Euroblast Festival
Euroblast - The Ninth Coming: Der große Festivalbericht 2013
Konzertbericht
Samstag
Der Samstag beginnt wie der Freitag – nämlich mit einem verkehrstechnischen Zwischenfall. Die Straßenbahnlinie, die uns auf das andere Rheinufer bringen soll, fährt um die Mittagszeit aufgrund eines Unfalls in der Innenstadt nicht. Das wiederum hat zur Folge, dass wir die US-Djentler LIFEFORMS und den TEXTURES-Keyboarder Uri Dijk mit seinem Progressive-/Electro-Projekt THE ULEX verpassen. Umso ärgerlicher, da uns vor Ort berichtet wird, dass vor allem erstgenannte Truppe ordentlich auf den Putz gehauen haben soll. Mittlerweile hat sich bezüglich des „Von A nach B“-Kommens aber auch schon eine gewisse Resignation im Team breit gemacht – also Mittagsbier geschnappt und aus der Innenstadt zur Essigfabrik gestiefelt.
An der Venue angekommen, spielt gerade die Prog/Experimental-Formation DISPERSE. Und naja – ohne um den heißen Brei herumzureden: das ist ziemlich langweilig, was die Polen da mit ihrem laschen TESSERACT-Aufguss (und die sind ja manchmal schon ziemlich lasch) bieten. Schade, denn gerade auf ihrer Platte „Living Mirrors“ funktioniert das alles wesentlich besser. Ich weiß nicht woran es liegt, aber mich kann der Vierer nicht mal im Ansatz überzeugen.
Insofern laufen wir flink zur Second Stage und sehen dort TORRENTIAL DOWNPOUR. Der Vierer serviert eine ziemlich abgedrehte Variante des Progressive Metal, der immer wieder durch Samples und Electro-Versatzstücke angereichert wird. Die Truppe geht – dem anspruchsvollen Songmaterial entsprechend – ordentlich ab und dürfte einige neue Fans hinzugewonnen haben, zumal man während des Gigs auch ein paar CDs verschenkt. Cool.
Wieder vor der Mainstage angekommen, hauen die Australier CIRCLES gerade ein ordentliches Pfund von der Bühne. Die Band spielt mit viel Einsatz und Energie, vor allem die Songs vom aktuellen Album „Infinitas“ funktionieren wirklich hervorragend. Frontmann Perry Kakridas liefert eine überzeugende Performance und hat die Menge im Griff. Das Publikum geht ordentlich mit und quittiert den teils sehr atmosphärischen Modern Metal des Fünfers mit tosendem Beifall – starke Show!
Galerie mit 11 Bildern: Circles - Euroblast Festival - The Ninth ComingIm Anschluss brennen EVER FORTHRIGHT ein beeindruckendes Feuerwerk ab. Fette Riffs, ein hervorragend aufgelegter Frontmann Chris Barretto und ein perfekter Sound sorgen dafür, dass die Stimmung in der Halle langsam aber sicher auf den Siedepunkt zusteuert. Musikalisch kommt das Set der Amis zwar nur bedingt abwechslungsreich daher – dafür aber um so tighter und brachial. Das Publikum jedenfalls ist begeistert – und sorgt für den Ausnahmezustand in der Essigfabrik.
Der nächste Act kommt musikalisch wieder etwas anders gelagert daher: THE ALGORITHM machen sich bereit. Das Projekt von Soundtüftler Rémi Gallego verbindet abgedrehten Electro/Dubstep/Breakcore mit wüstem Djent und Experimental Metal. Zur Verstärkung holt sich Gallego dafür Drummer Mike Malyan (MONUMENTS) und Gitarrist Max Michel auf die Bühne. Und was die drei Herrschaften dann innerhalb einer knappen Stunde veranstalten, renkt so einigen im Publikum gehörig die Kinnlade aus. Von völlig vertrackten Breaks über derbe pumpenden Electro bis hin zu krachenden Headbang-Rhythmen liefert das Trio die Vollbedienung – und wird zurecht frenetisch dafür abgefeiert.
