Euroblast Festival
Der große Festivalbericht: Euroblast 2015 in Köln

Konzertbericht

Billing: Between The Buried And Me, Cynic, Haken, Leprous, Monuments und The Algorithm
Konzert vom 2015-10-01 | Essigfabrik, Köln

Freitag, 2. Oktober

Ein Bericht von Alex Klug, Anton Kostudis, Sophia Kostudis, Eugen Lyubavskyy und Rasmus Peters.

Euroblast Festival

Irgendwie hat es Kollege Kostudis geschafft, sich aus dem Bett zu pellen. Den Morgen begrüßt er nach einer etwas holprigen Anfahrt mit einem knackig kühlen Früh Kölsch von der Tanke und stolpert wenig später im Halbschlaf vor die Bühne. Im Übrigen findet der Kollege, dass eben jenes Früh so viel besser schmeckt als Gaffel und der ganze andere Mist – was allerdings auch daran liegen könnte, dass Früh irgendwie nicht nach Kölsch schmeckt. Nun ja, über persönliche Vorlieben lässt sich ja bekanntlich bestens streiten. Wie auch über die Qualität diverser Musikgruppen.

Die Hamburger DEFRAKT sind ihrerseits eine Truppe, bei der gestandene True-Metaller zweifelsfrei kein feuchtes Höschen bekommen, die heuer allerdings dem aufgeschlossenen Musikfreund zeigt, dass sie das Zeug für die große Bühne hat. Mit wuchtigen, modernen Djent-Klängen rütteln die Hamburger die Essigfabrik wach, die sporadisch Anwesenden sind sichtlich angetan und wippen willig mit. Ohnehin schätzt Kollege Kostudis die Eröffnungsacts, weil er sich zur frühen Stunde frei bewegen, das Equipment inspizieren und die Show letztlich richtig aufsaugen kann. Gut für ihn, eher schlecht für die Band. So oder so aber ein unerwartet überzeugender Auftakt eines ereignisreichen Tages.

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Zu dem natürlich auch CYCLAMEN beitragen. Eben jene kommen aus Japan und machen ziemlich wirren Kram, zu dem auch das Katzenshirt des Sängers Hayato Imanishi bestens passt. Überhaupt stimmt hier fast alles – sofern man den Japanern ihren klischeehaften Drang zur kompletten Übertreibung nachsieht. Die Band hat sichtlich sehr viel Spaß auf der Bühne, es wird gehüpft und ununterbrochen gegrinst. Musikalisch steht man aber eher auf dem Schlauch – ständige Läufe, unklare Breaks, völlig undurchsichtige Strukturen. Ist alles eher chaotisch als proggy, aber verwirrt ist man von japanischen Exporten ja des Öfteren. Immerhin sind die cleanen Jazzpassagen ziemlich cool. Aber nach einem solchen Gig muss Kollege Lyubavskyy erst einmal runterkommen.

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Zur gleichen Zeit erfreut sich Kollege Peters im Keller an der optischen Erscheinung der Hamburger Formation TRAILER PARK SEX: Ein Sänger, der gut und gern der Frühphase des Punk entspringen könnte, ein Basser im Morphsuit und teils beeindruckende Altersunterschiede sorgen fürs erste irritierte Schmunzeln am Morgen. Musikalisch wird eine punkdurchsetzte Interpretation progressiven Metalcores geliefert, die zahlreichen SUICIDE SILENCE- und PARKWAY DRIVE-Shirtträgern gleich mal die nötige Dosis verschafft. In Sachen Bassdrop-Quantität steht das Quartett seinen Genre-Kollegen dabei in nichts nach und schmückt zuweilen sogar Breakdowns wesentlich besser aus. Ein solider Start in den zweiten Festivaltag.

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Und auch auf der Hauptbühne will gepunktet werden. ALAYA bestehen nur aus einem Schlagzeuger, einem Gitarre spielenden Sänger und ganz viel Laptop. Bei einer solchen Instrumentalisierung müssen die wenigen Musiker schon echt was reißen, und tatsächlich sind die beiden arschtight miteinander verzahnt – Gitarre und Schlagzeug hören sich teilweise wie ein einziges Instrument an. Zahlreiche Samples verleihen dem Ganzen die nötige Tiefe und auch der Gesang ist wirklich super. Wundersamerweise erinnert das Gebotene öfters an COHEED & CAMBRIA. Allerdings wird der Autor die Frage nicht los, was jetzt eigentlich live performt wird und was aus der Konserve kommt. Zusammen mit den unnötigen und leeren Breakdowns bleibt ein durchwachsener Eindruck.

