Euroblast Festival 2018
Tightness ohne Ende

Konzertbericht

Billing: Monuments, Caligula's Horse, Vola, Kadinja, The Dali Thundering Concept, Unprocessed, Ayahuasca, Rolo Tomassi, Heart Of A Coward, Crippled Black Phoenix, Soen, Syndemic, Cabal, Terminal Function, Copia, Letters From The Colony, Humanity's Last Breath, Long Distance Calling, Lake Cisco, Theia und White Walls
Konzert vom 05.10.2018 | Essigfabrik, Köln

Samstag, 6. Oktober 2018

Von den Highlights des ersten Tages hat sich die Kollegin Kostudis ins Bild und damit ansatzweise in den Festival-Modus setzen lassen. Dank maximal verspäteter Anreise stellen KILL WOLFHEAD für sie nun den Auftakt dar. Und zwar den bestmöglichen. Wem der gestrige Tag noch zehrend in den Gliedern steckt und wessen Geist sich noch mühsam sortieren muss, dem ist das Quartett ein optimaler Katalysator. Prog-Rock mit Nachdruck, Spielfreude und fluffig-funkigen Elementen – KILL WOLFHEAD sammeln neben Pluspunkten auch ein paar Einheiten auf der Bekanntheitsskala. Denn das zwar mäßig üppige, aber interessierte Keller-Publikum ist sichtlich angetan, applaudiert reichlich und rührt die Band sichtlich. Glückseligkeit allerorten, die zurück am Licht noch vollendet wird: Die Spätsommersonne schält hier die Festivalbesucher aus der Kleidung. Conditions are perfect!

Kill Wolfhead - Euroblast 2018

Kill Wolfhead

Immer wieder gerne gesehen: AYAHUASCA

Nachwuchs gibt’s auch überirdisch zu bestaunen. Wobei, was heißt schon Nachwuchs, darf das Oktett AYAHUASCA doch schon zum dritten Mal die Euroblast-Hauptbühne eröffnen. Entsprechend glücklich verteidigen die Kölner hier ihren Status als technischer Death-Metal-Geheimtipp. Technisch agiert die Gruppe – im Gegensatz zu den großen Namen im Euroblast-Line-up – aber gar nicht unbedingt auf Frickel- oder Djent-Ebene, sondern in erster Linie in Sachen Groove. Dabei haben AYAHUASCA ja nicht nur Tribal-getriebene Percussionarbeit im Gepäck, sondern lockern ihre zumindest in Teilen GOJIRA-beeinflusste Mixtur immer wieder mit Klargesang und fragil-sphärischen Interludien auf – natürlich nicht, ohne den Blick fürs Geknüppel zu verlieren.

Ayahuasca - Euroblast 2018

Ayahuasca

Während drinnen also der Dschungel tobt, haben sich auch im Außenbereich tropische Temperaturen eingestellt. Nach der kühlen Brise am Abend des Vortages entpuppen sich Jeans und Sweartshirt heute dann doch nicht als die Kleidungsstücke der Wahl. Liegt aber vielleicht auch mit an der scheinbar nochmals gewachsenen Zuschauerzahl, die mittlerweile schon am frühen Nachmittag für unangenehm schwitzige Schweißkondensate sorgt. Aber so ist das eben mit dem Rock ‘n’ Roll.

Authentischer Bühnenspaß

Bis zur ganz großen Überfüllung dauert es zwar noch ein bisschen, auf der Hauptbühne macht sich nun aber dennoch schon ernsthafte Abrissstimmung breit. HIBAKUSHA aus dem flachen Nachbarland treffen mit Musik und Performance genau den Nerv der immer noch aufzuwärmenden Schar: Wuchtige Akkorde und treffsicheres Getöse machen Bock auf mehr, überfordern dank authentischem Bühnenspaß aber nicht mit Animation und Getue. So muss das! Dabei ist das, was HIBAKUSHA darbieten, nicht zwingend außergewöhnlich oder nie gehört. Schon allein, weil sie vor zwei Jahren bereits hier auf der Bühne standen. Aber schlichtweg gut. Prog, Post und Prügel – dieser Mischung kommt der Hauptbühnen-Sound auch mehr als entgegen, er ist optimal. Damit kann die Kollegin ihrerseits den (ersten) Euroblast-Moment auf der To-Do-Liste abhaken und bedauert gleichzeitig die noch frühe Stunde und damit überschaubare Dauer des Slots. Aber besser so als andersrum.

