Euroblast 2021
Das eintägige Djent-Homecoming zu Köln

Konzertbericht

Billing: Jinjer, Hypno5e, Space Of Variations und Defocus
Konzert vom 02.10.2021 | Essigfabrik, Köln

Das Euroblast ist unter normalen Umständen ein internationales Ferienlager für Freunde tiefer, frickeliger und fieser Klänge. Für ein langes Wochenende beherbergt die Essigfabrik im Köln-Deutzer Hafen zu diesem Anlass exklusive Artists, exklusives Merch und eine exklusive Crowd, die in diversen Sprachen über ihre krummen Lieblingstakte fachsimpelt. 2021 ist leider noch nicht ganz normal, aber immerhin: die Veranstalter:innen haben es geschafft, ein zusammengekürztes Euroblast-Abend-Event auf die Beine zu stellen, angeführt von den ukrainischen Überfliegern von JINJER. Das Mini-Euroblast ist ausverkauft und kann dank steigender Impfquote und 3G-Regelung komplett ohne Abstand- und Maskenpflicht stattfinden. Die Vorfreude ist riesig.

Das merken auch DEFOCUS, die den Abend gegen halb sechs und noch bei Tageslicht eröffnen dürfen. Die Aalener versehen ihren modernen Metalcore mit einer saftigen Djent-Schlagseite, die beim Publikum offenkundig sehr gut ankommt. Dass die Jungs zudem eine klare Message für eine offene und tolerante Gesellschaft und gegen ihre Feinde mitgebracht haben, wird mit ordentlich Bewegung vor der Bühne honoriert. Nach einer halben Stunde verabschieden DEFOCUS sich sichtlich gerührt vom starken Support für den Opener-Slot bei „all den schönen Menschen“ und machen die Bühne frei für SPACE OF VARIATIONS.

Setlist Defocus:

  1. Intro
  2. Thought Of A Vision
  3. In Our Heads
  4. Can You See Me?
  5. Common Grave
  6. Disease
  7. Tides
  8. Diverge
Konzertfoto von Defocus - Euroblast 2021

Defocus – Euroblast 2021

Galerie mit 10 Bildern: Defocus – Euroblast 2021

Jene kommen, wie die Headliner des Abends, ebenfalls aus der Ukraine und haben eine Menge Zerstörungswut im Gepäck. Die Songs des Vierers sind noch einmal eine Spur komprimierter, stärker im Hardcore verwurzelt und an diesem Abend auch deutlich fetter abgemischt. Das führt dazu, dass, obwohl bei SPACE OF VARIATIONS nicht unbedingt mehr Menschen vor der Bühne stehen als bei DEFOCUS, die Stimmung einen neuen Höhepunkt erreicht. Plakativ-prollige aber eben auch unleugbar effiziente Singalongs á la „We came to fuck this place up!“ oder „Let’s fucking die tonight!” tragen ihr Übriges dazu bei. Zur Mitte des Sets rollt dann auch die erste Wall of Death des Abends durch die Essigfabrik. Die halbe Stunde vergeht wie im Flug und als der letzte Ton verklingt, braucht manch einer und eine nicht nur eine Raucher-, sondern auch eine Atempause.

Setlist Space Of Variations:

  1. Beast
  2. Room 57
  3. Razorblade
  4. Non-Human
  5. Fake Bible
  6. Fuck This Place Up
  7. ???
  8. Tibet

Space Of Variations – Euroblast 2021

Galerie mit 13 Bildern: Space Of Variations – Euroblast 2021

Die metal.de-Reporter im Einsatz stärken sich auf dem Hinterhof der Venue mit einer leider etwas knapp bemessenen Pommesschale. Vielleicht aber besser so, denn dadurch stehen sie zumindest pünktlich zum Set von HYPNO5E wieder vor der Bühne.

Die Franzosen brechen insofern ein wenig mit dem bisherigen Programm, als dass sie deutlich ausuferndere Kompositionen und eine düstere, fast Filmscore-hafte Atmosphäre auf die Bühne bringen. Cleane Passagen wechseln sich dabei mit Djent-Breaks und (Post)-Black-Metal-Wänden ab – atmosphärisch aufgebrochen durch diverse Sprachsamples.

