Euroblast 2017
Djent regiert die Welt

Konzertbericht

Billing: Exivious, Dukatalon, Car Bomb, The Interbeing, Twelve Foot Ninja, Lo!, Voyager, Galaxy Space Man, Uneven Structure, The Sleeper, The Algorithm, Textures, Kadinja, The Hirsch Effekt, Make Me A Donut, Sleepmakeswaves und Devin Townsend Project
Konzert vom 29.09.2017 | Essigfabrik, Köln

Sonntag, 1. Oktober 2017

Dank sehr schlechter navigatorischer Fähigkeiten muss Kollegin Kostudis ihrem Kleinstwagen die komplette, aber begrenzte Leistung abverlangen, um noch ein paar Minuten des ersten Sonntagsacts zu erhaschen. Die Chilenen um BENJAMIN LECHUGA wurden erst kurz zuvor als Füller des tba-Slots angekündigt. Und wieder ist der Tagesauftakt gut gewählt: Das Trio lässt sich zwar in technischer Hinsicht nicht lumpen (unter sechs Saiten geht hier gar nichts), behält aber stets genügend Straightness bei, um auch erst wenig aufnahmefähige Gemüter abzuholen.

Merchandise / Euroblast 2017

Zuschlagen! Merchkäufe beim Euroblast.

Und so stellt die Kollegin erst nach einigen Extraminuten der instrumentalen Kellersause fest, dass METASPHERE bereits die Hauptbühne zerlegen. Mit ihrem fiesen Set erfreuen die Lokalmatadore in erster Linie Death-Metal-Fans. Da der Bassposten unbesetzt ist, scheppert’s manchmal etwas, was gerade in den Prügelpassagen ziemlich die Ohren klingeln lässt. Mit dicken Riffs sammeln sie die Hörer aber immer wieder ein und tragen so zum facettenreichen Line-up des Festivals bei.

Catering / Euroblast 2017

Oktoberfest-Stimmung beim Catering.

Danach drängen sich die sechs Mitstreiter von ATLIN auf der kleinen Kellerbühne. Die Bonner hatten ebenfalls eine überschaubar lange Anreise, und wüten modern und munter drauf los. Später schnappt die Kollegin allerdings Meinungen aus dem Publikum auf, die sich auch mit ihrem Eindruck decken: Musikalisch sehr brauchbar, aber die bedeutungsschwangeren Ansagen sind zu viel des Guten und schmälern den Gesamteindruck.

Atmo / Euroblast 2017

Am Eingang: Die glücklichen Besucher des Vorjahres.

Bei GHOST IRIS wird’s dann schon ein bisschen laut.

Eine mittelschwere Koffeinüberdosis erfordert, dass der Auftritt von GHOST IRIS aus der für alle Beteiligten undankbaren Froschperspektive verfolgt wird. Doch auch aus dieser entgeht der Kollegin nicht, dass engagierter Metalcore in progressiver Ausführung immer mehr Menschen vor die Hauptbühne zu spülen scheint. Die Anlage läuft nun auf Hochtouren – wo zu Beginn des Festivals noch problemlos Gespräche möglich waren, wird den Trommelfellen keine Gnade mehr gewährt. Daher schabt das Ganze an der Grenze des Erträglichen, sobald Sänger Jesper die hohen Lagen ergreift. Der guten Stimmung in der Halle tut das keinen Abbruch, die Dänen baden im verdienten Jubel des Publikums.

Ghost Iris beim Euroblast 2017

Ghost Iris

Den genießen wenige Minuten später auch die blutjungen A KEW’S TAG, die sich mit ihrem „Acoustic Guitar Driven Progressive Rock“ dem Grundtenor angenehm entgegenstellen. Mit lecker Delay auf der Westernklampfe und einer gewissen AGENT FRESCO-Unschuld im Gesang mutet das durchaus gefällig an, wie Kollege Klug aus den letzten Minuten des Sets schließt.

A Kew's Tag beim Euroblast 2017

A Kew’s Tag

Wiedersehen mit Ex-TesseracT-Sänger.

Oben gibt’s dann ein Wiedersehen mit Ashe O’Hara. Nach seinem kurzen Intermezzo bei TESSERACT widmet sich die Grinsebacke wieder gänzlich seiner Ursprungsband VOICES FROM THE FUSELAGE. Gut so, gehen seine durch und durch poppigen Gesangslinien doch hier wesentlich besser auf als bei den Djent-Monolithen aus Milton Keynes. Die wirklich proggigen Rhythmusmomente rutschen weit in den Hintergrund, das Gesamtpaket erscheint aber stimmig – bleibt aber zugleich weit hinter wahren Pop-Prog-Metal-Größen wie LEPROUS oder den oben genannten AGENT FRESCO zurück.