Folglich schlurft Kollege Lyubavskyy weiter in den Keller. Dort starten in diesem Augenblick die (noch) wenig bekannten JUGGERNAUT ihr Set. Die Truppe konnte dem Kollegen seinerzeit mit ihrem Debüt „Trama!“ fast die Höchstwertung aus den Rippen leiern – entsprechend gespannt ist Herr Lyubavskyy auf die heutige Performance. Das Quartett aus Italien spielt eine nur schwer in Genres zu quetschende Mischung aus instrumentalem Metal, Salsa, Tango, verspielten Post-Whatever-Elementen und dicken Djent-Riffwalzen. Serviert wird das Ganze auf einem sehr jazzigem Unterbau. Klingt verrückt, ist es auch und funktioniert zum Niederknien gut. Zwar ist den sympathischen Musikern die Aufregung etwas anzumerken, und hier und da ist das Timing nicht perfekt. Trotzdem liefern JUGGERNAUT eine überragende Performance ab, die schnell für tanzendes (!) Publikum sorgt. Da darf ruhig mal applaudiert werden.

Je näher der mit nervöser Spannung ersehnte Auftritt des französischen Experimental-Quintetts KLONE rückt, desto kürzer werden die Intervalle, innerhalb derer Kollege Kostudis an das bevorstehende Ereignis erinnert. Nahezu geschlossen nimmt das Team die Plätze ein. Mit den ersten Klängen von „Immersion“ weicht die fiebrige Erwartung der wohligen Überzeugung, dass einige herausragende Minuten bevorstehen. Ohne nennenswerte Dämpfung wird die auf der Bühne freigesetzte Energie im Publikum geradewegs physisch spürbar. Vollkommen verzückt und der inneren Ekstase nahe erlebt Kollegin Kostudis die gleichermaßen kraftvolle Umsetzung sowohl eher feingliedriger Tracks der aktuellen Platte „Here Comes The Sun“ als auch älteren, gröberen Materials wie „Immaculate Desire“ und „Rocket Smoke“. Auch anderen Anwesenden ist während dieses gewaltigen wie dichten Klangbades großes Behagen ins Gesicht geschrieben. Und die Gewissheit, dass dies der Höhepunkt des Samstages, wenn nicht sogar des gesamten Festivals ist. Erfüllt treiben die Teilnehmer von der Main Stage ans Tageslicht zurück. Wohl dem, der jetzt den Nachhall dieses Festes auskosten kann. Mitleid mit allen anderen Kollegen, die derzeit anderweitig im Einsatz sind.

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So stellt beispielsweise Herr Lyubavskyy fest: AEOLIST sind leider keine leckere Knoblauchsoße, sondern eine noch recht junge Band aus dem britischen Norwich. Als Speise hätte das Ganze mehr gemundet, denn präsentiert wird ein coriger Prog-Hybrid ohne besondere Alleinstellungsmerkmale. Hier muss noch einiges reifen, findet der Kollege.

Ein paar Entwicklungsschritte weiter sind da die Serben DESTINY POTATO, welche das Euroblast bereits im vergangenen Jahr mit modernen und eingängigen Klängen verzückten – und auch heuer sollte die Band um Fronterin Aleksandra Djelmas eine amtliche Performance auf die Bretter zaubern. Allein, Kollege Kostudis schafft es nur bis zur Pforte der Essigfabrik, an der er erschöpft niedersinkt, tiefgründig in seinen Bierbecher lugt und zur Erkenntnis gelangt: „Ja, da drinnen geht gerade eine solide Party. Aber manchmal ist es einfach angenehmer, etwas weiter weg zu sein.“ Entsprechend schneidersitzt der Kollege im Eingangsbereich, nippelt an seiner Kaltschale und lauscht den wummernden, melodischen und grazilen Klängen, die aus der Halle ins Freie dringen. „Auch mal ganz nett“, findet Herr Kostudis. Ohnehin hat er keine Lust, sich mit den „Nach-17-Uhr“-Fotografen um Bilder von der Frontelfe zu balgen. Er weiß auch so, dass die Band ihre Sache gut macht.

