Richtung geht.
Mit „Unspoken Words“ wird erstmalig an diesem Abend ordentlich nach vorne geballert, jetzt dürfte auch der letzte wach geworden sein. Der Fronter zeigt dabei ein ums andere Mal, dass er vielleicht nicht der variabelste, dafür aber ein verdammt effektiver Sänger ist. Während KLOGR musikalisch stellenweise mal an KORN, aber dank Industrial-Touch auch an MINISTRY erinnern, wirken sie doch stets eigenständig und bringen auch live eine Message rüber. Mastermind Rusty ist Aktivist bei Sea Shepherd, widmete seinem dortigen Schaffen entsprechend bereits mehrere Songs und unterstreicht diese auch mit drastischen Szenen auf den Videoscreens. Nach 40 Minuten ist Schluss und es dürfte klar sein, dass sich KLOGR heute sicher den ein oder anderen neuen Fan erspielt haben.
Spaß mit Melancholie
Um 21:30 ist es nach dem schon traditionellen „For Those About to Rock (We Salute You)“ vom Band endlich Zeit für den Main Act des Abends und mittlerweile ist das Musikzentrum auch endlich ordentlich gefüllt. EVERGREY zeigen direkt beim Betreten der Bühne, dass das üppige Platzangebot der selbigen für sie auch nicht alltäglich ist und winken sich fröhlich von ihren jeweiligen Positionen zu. Die Göteborger um Tom Englund zeigen sich heute besonders gut gelaunt, überzeugen von Minute eins an mit enormer Spielfreude. Der norwegische Schlagzeug-Neuzugang Simen Sandnes prescht hier ganz besonders nach vorne und zeigt, dass man auch im Stehen ganz problemlos trommeln kann.
Musikalisch liegt der Schwerpunkt heute konsequenterweise auf dem im Juni erschienenen neuen Album „Theories Of Emptiness“, gemeinsam mit dem direkten Vorgänger „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ machen die Songs mehr als die Hälfte der Setlist aus. In seiner Ansage zu „Distance“ macht Englund klar, worum es heute geht: Alle Kriege, alle Scheiße in der Welt für einen kurzen Moment vergessen. Das klappt ziemlich gut, denn wer vorher noch Zweifel daran hatte, wie motiviert das Hannoveraner Publikum heute ist, der sollte spätestens mit den ersten Mitsing-Spielen überzeugt sein. Alle Anwesenden legen sich mächtig ins Zeug und singen aus voller Kehle mit, so dass es von draußen vermutlich nach ausverkauftem Haus klingt. Chapeau!
Natürlich darf auch ein klein wenig Schleimerei nicht fehlen, so wird Hannover kurzerhand zur „Hard Rock und Metal-Hauptstadt“ erklärt, „Rudolf Schenker for President“ gefordert und Gitarrist Henrik Danhage spielt gar kurz „Rock You Like A Hurricane“ an. Das mag für den ein oder anderen nicht ganz zur melancholischen Musik der Göteborger passen, dennoch passt es gut zur geradezu ausgelassenen Stimmung des Abends. Entsprechend werden die in der EVERGREY-Diskgraphie durchaus zahlreich vorhandenen Balladen eher ausgespart und stattdessen wird weitgehend nach vorne gerockt. Englund fasst dabei auch kurz und prägnant den wissenschaftlich erwiesenen positiven Effekt des Singens auf das menschliche Wohlbefinden zusammen: „Wenn Du Dich depressiv fühlst, sing einfach!“ Kein Problem, schließlich bietet der Refrain von „Save Us“ höchstes Mitsingpotential.
Nach ganz kurzem Durchatmen für die Band beginnt der „Zugabenblock“ mit dem Klassiker „A Touch Of Blessing“ – dem einzigen Song des Abends, der aus der Zeit vor dem letzten großen Line-up-Wechsel zum Album „Hymns For The Broken“ stammt. EVERGREY sind sich also durchaus bewusst, wie stark die seitdem erschienenen Platten sind, die Quasi-Bandhymne „King Of Errors“ spricht dabei eh für sich. Mit dem eher ruhigen „Our Way Through Silence“ lassen Englund und Co. den Abend nach fanfreundlichen 100 Minuten Spielzeit ausklingen, sowohl Band als auch Publikum wirken mehr als zufrieden mit dem Verlauf, sicher auch dank des über weite Strecken wirklich guten Sounds.
Setlist Evergrey:
1. Falling From The Sun
2. Say
3. Midwinter Calls
4. Distance
5. Eternal Nocturnal
6. A Silent Arc
7. Call Out The Dark
8. One Heart
9. Where August Mourn
10. Weightless
11. Misfortune
12. Save Us
13. A Touch Of Blessing
14. King Of Errors
15. Our Way Through Silence
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