HYPNO5E sprechen ihrerseits zwar nicht viel, aber das ist auch gar nicht nötig, um die gut gefüllte Halle in anerkennendes Headbanging zu versetzen. Die Franzosen brauchen keine breitbeinigen Ansagen und keine Mitmach-Animationen. Eine Dreiviertelstunde spielerische Klasse auf bestem Euroblast-Level und ein spannender, facettenreicher Sound, irgendwo zwischen ALCEST, GOJIRA, frühen OPETH und französischem Kinoscore, überzeugen mehr als genug. Klar kommt hier bei nur vier Mitgliedern auch einiges vom Band – nichts davon wirkt dank eines optimal abgemischten Sounds aber wie ein Fremdkörper. Ein sehr starker Auftritt vom Co-Headliner HYPNO5E.

Hypno5e – Euroblast 2021

Galerie mit 16 Bildern: Hypno5e – Euroblast 2021

Mittlerweile hat es draußen angefangen zu regnen – was aber halb so schlimm ist, da viele sich ohnehin direkt die besten Plätze vor der Bühne für den Auftritt von JINJER warmhalten. Um Viertel von neun ist es dann so weit und das Quartett betritt ohne viel Aufhebens, dafür aber mit ukrainischer Urgewalt die Bühne. Die Halle ist zu diesem Zeitpunkt voll, so als hätte es nie eine Pandemie gegeben, und es ist ein tolles Gefühl, endlich wieder inmitten einer leidenschaftlich feiernden Masse stehen und die Bass-Drum im Magen spüren zu können.

JINJER machen keine Gefangenen und das Publikum frisst ihnen und vor allem Sängerin Tatiana aus der Hand. Vom ersten Song an ist das Parkett ein brodelnder Pit. Die Songs des neuen Albums „Wallflowers“ fügen sich gut in das bewährte Set ein, alle Musikerinnen und Musiker machen einen traumwandlerisch sicheren Job. Natürlich ist es aber Tatiana Shmailyuk, die mit ihrer Bühnenpräsenz und ihrem spielerischen Wechsel zwischen tiefsten Growls, dämonischen Schreien und dramatischem Klargesang die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die geschmackvollen Leuchtwände tragen ihrerseits einiges zur Gesamtatmosphäre des Auftritts bei, wenn sie songdienlich zwischen bunten Farbkaskaden, Lichtfunken und pulsierenden Flächen wechseln.

Im letzten Drittel des Sets haben JINJER mit einem kleinen Technikausfall zu kämpfen. Das aufgeheizte Publikum überbrückt die unangenehme Bühnenstille aber nur zu gern mit Anfeuerungschören und begeisterten Zwischenrufen. Diese tragen die Ukrainer auch durch den Rest ihres Sets und den Zugabenblock, den die strahlende Band, wie schon fast alle Vor-Acts mit einem Gruppenfoto vor Publikumskulisse beschließt. JINJER haben sich schon vor der Pandemie einen gewissen Live-Ruf erarbeiten können und falls irgendjemand Zweifel daran hatte, dass diese Band gekommen ist, um zu bleiben, sollten diese mit diesem Abend endgültig ausgeräumt sein.

Jinjer – Euroblast 2021

Galerie mit 18 Bildern: Jinjer – Euroblast 2021

Auch ansonsten gehen vermutlich nicht nur die metal.de-Reporter mit klingenden Ohren und großen Hoffnungen für den Neustart der Live-Kultur durch den Kölner Regen nach Hause. Das Euroblast 2021 ging zwar nur einen Abend lang, doch für diese paar Stunden war eigentlich fast alles wie früher. Selbst in schwierigen Reisezeiten sprachen die internationalen Autokennzeichen vor der Essigfabrik Bände über die grenzüberschreitende Leidenschaft, die die Szene auch nach mehr als 1,5 Jahren der Entbehrungen ausmacht.

Setlist Jinjer:

  1. Call Me A Symbol
  2. On The Top
  3. Pit Of Consciousness
  4. I Speak Astronomy
  5. Disclosure!
  6. Judgement (& Punishment)
  7. Sleep Of The Righteous
  8. Ape
  9. Retrospection
  10. Perennial
  11. Wallflower
  12. Teacher, Teacher!
  13. As I Boil Ice
  14. Mediator
  15. Home Back
  16. Vortex
Euroblast 2021

Euroblast 2021

Text: Tobias Kreutzer

Fotos: Alex Klug

03.10.2021

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