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Auch Kollege Peters ist nicht unzufrieden. Denn THE SUN EXPLODES bieten derweil eine Etage tiefer technischen Alternative Rock gepaart mit Progressive Metal, der sich allerdings aufgrund der Klangeigenschaften der Kellergemäuer kaum entfalten kann. Grundsätzlich ist der Kollege von den dissonant angehauchten Stücken der Briten durchaus angetan, allerdings machen die akustischen Rahmenbedingungen ihm heute einen Strich durch die Rechnung. Entsprechend wirkte die Show recht blass, da wäre sicher mehr möglich gewesen. Kollege Peters schlendert folglich weiter.

Ist der Bandname schon so scheiße wie im Falle von DEVIL SOLD HIS SOUL, darf sich Kollege Lyubavskyy auch mal etwas voreingenommen zeigen. Dem kann das Ensemble mit seinen postigen Klängen allerdings durchaus etwas entgegensetzen. Gesanglich und optisch dürfte der Auftritt aber bestenfalls bei 14-jährigen Teeniemädels mit Tunnelohren für flatternde Unterwäsche sorgen. Die Mischung ist so kitschig, poppig und irgendwie typisch britisch, dass der Kollege dem Ganzen trotz tadellosem Handwerks nichts abgewinnen kann. Bitte mehr Bands und weniger Produkte! Kollege Kostudis sieht das allerdings ein wenig anders. Zwar hatte er sich irgendwie mehr von den Briten erhofft, dennoch genießt er die wuchtigen, melancholischen Songs, welche die Band von der Main Stage schiebt. Was der Kollege Lyubavskyy nach dem Gig faselt, quittiert Herr Kostudis lediglich mit einem mitleidigen Kopfschütteln. Grummelnd verzieht er sich in den Keller.

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Und während er sich dort noch über die mangelnde Fachkompetenz des Kollegen Lyubavskyy ärgert, legen auf einmal ATMOSPHERES los – und wie. Es ist unglaublich laut, unglaublich fett und unglaublich fies, was die Belgier hier auf die Bretter zaubern. Die Klampfer arbeiten sich an ihren abgrundtief heruntergestimmten Gitarrensaiten ab, Drummer Bastiaan drischt sein Drumset in Stücke und Basser Matt mimt den breitbeinigen Djent-Lord. Was für ein übler Abriss. Dem Kollegen schlabbern gehörig die Hosenbeine – und das, obwohl er sich heute für die modisch-engen Röhrenbuxen entschieden hat. Übel. Und immer dann, wenn Herr Kostudis meint, sich losreißen zu müssen, kommt die Band mit dem nächsten Killer-Riff um die Ecke und lässt ihn staunend vor der Bühne verharren. ATMOSPHERES feiern heute zweifelsfrei eine schweißtreibende Brutalo-Djent-Sause, die nicht nur ihren Namen redlich verdient, sondern die auch niemanden – nein, wirklich niemanden – nach einer Dreiviertelstunde unzufrieden zurücklässt. Ultrastark.

Auch THE INTERSPHERE gehörten definitiv zu den Festivalhighlights. Energisch und agil bieten die vier Mannheimer einen gelungenen Querschnitt ihrer Diskografie, der Fokus liegt dabei naturgemäß auf den beiden aktuellen Werken „Hold On, Liberty!“ und „Relations In The Unseen“. Schlagzeuger Moritz Müller trommelt schweißgebadet ein vielseitiges Fundament für seine Kollegen, die in Höchstform und Spiellaune dem perkussiven Lockruf Folge leisten. Durchgehend sind die Musiker in Bewegung und reißen die Menge mit, während Sänger Christoph Hessler auch in höheren Lagen stimmsicher durch Songs wie „Prodigy Composers“ oder „Sleeping God“ führt.

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KADINJA unterstreichen in der Folge einmal mehr, dass in diesem Jahr viele sich hinter dem Begriff Djent versteckende Bands in Wirklichkeit nur komplexeren Metalcore zocken. Im Falle der Pariser Combo erweist sich dieser zum Glück aber als vergleichsweise unprollig. Erinnern die Songs den Kollegen Klug in rhythmischer Hinsicht gerne mal an frühe DECAPITATED, steht mit Jungspund Philippe Charny Dewandre hingegen ein Sänger an der Spitze, der endlich mal etwas von melodiösem Klargesang versteht. Eine der besseren Core-Kapellen des Festivals vor einer für diese Uhrzeit viel zu geringen Zuhörerschaft. Irgendwie ja schon ein Jammer.

