Euroblast Festival
Der große Festivalbericht: Euroblast 2015 in Köln
Konzertbericht
Samstag, 3. Oktober
Ein Bericht von Alex Klug, Anton Kostudis, Sophia Kostudis und Rasmus Peters.
Kollegin Kostudis shuttelt Herrn Klug und den bereits zu früher Stunde am ersten Schoppen nippelnden Kollegen Kostudis zur Essigfabrik. „Was? Du trinkst doch schon wieder Bier!“ Die Kollegin ist sichtlich entsetzt, der vom Roadburn 2015 einiges gewöhnte Kollege Klug blickt lediglich resigniert drein. Ändern können sie den Umstand freilich nicht – folglich tragen es beide mit Fassung.
Es begab sich aber zu der Zeit der progressiven Einheit, am dritten Oktober des Jahres 2015 A.D., als die Musikkapelle THE HIRSCH EFFEKT auf dem einzigartigen Kölner Euroblast-Festspielen eine 45-minütige Darbietung zum Besten geben sollte. Ein Teil der Crew leidend unter Schlafentzug, der andere krank und verschleimt am Festplatz angekommen, so war für uns klar, dass an jenem Tage die Zeit für unser Bergfest gekommen sei. Das Ensemble der Geweihträger hatte es bitter nötig. Da half der ankunftstypische Kaffee-Carazza mit Extraportion Koffein auch nicht mehr und die zwei Stunden Wartezeit unter tobenden Menschenmassen machten es einem nicht leicht, den vitalsten Eindruck zu vermitteln.
Schließlich war die Truppe schon seit knapp 14 Tagen auf der Abenteuerreise durch die Republik. Doch bevor man sich entkräftet ins Bett begeben durfte, mussten wir, die Truppe um die Gebrüder Paarhufer, einer hungrigen Meute, bestehend aus Progressive-Metal-Fans, Djent-Heads und den berüchtigten 666-Saiter-Gitarren-Nerds, eine Mahlzeit zum Besten geben. Was uns beeindruckte: Die Gäste kamen aus aller Welt zum Festspiel.
Am dritten Tag haben TARDIVE DYSKINESIA die Ehre, den von reichlich Genussmitteln und wenig Schlaf gezeichneten Besuchern die Lethargie aus den Gliedern zu pusten. Und genau das tun die Griechen mit einem Nachdruck, der für zu Tagesbeginn langsam hochfahrende Gemüter wie Kollegin Kostudis schon beinahe zu viel des Guten ist. Nicht, weil der flinke Fünfer seine Sache schlecht auf die Bühne brächte, sondern weil das progressive Geknüppel schlichtweg noch nicht in vollem Umfang verarbeitet werden kann. Da hilft es auch nicht, dass der Opener mit nur einer Gitarre bestritten wird. Mit dezenter Hektik wird ein Ersatzkabel aufgetrieben und die südländischen Mannen bedröhnen von nun an mit voller Kraft das noch spärlich vertretene Publikum. Im letzten Drittel der Spielzeit ist die Halle jedoch gut gefüllt – ähnlich der Kollegin, die das eben gehörte nun erstmal an frischer Luft verwerten muss.
Ja, hier, Freunde. Dann geht doch innen Keller. Da gibt’s nämlich Streicher. Dort lassen GENUINE ASPECT ein solides Metal-Fundament aus E-Gitarre, Bass und Drums auf Cello und Geige treffen. Die ganz sanften Töne sparen sich die Wiener jedoch meist für Intros und Zwischenspiele auf. In härteren Passagen stechen dann meist vertraute MESHUGGAH-Zutaten aus der musikalischen Rezeptur heraus. Was auf Dauer jedoch zur Folge hat, dass die Streicher häufig in verschwenderisch rhythmische Begleitung verfallen. Eine zweite Gitarre würde den Sound des instrumentalen Fünfers hier und da sicherlich bereichern. Nichtsdestotrotz ziehen GENUINE ASPECT bereits an die hundert Besucher an. Die Devise: Experimente lohnen sich. Erst recht beim Euroblast.