Hibakusha - Euroblast 2018

Hibakusha

Mit derart hochgefahrenem Gemüt setzen sich die Kopenhagener CABAL ins gemachte Nest und kloppen nun den Keller klein. Ist das fein! Also, brutal und böse eher. Schiere Wut bricht sich als Djent-Deathcore-Welle Bahn. Flackernde Strobos lassen die Fotografen fluchen, unterstreichen aber die rohe Performance. Allein der Sound hätte etwas Finesse vertragen, die Anlage rettet sich mehrfach in die Übersteuerung. Geschenkt, beim Hobeln fallen Späne, und CABAL machen ordentlich Holz.

Anwärter auf den Mathcore-Thron

Ähnlich kompromisslos gehen dann auch ROLO TOMASSI zu Werke – spielen aber zunächst die unscheinbare Karte. Nahezu lieblich tänzelt die Band durch die eröffnende Indie-Pop-Rock-Nummer “Aftermath” – und zaubern damit das vielleicht schönste Täuschungsmanöver aufs Parkett, das Kollege Klug je gesehen hat. Denn im Anschluss daran entfesselt die britische Gruppe ein Mathcore-Feuerwerk, das THE DILLINGER ESCAPE PLAN wohl alle Ehre gemacht hätte. Das Geschwisterpaar Spence wirbelt wie ein zweiköpfiger mutierter Derwisch über die Bühne und animiert das Publikum damit, sogar über die jazzigsten Akkorde zu moshen. Mit einer verdammt frischen Mischung aus CONVERGE und gemäßigteren EPHEL DUATH nehmen ROLO TOMASSI hier in rund 40 Minuten alles mit. Und zeigen, dass sie sich spätestens mit Studioalbum Nummer fünf den verwaisten Spitzenplatz der Mathcore-Szene sichern wollen. Der Grundstein ist gelegt.

Rolo Tomassi - Euroblast 2018

Rolo Tomassi

Apropos Grundstein: Kollege Kostudis inspiziert kurz darauf einmal wieder den Keller der Essigfabrik, und dort schlägt ihm dann bereits von Weitem ein auf den ersten Eindruck ziemlich wirres Klanggemisch entgegen. Klar scheint: Irgendjemand versucht sich da gerade an durchaus komplexem Krempel, kriegt das Ganze aber ohrenscheinlich noch nicht so richtig auf die Kette. Ein kurzer Blick auf die Running Order verrät: Es sind die Briten VALIS ABLAZE, die sich hier gerade abmühen. Doch dann, als könnten sie die Gedanken des Kollegen lesen, strafft sich der Fünfer aus Bristol plötzlich – und bietet in der Folge immerhin recht ansprechende Prog-Downtuning-Kost, die aber ehrlicherweise nicht wirklich zwingend und packend daherkommt. Klassischer Fall von “nicht den besten Tag erwischt”. Findet zumindest Kollege Kostudis – und zieht weiter.

Valis Ablaze - Euroblast 2018

Valis Ablaze

Es gibt Programmbeiträge, die halten das Level hoch und gönnen dem Hirn gleichzeitig aber eine kleine Auszeit. HEART OF A COWARD sind so einer. Die Engländer sorgen mit djenty Metalcore für neuen Schwung und wippende Glieder – und wirken bereits ziemlich gut eingespielt. Nach dem Wechsel am Mikrofon im Frühjahr, bei dem Kaan Tasan den langjährigen Sänger Jamie Graham ersetzte, hat das Quintett schon einige Auftritte absolviert und marschiert daher souverän durch die Bühnenzeit. Oder wie Kollege Kostudis irrtümlicherweise vor dem Gig meinte: “Eine der unmelodischsten Bands überhaupt.” Sauber! Da hat sich der Herr mal fein in die Nesseln gesetzt – denn irgendwie muss er da was verwechselt haben, erweisen sich die Briten doch heute auch treffsicher, was griffige Hooklines angeht. Ja mei – in all dem Gehaue kann man schon mal den Überblick verlieren.