Wo sind sie also, die Festivalbesucher? Ach ja, oben. Denn bei THE ALGORITHM steigt gerade eben jene Party, auf die hier offensichtlich alle gewartet haben. Und so steht dem Heimspiel Rémi Gallegos vorerst nichts mehr im Wege. Einzelne Songs sollte man beim 50-minütigen Dauer-Djentstep-Marathon gar nicht erst versuchen herauszuhören, doch schnell erhärtet sich da ein ganz bestimmter Verdacht: So viel Gitarre hat der Typ ja noch nie gespielt! In der Tat: Statt sich beim dritten Euroblast-Auftritt in Folge übermäßig an Pult und Synthies zu betätigen, gibt sich der französische Multiinstrumentalist ganz dem Zusammenspiel mit seiner Schlagzeugverstärkung hin. Leider wissen aber gerade angesprochene Synthesizer heute nicht viel zu reißen. Immer wieder schleichen sich mittelmäßige Arpeggien und unnötig dünne Oszillator-Sounds zwischen den gewohnt wuchtigen Wobble-Talfahrten ein. Könnten natürlich auch noch Nachwirkungen von PRYAPISME am Vortag sein. Doch selbstverständlich liegt der Reiz für den Großteil der Zuschauer heute weniger in Ableton-Sounds als vielmehr im tighten Zusammenspiel des Duos. THE ALGORITHM – mehr live denn je.

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Nach einem weiteren djentig-corigen Abstecher zu NO CONSEQUENCE wird es Zeit für den Headliner des heutigen Tages: Die britischen Senkrechtstarter MONUMENTS sind ja nun seit Jahren ein gern gesehener Gast auf dem Euroblast – und enttäuschen die zahlreich Anwesenden natürlich auch am heutigen Abend nicht. Ohnehin scheinen die Mannen um den quirligen Fronter Chris Barretto nicht in der Lage zu sein, schlechte Konzerte zu spielen. Wohl dem, der das von sich behaupten kann. Die Show ist entsprechend gut, die Stimmung sowieso. Allerdings übertreibt es der US-amerikanische Sänger immer mal wieder mit seinen markigen Ansagen. „We don’t even know what we’re doing up here“, plappert ein aufgekratzter Barretto. „Blabla…“, denkt sich Kollege Kostudis und schaut ein wenig genervt drein. Dumm nur, dass Barretto einfach ein so guter Sänger ist, dass er sich derlei plattes Geschwafel irgendwie auch erlauben darf.

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Allerdings ist der hüpfende Lockenkopf nicht die einzige Attraktion: Der neuverpflichtete Drummer Anup Sastry (ex-SKYHARBOR) macht seine Sache an der Schießbude nämlich ebenfalls großartig – und der rechten, klinisch präzise zuckenden Schlaghand John Brownes zuzusehen, ist seit jeher eine Freude für jeden Gitarristen. Kurzum: MONUMENTS liefern auch heute den erwarteten Abriss und zeigen, dass sie das Zeug für die fetten Slots haben. Die intensiven 70 Minuten lassen keine Wünsche offen, folglich muss der eine oder andere Zuschauer nach der Show erst einmal  kräftig durchschnaufen. Was ein starker Gig.


Das Team rottet sich vor der Halle zusammen, um die Heimfahrt einzuleiten. Und zwar vor Mitternacht, wie Kollege Klug mal wieder schockiert feststellen muss. Denn angesichts der altersbedingten Dauermüdigkeit seiner Kollegen gerät der Jungspund allmählich an die Grenzen des Mitgefühls. Doch ein weiterer Festivaltag voller Highlights stimmt letzten Endes auch den agilen Kollegen milde.

Alle Fotorechte liegen bei Anton Kostudis (AKOS Livemomente) und Alex Klug (2 Rights Make 1 Wrong).

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30.11.2015

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1 Kommentar zu Euroblast Festival - Der große Festivalbericht: Euroblast 2015 in Köln

  1. Christian sagt:

    Danke für eure super Berichterstattung!