Immerhin fieberten wir schon seit Anfang unserer Herbstreise diesem Tag entgegen, da wir überaus positiv beeindruckt von der Ideologie und der diesjährigen Festaufstellung waren. Vor allem aber dachten wir uns: „a‘ Zappa-lott, sind hier aber vielsaitig gesponnene Saiten- und Trommelungeheuer unterwegs.“ Ausnahmsweise ein Publikum, welches die Musikanten selbst für die kleinsten Verspieler zerrupfen oder an die Wand nageln würden, weil es den Wirrwarr, den man macht, versteht, ja im schlimmsten Falle sogar selber bässer (nach)spielen könnte – aber unsere Angst stellte sich als unnötig dar. Wir sollten nicht enttäuscht werden!
Wahre Fangirls wagen sich zum Tagesanbruch gar nicht erst nach unten, um sich oben ihr Plätzchen in der ersten Reihe zu sichern. Immerhin drei Tage lang hat Kollege Kostudis die Truppe genervt. Wie verdammt gut VOLA doch seien. Und dass niemand die Show der Dänen auf der Main Stage verpassen dürfe. Gebetsmühlenartig und mit glasigem Blick hat er ein paar Mal zu oft darauf hingewiesen, sodass so mancher der Belegschaft irgendwann nur noch mit den Augen rollte, wenn die Sprache auf die vermeintliche Überraschungsband des Festivals kam. Nun also ist es soweit – und die Jungspunde aus dem Norden müssen beweisen, ob sie den blumigen Lobpreisungen des Kollegen Taten folgen lassen können. Und beim heiligen Thordendal – wie sie das tun! Naturgemäß besteht das Set der Dänen aussschließlich aus Songs ihres aktuellen und einzigen Albums „Inmazes“. Kracher wie „Your Mind Is A Helpless Dreamer“ und „Stray The Skies“ pumpen vehement durch die Essigfabrik – und jeder, der es am frühen Nachmittag vor die Bühne geschafft hat, nickt mindestens anerkennend mit. Wahnsinn, was die blutjunge Band hier auf die Bretter bringt. Djentige Riffs, große Refrains, tighte Performance – da sind die Kollegen auf einmal gar nicht mehr böse, dass ihnen der Kostudis in den vergangenen Tagen so auf die Nerven ging. Bemerkenswerte Randnotiz: So still wie beim ruhigen „Emily“, welches das Publikum gebannt verfolgt, war es das gesamte Wochenende nicht in der Halle.
Außer vielleicht bei RENDEZVOUS POINT, deren nun angesetzter Auftritt aus einem einfachen wie ernüchternden Grund abgesagt werden muss: Die junge norwegische Truppe steht im Stau – gemeinsam mit LEPROUS.
PERSEFONE hingegen haben es rechtzeitig in die Essigfabrik geschafft. Kollege Peters ist natürlich vor Ort und verspricht sich einiges von der Show. Die Prog-Melo-Deather aus Andorra lassen sich dann auch nicht lumpen und hauen dem Kollegen mit aller Kraft ihre verschachtelten und ausgefeilten Songbrocken um die Ohren. Besonders angetan ist Herr Peters vom abschließenden Star-Wars-Medley. Die Cantina-Band, der imperiale Marsch, das Hauptthema und weitere signifikante Stücke aus der Feder John Williams‘ werden zum Besten gegeben. Sehr zum Unmut des Sängers Marc, der aufgrund des langen Instrumentals fast ein Drittel der Spielzeit nicht auf der Bühne gebraucht wird – was er in einer ironischen Ansage an das Publikum reflektiert. Eben jenes ist allerdings bei bester Laune und erfreut sich mit großem Eifer an den vielseitigen Songs des Kleinstaat-Quintetts.
Mit stolzgeschwellter Brust steht Kollege Kostudis im Keller. „Seine“ Jungs EDEN CIRCUS machen sich auf der Bühne bereit. Mit den Hamburgern teilte der Kollege einst vor Jahren in der sächsischen Landeshauptstadt die Bühne, mittlerweile hat der Fünfer aus dem Norden einen Plattendeal in der Tasche – Kollege Kostudis hingegen nicht. Dafür darf er sich bald im Internet darüber auskotzen, wie scheiße EDEN CIRCUS beim Euroblast gewesen seien. Das Problem: Die Herrschaften aus dem Norden klingen heute einfach wahnsinnig gut. Die Setlist enthält erwartungsgemäß vor allem Songs des aktuellen Albums „Marula“ – und tatsächlich bescheren die stoisch-verkopften Post-Metal-Stücke der Hamburger dem interessiert lauschenden Publikum 45 packende Minuten. Das Repetitive und Eigenwillige der Songs erscheint dabei im Live-Kontext noch eine Spur plausibler und eindrücklicher, weswegen Kollege Kostudis nach der Show auch rundum glücklich aus der Halle wankt. Aber er muss sich sputen.