Voices From The Fuselage beim Euroblast 2017

Voices From The Fuselage

Da heimsen SECOND HORIZON ein paar mehr Punkte ein. Mit einem butterweichen Sound begeistern die Kölner das Publikum. Instrumental, ungeordnet, dissonant, aber stets packend und atmosphärisch flutet fluffiger Spielspaß das Untergeschoss. Ohren auf, Augen zu, kurz: Ein Höhepunkt.

Kollege Klug erliegt dann am dritten Festivaltag seiner üblichen Djentcore-Überdosierung, worunter eigentlich auch KADINJA fallen sollten. Dennoch gilt: Die engsten Jeans haben die dicksten Eier. Oder so ähnlich. Jedenfalls stimmt hier alles. Das auf Platte noch kaum überdurchschnittlich wirkende Material von „Ascendancy“, der druckvolle Euroblast-Sound, die beschwipste, aber noch nicht gänzlich über den Durst gestiegene Stimmung des Publikums. „Die waren aber ganz schön geil“, spricht Kollege Kostudis. Wir sind jetzt jedenfalls wach, dankeschön.

Kadinja beim Euroblast 2017

Kadinja

Krasse Leistung mit wenig Abwechslung.

Die sich selbst als „Fusion Metal“ titulierenden Brutaloriffer NAMELESS DAY RITUAL setzen da eher auf fette Dissonanzen und so manchen Bassdrop. Getragen wird die Musik von Powerfrau Asya Katrandzhieva, die mit ihren schneidend hohen Melodien einen krassen Kontrast zu den Pigsqueals aus den Reihen ihrer Kollegen schafft. Leider kippt die Musik auch aus genau diesem Grund nach wenigen Tracks in die Eintönigkeit. Schade drum.

Nameless Day Ritual beim Euroblast 2017

Nameless Day Ritual

Mag die Halle bei TEXTURES und TWELVE FOOT NINJA an den Vortagen noch nicht aus allen Nähten geplatzt sein, so scheinen heute doch eine ganze Handvoll Tagestickets im Umlauf zu sein. Angesichts des abwechslungsreichen Hochkaräter-Triplets aus THE HIRSCH EFFEKT, SLEEPMAKESWAVES und des DEVIN TOWNSEND PROJECTs kann Kollege Klug diesen Enthusiasmus nur teilen. Und nachdem die Anwesenden bei der vorangegangenen Autogrammstunde mit den Erstgenannten am Long-Branch-Records-Stand schon mal auf Tuchfühlung gehen konnten, möchte zunächst scheinbar ausnahmslos jeder Anwesende einen Blick auf die anmutig angaloppierenden Hirsche werfen.

The Hirsch Effekt beim Euroblast 2017

The Hirsch Effekt

The Hirsch Effekt mit zu erwartendem Siegeszug.

Mit „Fixum“ und „Agnosie“ starten THE HIRSCH EFFEKT zunächst einmal ohne jeden Direktbezug zur aktuellen Platte „Eskapist“, die den Irgendwie-immer-noch-Undergroundlern immerhin einen Achtungserfolg in den Albumcharts verschaffen konnte. Scheißegal, möchte man meinen, kredenzt einem das Ausnahme-Instrumentalisten-Trio doch ein von der Lightshow bis zur Choreografie durchperfektioniertes Indie-Math-Pop-Punk-Elektro-Metal-Set, das nach 40 Minuten in der eigentlich doch so festivaluntypischen Synth-Rock-Hymne „Inukshuk“ endet. Heute zwar mit etwas weniger Stuntexperimenten (die hier vor zwei Jahren einer Gitarre fast das Leben kostete), dafür musikalisch aber ganz, ganz weit vorne. Lyrisch natürlich ebenso, wie ganze Horden mitsingender Hirsch-Jünger vor der Bühne bezeugen.