Heart Of A Coward - Euroblast 2018

Heart Of A Coward

Die vielen Puzzleteile des Euroblast

“Wenn die so spielen wie sie heißen, naja…” mutmaßte die Kollegin noch vor dem Auftritt von TERMINAL FUNCTION. Der beginnenden Überheblichkeit schieben die Schweden locker einen Riegel vor. Schlicht im Namen, vertrackt im Takt, spaßig in den Ansagen – wenn HEART OF A COWARD vorher noch den Geist geschont haben, reißen TERMINAL FUNCTION die Hängematte wieder ein. Schnörkelloser Tech Death donnert durch den Keller. Vielleicht ist es gerade dieses Ambiente, das den sonst gerne mal sehr nüchternen Sound dieses Genres verhindert. Das anspruchsvolle Set erhält damit einen rotzigen Anstrich, der Begriff Tightness mag nicht mehr richtig passen. Aber es sitzt einfach alles da, wo es soll. Die von schwedischem Akzent durchtränkten deutschen Einwürfe und das unkomplizierte Auftreten sorgen außerdem für Sympathiepunkte en masse. Damit stellen TERMINAL FUNCTION eines dieser unverhofften, aber wertvollen Puzzle-Teilchen des Euroblasts dar, die letztlich dessen Flair ausmachen.

Terminal Function - Euroblast 2018

Terminal Function

CRIPPLED BLACK PHOENIX fühlen sich exotisch

“Wir fühlen uns wie Exoten hier!” Unrecht haben CRIPPLED BLACK PHOENIX damit nicht. Umso schöner, dass sich die Gruppe nach zahlreichen Headliner-Tourneen ein Plätzchen auf der Mainstage verdient hat. Und das trotz im Euroblast-Kontext beinahe ketzerischem Hang zu Viervierteltakten. Mit selbigen bringt es die achtköpfige Post-/Prog-/Psych-Gruppe bei 40 Minuten Spielzeit heute allerdings auf kaum mehr als fünf Lieder. Und die hätte man – so muss man offen gestehen – etwas feiner auslesen dürfen. Stumpfe Riff-Rocker wie “No Fun” offenbaren zu Beginn doch recht wenig von der atmosphärischen Durchschlagskraft, für die diese zweifelsohne herausragende Liveband so berüchtigt ist. Der Sound drückt, die Band ist gut drauf – aber dennoch springt der Funke insbesondere bei Kollegin und Kollege Kostudis erst im abschließenden Evergreen “We Forgotten Who We Are” über. Trotzdem oder gerade deshalb empfiehlt Kollege Klug: Bitte die neue Platte “Great Escape” anchecken. Bitte!

Crippled Black Phoenix - Euroblast 2018

Crippled Black Phoenix

Die Kollegen Kostudis beschließen jedenfalls, anschließend das ominöse Ein-Mann-Projekt SCHIERMANN anzuchecken. Soll gut sein, hat irgendwer im Internet gesagt. Wobei: Von wegen Ein-Mann-Dings! Es tummeln sich dann ja doch drei Herrschaften an Gitarre, Bass und Drums auf der kleinen Nebenbühne. Und zumindest optisch kommt der Hauptdarsteller, der US-amerikanische Saitenakrobat Chris Schiermann, schon einmal beeindruckend daher: Der Herr hat entweder gute Gene – oder aber er nutzt die Zeit, in der er gerade nicht über irgendeiner Skala brütet, um ziemlich schweren Gewichte zu bewegen. Sei’s drum: Auf seinem Instrument macht dem Herren jedenfalls keiner was vor. Das, was da aus den Boxen schallt, klingt derweil wie TESSERACT in dreimal so schnell. Was irgendwie gut ist, irgendwie aber auch ein bisschen hektisch und schwer greifbar. Klar, krasse Skills und so. Aber ein richtiger Genuss mag sich beim lauschenden Geschwisterpaar nicht einstellen. Die Konsequenz? Einmal durch die Menge kämpfen, irgendwie ein verwertbares Foto machen – und dann mal Pause machen.