Denn auch wenn er immer mal großspurig über das Zusammenspiel von Feeling, Sound, Technik und Songwriting faselt, hat der Kollege doch auch eine geheime, spezielle Neigung, die seinem Gerede zwar nicht ganz entspricht, die er aber mit vielen anderen Festivalbesuchern teilt: Es bereitet ihm leibhaftige Freude, wenn richtig dicke, fies heruntergestimmte Gitarrensaiten in angemessene Bearbeitung genommen werden. Einfach die Tatsache an sich. Da muss eine Band manchmal gar keine nennenswert guten Songs dabeihaben – es muss einfach nur schlabbern. Eben das tut es dann auch bei den Tschechen MODERN DAY BABYLON, welche gerade auf der Main Stage aufspielen. Ihre futuristischen, modernen Klänge tönen transparent aus den Boxen und finden in der Menge durchaus Gehör. Kein Wunder, Tomáš Raclavský bedient seine Achtsaiter-Sammleräxte mit bemerkenswerter Präzision, der Rest der Band fügt sich treffsicher und tight ins Klangbild ein. Kollege Kostudis ist zufrieden – auch wenn die Tschechen heute emotional eher auf Distanz bleiben. Djent in Reinkultur eben.
Egal wie kränkelnd man sich auf die Bühne begibt, scheinen jegliche kritische Gesundheitszustände, Phobien und Anomalien sich in absentia zu bewegen. Erst recht wenn ein begeistertes Tausender-Publikum der Kapelle schon vor dem ersten Lied zujubelt. Es war erst gerade siebzehn Uhr am Nachmittage, dennoch war der Festsaal schon voller musikbegeisterter Besessener. Wo gab es denn sowas? Wo waren wir hier nur gelandet? Unfassbar. Mit den ersten Melodien begonnen und danach kein Halten mehr unter den Bürgern und Barbaren, obwohl ein sehr großer Teil von ihnen die Musiktruppe THE HIRSCH EFFEKT und die Klänge dieser gar nicht kannte! Trotzdem die reinlichste Liebe und hundertprozentige, ehrliche Resonanz aus der tobenden Meute. Gotthelf!
Hatte Kollege Klug THE HIRSCH EFFEKT zuletzt noch vollmundig als teils zu sperrig kritisiert, so hat der alte Polemiker heute mal rein gar nichts zu meckern. Denn im Live-Kontext teilt das Powertrio aus Hannover richtig schön aus und zeigt, wie hart „Holon : Agnosie“ wirklich ist. Nämlich so hart, dass das Publikum zunächst mit Stirnrunzeln auf die Achterbahnfahrt aus wilden Tappings, Spoken-Word-Parts und wüstem Hardcore-Gerödel reagiert. Da muss sich der Moshpit halt alle zehn Sekunden umorganisieren. Macht aber nichts, denn zumindest die Choreografie von Gitarrist Nils Wittrock und Bassmann Ilja John Lappin steht wie eine Eins. Wenn du dich so bewegen und gleichzeitig so einen geilen Scheiß spielen kannst, darfst du dich auch gerne mal geiler als BETWEEN THE BURIED AND ME fühlen. Und lässt dir deinen Gig bei soviel freigesetzter Energie dann auch nicht von einem kaputten Mikrofon oder gar einem auf dem Rücken endenden Gitarren-Stunt verderben. Dass der kleine Unfall „Agnosie“ und „Bezoar“ einige Textzeilen kostet – geschenkt. Und das Publikum? Das feiert seine neuen Helden sowieso.
Nach dem Sturm auf dem Podium die kurze, meditative Ruhe und danach so viele friedliche, vom Fest und der Musik begeisterte Wesen, Kameraden, Musikanten, Handwerker, ach… Mitmenschen getroffen, die sämtliche Basarstände der anwesenden Liedermacher leerraubten. Ja, sogar eine achtsaitige Laute der königlichen Hoheit Iba Nez wurde verlost… und dies auf einem Musikfestspiel!