The Hirsch Effekt beim Euroblast 2017

The Hirsch Effekt

The Hirsch Effekt beim Euroblast 2017

The Hirsch Effekt

Eine herrliche Auflockerung dann wenig später auf der Hauptbühne. EVANESCENCE-Gitarristin Jen Majura trägt die zu verlosende Ibanez-Gitarre im speziellen Euroblast-Design auf die Bühne, woraufhin Festivalkopf John Giulio Sprich die entsprechende Losnummer zieht. „Oh mein fucking Gott“, hallt es da aus den Zuschauerreihen und ein überglücklicher Festivalbesucher erheitert mit seinen Freudenschreien die versammelte Euroblast-Family. Und auch diese heimst anschließend ihren wohlverdienten Applaus ein. Der Respekt vor den durch und durch ehrenamtlich arbeitenden Organisatoren ist groß – die Dankbarkeit noch größer.

From Sydney To Cologne.

SLEEPMAKESWAVES stöpseln ihre Amps erstmalig in der Essigfabrik ein – und besetzen gleich einmal den Co-Headliner-Platz. Die elf vergangenen Jahre seit Bandgründung sind eine Erfolgsgeschichte für sich: Mit ihrem Debütalbum im Jahr 2011 setzte sich das Quartett an die Spitze der australischen Post-Rock-Szene, mit „Made Of Breath Only“ greifen sie nun auch den globalen Instrumental-Olymp an. Dass die Gruppe um Bassmann Alex Wilson dabei die anfänglichen getragenen THIS WILL DESTROY YOU-Ausflüge zunehmend durch rhythmisch versierte Highspeed-Melodien ersetzt, kommt ihnen beim Euroblast natürlich nur zugute. Gute Laune ist dabei das Stichwort, SLEEPMAKESWAVES zelebrieren keine prätentiöse Nachdenklichkeit, animieren vielmehr zum Mitspringen, Auspowern und Fallenlassen – so auch im angenehm mainstreamigen ROBERT MILES-Cover „Children“. „We love your country, we love your passion, we love all of you!“ Danke, und zurück.

sleepmakeswaves beim Euroblast 2017

sleepmakeswaves

Kinder, das war jetzt aber fast schon ein bisschen zu viel der guten Laune. MAKE ME A DONUT wissen Abhilfe. So funky der Name, so deftig die Mucke. Djent am Arsch, die Schweizer spielen die vielleicht progressivste Form von Deathcore-Breakdowns, die Kollege Klug je bezeugen durfte. Statt nachdenklichem Gewimmere im Gesang bewahrt sich der Fünfer als einer der wenigen Kapellen eine Old-School-Hardcore-Schlagseite rotzigster Art. Ganz großer Underground-Shit, der angesichts der ungeduldig auf den Festival-Headliner wartenden Meute eine Etage weiter oben leider nicht das volle, verdiente Maß an Aufmerksamkeit einheimst.

Make Me A Donut beim Euroblast 2017

Make Me A Donut

Devin Townsend wird dem Headliner-Status gerecht.

Diese erhält natürlich das erstmals gastierende DEVIN TOWNSEND PROJECT, dessen Backline schon seit heute Morgen die hintere Bühnenhälfte schmückt. Nach gewohnt spitzfindiger Eröffnungsmoderation weiß man dann auch schnell wieder, dass der Mann seinen Sonderstatus zurecht einfordert. Eine undurchdringliche Wand aus Brachialität erschlägt die Anwesenden, die Dynamik der Gitarrensounds und das Röhren der Keyboard-Chöre erstrahlen in absolut unvergleichlichen Klangfarben. Das ist ein bisschen geil, aber auch ein bisschen sehr laut. Dementsprechend schwerfällig kämpft sich Townsends Stimme zunächst ans Licht, erfüllt die Essigfabrik aber spätestens zum hymnischen „Deadhead“ in vollem Umfang.

Devin Townsend beim Euroblast 2017

Devin Townsend

Mögen die hinteren Reihen noch etwas verhalten auf die an diesem Wochenende eher dünn gesäten hohen Clean-Vocals reagieren, so holt Devins hyperaktiv angehauchter Humor dann aber noch so gut wie jeden ab. Und diese Sympathie ist durch und durch aufrichtig, kommt der Hobby-Exzentriker angesichts der vom Publikum seit Tagen verfolgten „Woo!“-Rufe doch selbst kaum aus dem Grinsen raus. Wenn die internationale Prog-Größe dieses dann bereitwillig in seine eigenen Songs einbaut und Minuten nach Gigende noch eifrig Hände in den ersten Reihen schüttelt, wird wieder einmal klar: Stargehabe und Schubladendenken haben beim familiärsten Festival der Domstadt rein gar nichts zu suchen. Denn beim Euroblast geht es um die Liebe.

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03.10.2017

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