Schiermann - Euroblast 2018

Schiermann

Nicht die siebenhundertste Djent-Truppe

Wobei sich “Pause” einfach sagt. Denn der nächste Programmpunkt wartet ja bereits. Auf der Mainstage sind nun die Headliner SOEN an der Reihe. Was die Kollegen im Vorfeld zu diversen kleinen Albereien veranlasst. “Wer SOEN sein will, muss leiden”, klamaukt Kollege Kostudis daher. Merkt dann aber, dass Witzigkeit eben doch ihre Grenzen hat – also versucht die Belegschaft, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. In diesem Falle: die hochgelobte Allstar-Truppe um Ex-OPETH-Schlagwerker Martin Lopez. Und na ja…wie es eben mit derartigen Bands so ist: Alles ist tight, alles ist blitzsauber, alles ist…irgendwie zu perfekt. Findet jedenfalls Kollege Kostudis, der dem Gig des Fünfers um Frontmann Joel Ekelöf letztlich nur wenig abgewinnen kann. Nicht weil er der Meinung ist, dass SOEN nur ein schnöder TOOL-Aufguss sind, was ja auch der eine oder andere Experte behauptet. Sondern vielmehr, weil der Funke einfach nicht überspringen mag. Das allerdings sehen einige Teile des Publikums gänzlich anders, der eine oder andere Refrain wird in der ersten Reihe sogar aus voller Kehle mitgeschmettert. Und letztendlich ist ja auch das Bestreben der Festival-Macher, die Running Order nicht nur mit der siebenhundertsten Djent-Truppe vollzupacken, ja auch honorierenswert. Aber heute? Nö, heute irgendwie nicht. SOEN gebrüllt, Löwe. Gut, ok, reicht jetzt auch.

Soen - Euroblast 2018

Soen

Weiter geht es im Keller mit einer Band, über die sich bereits im Vorfeld einige Legenden ranken: So sind COPIA insbesondere für jährliche Europa-Reisen berüchtigt, in deren Rahmen sich das australische Quartett vor den Toren großer Metal-Festivals postiert, um – mit einem Ghettoblaster bewaffnet – durstige Musikfreunde mit ihren neuesten Ergüssen zu beglücken. Hierfür jedenfalls kann Kollege Klug mehrere Zeugen heranziehen. Und so entschließt er sich, dieser Form des Guerilla-Marketings zumindest insofern Respekt zu zollen, dass er sich trotz einsetzendem Halbschlaf noch einmal zur nur spärlich gefüllten Nebenbühne begibt. Leider gelingt es COPIA mit ihrem eher mediokren (Prog-)Hardcore trotz grantiger Brachialität und bemühten Jumpparts nicht, ihn aus selbigem zu wecken.

Live-Comeback nach drei Jahren Abstinenz

Ergo müssen sich VILDHJARTA als finaler Wachmacher versuchen. Wie passend, dass die schwedischen Djent-Väter heute ihren ersten Gig seit drei Jahren zelebrieren. Pickepackevoll ist die Essigfabrik also zur späten Stunde. Eine feierwütige Erwartungshaltung liegt in der Luft, die die Schweden mit gewohnt lockerer Unbekümmertheit quittieren. Binnen Sekunden djenten sich VILDHJARTA mit durch und durch stimmiger Licht- und Bühnenshow ins Herz der Euroblast-Family und lassen sämtliche aufkommenden Fragen vergessen. Warum stehen hier nur vier der sechs Bandmitglieder auf der Bühne? Scheißegal. Warum stützt sich die Setlist eigentlich immer noch auf ein bald sieben Jahre altes Debütalbum? Who knows. Wichtig ist: Die Szenelieblinge sind zurück – und feiern beim Euroblast 2018 eine fulminante Rückkehr. Und jetzt ab ins Studio, verdammt noch mal!

Vildhjarta – Euroblast 2018

Vildhjarta

Ein Bericht von Anton Kostudis, Sophia Kostudis und Alex Klug.

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08.10.2018

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