Von hochqualitativer tierfreier Kost bis hin zu absurd scharfen, extrem geräucherten Brätlingen für die Karnisten unter uns war etwas für jeden dabei. Wir gingen um die Ecke… und staunten nicht schwach. Sogar Fachwerkkurse und Angebote jeglicher Art im musikalischen und technischen Element boten die Veranstalter hier ihren Gästen? Sowas in diesem übertriebenen, ja fast schon lächerlichen Ausmaß hatte unsere Gemeinschaft bis dato noch nicht erlebt. Und das gesamte Angebot für einen sehr humanen Wertbetrag an der Pforte, unter dem Kompromiss, sich wie ein wahrer Djentleman zu verhalten.
Im Keller scheint sich derweil der etwas belanglose Metalcore anzuhäufen. Auch den polnischen MATERIA gelingt nur selten mehr als eine gesunde Portion auf die Fresse. Technisch zwar besser als manche Genrekollegen – doch damit stichst du am dritten EUROBLAST-Tag eben auch nicht mehr groß heraus.
IGORRR hingegen leben die musikalische Ausnahme. Boten die epileptischen Experimente PRYAPISMEs am Tag zuvor noch eine gute Gelegenheit zum Schmunzeln, so ist Frickelmeister Gautier Serre eindeutig auf explodierende Schädeldecken aus. Sein vierzigminütiges Macbook-Set wird zwar von elektronischen Klängen zwischen Techno und Breakbeat à la THE PRODIGY dominiert, gerät aber binnen Sekunden gefährlich schnell ins Schwanken, um ebenso flink in harsche Blastbeat-Raserei zu verfallen. Wer den Spaß fünf Minuten lang aushält, wird mit vom extrovertierten Gesangsduo auch schon auf die nächste Probe gestellt. Zwischen mittelmäßigem Death-Metal-Gegrunze, russischer Folklore und eigenwilligem Operngesang wird alles geboten. Bedeutet für so manchen Festivalgast aber auch: Überforderung olé! Bei den vom Band ertönenden E-Gitarren setzt IGORRR übrigens auf eine Mischung aus (absichtlich?) dünnem Guitar-Pro-MIDI-Sound und tatsächlich richtig saftigen Slam-Walzen. In Verbindung mit Geigen, ätherischen Chören und dem allgegenwärtigen Folk im Herzen eine durchaus ambitionierte DJ-Leistung, der jedoch durch auf die Spitze getriebene Kostümierungen und Tänze des Vokalistenpaars gerne mal die Ernsthaftigkeit genommen wird. Darf aber ja auch mal sein, erinnert in den besten Momenten schließlich an PANJABI MC. Abriss!
Ernüchterung stellt sich daraufhin allerdings beim Kollegen Kostudis ein. Denn irgendwie ist er ziemlich enttäuscht von den hochgelobten Schweden PORT NOIR. Extra in den Keller gewetzt ist er. Doch was er dann hört, begeistert ihn wenig. Ein bisschen zu schief ist der Gesang, ein bisschen zu platt und eindimensional sind die düster-eigenwilligen Songs, die PORT NOIR in die Menge wuchten. Bis auf seine ebenfalls zur Flucht gewandte Schwester scheint der Kollege mit seiner Meinung allerdings ziemlich allein dazustehen, denn im Keller herrscht reges Gedränge. Familie Kostudis verdrückt sich nach zwei Songs wieder. Sie und diese Schweden – das wird heute einfach nichts mehr.
Vor der Main Stage hat auch Kollege Peters zu kämpfen. Wie viele andere Besucher spürt er nach knapp drei Tagen technisch anspruchsvoller Musik allmähliche Verschleißerscheinungen. Das Hirn wird spröde, die Aufmerksamkeitsspanne sinkt. Alles in allem ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für die Franzosen UNEVEN STRUCTURE, um mit ihrer modernen Kost zwischen Modern Metal und Djent zu punkten. Er erträgt es allerdings wacker, zumal die Herrschaften aus Metz, die zum sechsten Mal in Folge in Köln aufspielen, ihre Sache gewohnt souverän erledigen. Mit technischer Raffinesse und viel Druck auf dem Kessel lärmen die Franzosen von der Bühne, die Matten im Publikum schwingen – alles ist gut. Auch wenn nicht unbedingt ein Innovationsfeuerwerk abgebrannt wird und die Band die Vehemenz und Wucht der vergangenen Jahre nicht ganz erreicht. Dennoch: Wenn UNEVEN STRUCTURE einmal die Maschine anschmeißen, dann läuft sie auch zuverlässig.