Galerie mit 6 Bildern: The Algorithm - Euroblast Festival - The Ninth ComingDanach schauen wir noch einmal bei TARDIVE DYSKENESIA auf der Sidestage vorbei. Die Griechen spielen eine recht wuchtige Mischung aus Post-Metal und Djent, die eine durchaus stattliche Menge vor die Bühne im Keller der Essigfabrik lockt. Die Band geht entsprechend gut ab und dürfte sich mit einem gelungenen Gig beim ein oder anderen einen Stein im Brett erspielt haben.
Immer dann, wenn man meinte, den vermeintlichen Höhepunkt (in diesem Fall THE ALGORITHM) erlebt zu haben, wird man auf dem Euroblast eines Besseren belehrt. Man hätte aber im Fall von TWELVE FOOT NINJA auch damit rechnen können, dass die Show der Kracher wird. Die Bedingungen sind ohnehin perfekt: der Sound stimmt, die Meute ist ordentlich angeheizt. Und warum die Australier als herausragende Live-Band gelten, machen sie dann auch ziemlich schnell und ziemlich kompromisslos klar. Bereits bei den ersten Klängen von „Kingdom“ (vom aktuellen Album „Silent Machine„) gibt es kein Halten mehr: die Menge tobt, springt, tanzt und feiert gemeinsam mit der Band eine Riesenparty. Es ist die erste Formation, bei der ich mir wünsche, sie würde einfach weiterspielen und nicht nach etwa 50 Minuten von der Bühne gehen. Musikalisch und stimmungstechnisch einer, wenn nicht DER Höhepunkt des Festivals. Und während auf der Bühne schon der aufwendige Umbau für die Show von THE OCEAN stattfindet, stehen die Leute noch da und fragen sich immer wieder „Alter, wie fett war DAS denn bitte??!„. Grandios.
Galerie mit 11 Bildern: Twelve Foot Ninja - Euroblast Festival - The Ninth ComingNun wird es Zeit für den Headliner des zweiten Tags. Und dieser setzt schöne Kontraste zum überwiegenden Rest des Tages. Anstatt Griffbrettakrobatik gibt es sphärische Klänge – THE OCEAN verbinden auf eine beeindruckende Weise Sludge mit Prog und Doom – eine wahrlich einmalige Mischung, die perfekt in das nautische Konzept passt. Oftmals lassen AHAB einen Gruß da, THE OCEAN agieren jedoch auf einem viel breiter gefächerten Spektrum, als ihre Moby-Dick-Kollegen. Auf gesamter Konzertlänge fühlt man sich unter Wasser gesetzt – mal in ausbrechende Stürme und Sprudel geratend, mal sanft über den Meeresboden gleitend. Der Band gelingt es perfekt, ihre Zuhörer auf eine mentale Reise mit vielen Hochs und Tiefs (im positiven Sinne), intensiver Dramatik und atemberaubender Leinwand-Show zu schicken. Der projizierte „Pelagial“-Film von Craig Murray ist übrigens ein Meisterwerk für sich – selten hat man dermaßen mächtige Impressionen von Riesenkraken oder majestätisch dahingleitenden Rochen gesehen. Was für ein Trip!
Galerie mit 24 Bildern: The Ocean - Euroblast Festival - The Ninth ComingNachdem THE OCEAN für feuchte Matrosenmützchen gesorgt haben, wird die Electroblast Night eingeläutet – und das gleich richtig geil. Denn was [TRAP] und danach erneut Rémi Gallego auf die feier- und tanzwütige Menge loslassen ist einfach genial. Dubstep, Drum’n’Bass, harter Electro mit schwermetallischen Samples – wer jetzt entsetzt die Nase rümpft, war nicht dabei. Durch die harte Spielweise von Drummer Mike Malyan bekommt beispielsweise das THE ALGORITHM-DJ-Set eine unglaubliche Dynamik, erinnert oft an Industrial-Acts á la MINISTRY und geht dennoch locker als Live-Act durch. Die noch zahlreich in der Halle gebliebenen Euroblastler lassen sich nicht zweimal bitten und feiern hart mit. Teilweise erinnert die Essigfabrik hier an die Zionparty aus dem zweiten Matrix-Film. Hier ist die Aftershowparty zur Show geworden.
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