Kollegin Kostudis versetzt es einen leisen Stich, die Post-Rock-Polen TIDES FROM NEBULA auf der Kellerliste eingereiht zu wissen. Wie einst im Leipziger Conne Island verlangt das atmosphärische Liedgut doch Raum, Größe, Freiheit, um seine volle Wirkung zu entfalten! Eher skeptisch denn erwartungsvoll kämpft sie sich zu den Kollegen in die vorderen Reihen durch. Und dann bricht es los. Unter niedriger Decke verdichten sich die sonst eher weiträumigen Klänge und drängen in jede Faser und Fuge. Ziemlich laut. Und gerade dadurch ziemlich gut. TIDES FROM NEBULA lassen Kraft ihrer Instrumente beinahe die Bude bersten und teilen sich – zumindest Kollegin Kostudis‘ bescheidener Meinung nach – mit VOLA den Titel für den Gig des Tages. Und bestätigen mit ihrer Darbietung einmal mehr, dass schon allein soundtechnisch das Euroblast jede Reise wert ist. Vollkommen beseelt und ob der örtlichen Voraussetzungen eines Besseren belehrt bearbeitet die Kollegin innerlich die frevelhaft anmutende Frage, ob hochgelobte Headliner jetzt überhaupt noch notwendig sind.
Auf der noch dunklen Main Stage beginnen vier Monitore zu flimmern. Nach und nach werden die Bilder schärfer und eine Rolltreppe wird erkennbar, die langsam in Fahrt kommt. Zur düsteren Synth-Einleitung von „The Flood“ betreten LEPROUS die Bühne. Das Stroboskop flackert auf den Kabeln der Overheadmikrofone, als würden Blitze über die Bühne zucken. Schwarzgekleidet, förmlich und distanziert präsentiert sich die Band – und konzentriert sich erwartungsgemäß auf aktuelles Material. Die Atmosphäre verdichtet sich zunehmend, als LEPROUS „The Price“, den Opener des aktuellen Albums „The Congregation“, nachlegen. Die Choreografie der Norweger ist zwar etwas mechanisch und wenig intuitiv. Und auch die Kommunikation mit dem Publikum beschränkt sich auf ein sparsames „Thank You“ nach jedem Song. Dennoch ein sehr gelungener Auftritt, findet Kollege Peters.
Anschließend schaut der Kollege bei den Briten ALIASES im Keller vorbei, die mit ihrem „some kind of metal“ und reichlich Old-School-Attitüde daherlärmen. Laut und hart kracht es aus den Boxen, einmal mehr ist der Ton jedoch viel zu übersteuert, als dass ein differenziertes Klangbild möglich wäre. Hier allerdings fällt das eher weniger ins Gewicht, geht es doch vor allem ums Draufhauen. Gut so. Und in diesem Fall der Sturm vor der Ruhe.
Nach unserem Abbau lauschten wir großartig-bizarr-verrückten neueren, sowie älteren Banditen und Künstlern wie IGORRR, LEPROUS, CYNIC, ALIASES und unseren Mitstreitern von TIDES FROM NEBULA und nahmen zur Kenntnis, wie man die Meute zur wahrhaftigen Auferstehung der Seele brachte. Höchst beeindruckend.
Legendenstatus hin, Legendenstatus her. In der Haut der drei Herren, die nach dem LEPROUS’schen Triumphzug die Bühne besteigen müssen, möchte Kollege Klug irgendwie nicht stecken. Aber es sind ja CYNIC. Legenden und so. „Ach, keene Ahnung, das ist für mich so wie BOLT THROWER, irgendwie ’ne andere Generation, weeßte? Meine Erwartungen sind da jetzt echt nicht so hoch.“ Na, da lässt Kollege Kostudis jetzt aber einen vom Stapel. Der Alterspräsident und Ressortleiter beim Fachsimpeln. Muss man erlebt haben. Aber schon nett, dass er sich unter Androhung körperlicher Gewalt dann doch noch selbst ein Bild von der Lage macht. First things first: Den leeren Drumhocker des „ausgestiegenen“ Sean Reinert hält nun erst einmal TRIOSCAPES-Drummer Matt Lynch warm, während sich in der vorderen Bühnenhälfte mit Paul Masvidal und Sean Malone alles wie gewohnt verhält. Dennoch rieselt beim Einstand „Evolutionary Sleeper“ alles andere als nostalgische Magie herab. Nach LEPROUS hat sich die Essigfabrik um ein gutes Viertel geleert, wobei weite Teile des Publikums hier nun in ähnlicher Skepsis-Pose wie Kollege Kostudis verharren. Und dann koppelt und kleistert Masvidals markanter Vocoder erst einmal alles zu, was noch an wahrnehmbaren Geräuschen aus den Boxen dringt. Kollege Klug spürt, wie die „Hab ich’s doch gesagt“-Blicke von der Seite allmählich überhandnehmen. Der nun folgende Debüt-Klassiker „Veil Of Maya“ kann die Erwartungen einiger Old-School-Fans immerhin schon eher erfüllen. Tatsächlich spielen sich CYNIC eher gemächlich warm, wobei die etwas verhaltenen Musiker gar nicht erst auf große Show setzen. Die drei Perfektionisten konzentrieren sich vielmehr voll und ganz auf das Material der beiden jüngeren Platten. Dementsprechend makellos wird das eigenwillige Prog-Rock/Fusion-Gemisch dargeboten, doch der eine oder andere zugedjentete Zeitgenosse braucht eben ein paar Minuten länger, bis ihm der wahre Charme dieser Musik bewusst wird. So entwickelt sich ein von Kollege Kostudis zunächst widerwillig gemurmeltes „Ist schon okay, aber nicht so mein Fall“ zu einem munteren „Das ist schon ganz cooler Scheiß, den die da machen“. Und unmittelbar vorm Titeltrack zu „Kindly Bent To Free Us“ fühlt sich dann auch Paul Masvidal zu ein paar Worten genötigt. Statt eines großen Statements zum Zerwürfnis mit Reinert beschränkt sich der charismatische Bandkopf allerdings auf metaphorische Ansagen der Sorte „When one door closes, another opens“. Was jedoch nicht für die Backstage-Tür gilt. Denn die bleibt geschlossen, auch nachdem CYNIC die Bühne 15 Minuten früher als geplant verlassen.
Für die abschließenden DJ-Sets von Mr. Gallego & Friends reicht die Kraft dann allerdings nicht mehr aus, das Team hat die Belastungsgrenze nach drei kräftezehrenden Tagen erreicht und schleppt sich in Richtung der fahrbaren Untersätze. Mit einem letzten Sturzbier werden Köln sowie diverse Toms und Felixe verabschiedet und auch das obligatorische Gruppen-Selfie wird unter nicht mehr ganz so professioneller Anleitung des Kollegen Klug aufgenommen (Bild auf Anfrage). Anschließend verteilt sich die Gruppe in (fast) alle Himmelsrichtungen.
Welche Verhöhnung gab es außerdem noch anzumerken, als man nach der letzten Musiktruppe mit den Mitarbeitern und übrig geblieben Gästen, atemlos durch die Nacht und dem Sonnenaufgang entgegen, den gesamten Laden in Form einer After-Festspiel-Fete abriss? Stagediving und Crowdsurfing inklusive! Auf einer Fete… purer, abnormaler Wahnsinn. Hatte meine Wenigkeit irgendetwas von Müdigkeit am Anfang dieses Epistels erwähnt? Ich bitte die Heuchelei zu entschuldigen.
Abschließend können wir nur sagen: Chapeau Euro-fucking-blast Vol. 11!
Es war uns eine große Ehre auf einem der bisher besten Festivals unseres Lebens zu spielen. Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, Organisatoren, Fans, Helfern und Musikfanatikern für eine glorreiche Zeit und kommen gerne wieder zu den besagten Festspielen.
In Frieden,
Ilja John Lappin, THE HIRSCH EFFEKT
Was für ein Ausflug. Was für Musik, was für Eindrücke. Und was für eine großartige Atmosphäre. Es gibt viele Festivals, die einen auf „Kumpel“ machen. Oftmals entpuppt sich die im Vorfeld bemühte Fannähe allerdings als plumper Schwindel und reine Marketingmaßnahme. Beim Euroblast hingegen ist alles anders. Weil in Köln abermals alle an einem Strang gezogen haben. Weil die meisten Bands das erbracht haben, was sich viele erhofft hatten. Weil jeder vermeintlichen Enttäuschung eine Truppe gegenüber stand, die die Herzen des Publikums aus dem Stand erobern konnte. Eine bemerkenswerte Erfahrung. Gemeinsam stehen, gemeinsam sehen, gemeinsam fühlen. Wie schön, dass es so etwas heute noch gibt.
Alle Fotorechte liegen bei Anton Kostudis (AKOS Livemomente) und Alex Klug (2 Rights Make 1 Wrong).
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