Euroblast 2017
Djent regiert die Welt
Konzertbericht
Samstag, 30. September 2017
Den Eröffnungsslot eines Festivals zu bespielen, ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist naturgemäß einfach noch nicht viel los. Andererseits kannst du dir als Band relativ sicher sein, dass die Menschen, die es zu früher Stunde vor die Bühne geschafft haben, dir auch ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Und so hämmern ATLANTIS CHRONICLES ihre frickelige Tech-Death-Kost dann auch vor eher spärlich versammelter Zuschauerschar von der Hauptbühne. Paradox, dass die Kollegen den Gig verpassen, weil sie einige Kilometer weiter mit zittrigen Fingern und verschlafenen Augen ihrer Chronistenpflicht nachkommen. Schließlich schlagen Kostudis & Co. dann doch auf dem Gelände auf. Vor Ort lassen sich die Kollegen schließlich ins Bild setzen. Das Fazit der Augenzeugen lautet jeweils: „Da habt ihr wirklich was verpasst.“ – „Ja, wissen wir. Verdammt ärgerlich.“ Aber nun nicht mehr zu ändern.
Vielversprechendes aus Österreich.
Praktisch, dass im Keller mit CALL THE MOTHERSHIP eine Truppe wütet, die den Kollegen Unmut und nachhängende Müdigkeit aus dem Körper fegen. Mit abgrundtief gestimmten Klampfen und wild krakeelendem Gesangsduo rütteln die Österreicher ordentlich an den dicken Kellerwänden, es hämmert, kracht und sägt, dass es eine wahre Freude ist. Mit einem dicken Grinsen im Gesicht und energisch kopfnickend verfolgt Kollege Kostudis das wilde Treiben bis zum allerletzten Ton – und dann ist sie plötzlich auch schon wieder vorbei, die deftige Djent-Sause. Was für ein Start in den Tag. „Das kann ja heute nur gut werden“, denkt sich Herr Kostudis – und schlurft vor die Hauptbühne.
Dort versetzen die Australier HEMINA das Publikum gerade mit ihrem filigranen Oldschool-Prog ein paar Jahrzehnte zurück – und sorgen so für einen angenehmen Kontrastpunkt im Programm. Die harmonisch anspruchsvollen Songs werden hier und da mit dreistimmigen Gesängen angereichert, zudem servieren die beiden Saitenmänner Douglas Skene und Mitch Coull immer wieder gefühlvoll und versiert intonierte Solo-Einlagen. „Ziemlich gut“, bilanzieren die Kollegen.
Für Hobby-Gitarristen wahrhaft entmutigend.
Etwas weniger gut kommt anschließend die Performance der US-Amerikaner CIRCUIT OF SUNS bei der Kollegschaft an. Was allerdings nicht an den technischen Fertigkeiten der Hau-drauf-Truppe aus New York liegt – denn diese sind schlichtweg atemberaubend. Klampfer Mike Darin sichert sich so mit großem Vorsprung den Preis für die abgefahrenste Gitarren-Performance des Tages – Kollege Kostudis kommt jedenfalls arg ins Zweifeln, ob es sich für ihn überhaupt lohnt, die Gitarre zu Hause jemals wieder in die Hand zu nehmen. Fronter Mo Kofuma berserkert derweil über die Bühne und schreit alles und jeden nieder. Nur: So richtig stimmig ist das Ganze nach Ansicht der Kollegen eben nicht. Schnell, krass, laut. Aber das war es dann auch irgendwie. Die Konsequenz: ein Spaziergang zu den Fressbuden.
Die Belgier BEAR sind in Euroblast-Kreisen ja keine Unbekannten mehr, diesmal darf der Vierer auf der Hauptbühne ran. Vor eben dieser tummeln sich bereits zahlreiche Schau- und Hörlustige, die den Gig des Quartetts dann auch energisch abfeiern. Insbesondere der hünenhafte Drummer Serch Carriere ist eine absolute Erscheinung: Mit roher Urgewalt bearbeitet der Mann sein Drumkit, das am Ende des Gigs von den Musikern dann auch über den Haufen getreten wird. Und auch musikalisch sind BEAR auf Zerstörung aus – Verschnaufpausen? Fehlanzeige. Es drischt, kracht und hämmert. Und das ist auch gut so, wie die Kollegen finden. Angenehme Begleiterscheinung: Am Ende ist dann auch der allerletzte Kater aus den Gliedern gewichen.
FRONTIERER können das vorgelegte Niveau anschließend nicht ganz halten. Die Amis sind zwar nicht weniger brutal und versiert, allerdings wirken die Songs des Fünfers auf Kollege Kostudis ein wenig seelenlos und zerstückelt. Viele im Publikum sehen das jedoch etwas anders und zucken fröhlich und beseelt zur djentigen Krach-Mixtur. Klarer Fall von: „Nun ja, is‘ Geschmackssache.“
Man darf gerne mal aus dem Rahmen fallen.
DEITY’S MUSE sind das ohne Frage auch. Auf der Kellerbühne liefert der Vierer aus Südafrika eine eher rockige Spielart der Gitarrenmusik. Das fällt irgendwie aus dem Rahmen, scheint aber niemanden weiter zu stören. Straight und mit ordentlich Schub hievt die Truppe ihre Songs von der Bühne. Die Quittung: entspanntes, munteres Kopfnicken. Durchaus solide.
Auf der Hauptbühne bereiten sich derweil die Niederländer EXIVIOUS auf ihren Gig vor. Dieser versprach bereits im Vorfeld, ein besonderer zu werden. Denn das Quartett befindet sich auf Abschiedstour. Vor fünf Jahren ging der Stern der Truppe erstmals in Köln auf – nun soll er sich an selber Stätte auch wieder senken. Zuvor allerdings gibt es noch eine 40-minütige Lehrstunde in Sachen Jazz-Metal. Und Kollege Kostudis findet es ziemlich atemberaubend, wie akzentuiert und punktgenau die Mannen um Tymon Kruidenier agieren. Klar, stilistisch und konzeptionell bedingt sind die Niederländer eine der wenigen Bands, bei denen der Bass mal richtig zu hören ist. Andererseits: So wie Robin Zielhorst muss man den Tieftöner eben auch erst einmal spielen können. Wie heißt es von der Bühne: „Thanks for coming, even though we’re softies here.“ Na denn: Chapeau. Wir sagen danke, EXIVIOUS.
Die Abwechslung macht’s.
Nach dieser mental fordernden wie erbaulichen Musikeinheit kommt das doch überschaubar komplexe, aber umso wuchtigere Gehaue von DUKATALON. Sludge kommt im Keller ohnehin gut, und wer im Jahre 2017 noch auf seine mySpace-Seite verweist, hat bei Kollege Klug ohnehin einen Stein im Brett. Doch insbesondere für ihre Musik schlägt den Israelis heute merklich Begeisterung entgegen. An dieser Stelle sei der Euroblast-Crew ein Händchen fürs Line-up sowieso, aber auch für den gelungenen Ablaufplan attestiert. Die Abwechslung macht’s.
Mit Schmackes geht es auf der Hauptbühne weiter. CAR BOMB bringen mit hartem Tech-Prog-Hardcore das Publikum in Bewegung. Da man einen ansatzweise melodiösen Faden vergeblich sucht, ist das Verfolgen des Sets vonseiten der kritischen Kollegen mit einiger kognitiver Anstrengung verbunden. Die Amis liefern zwar eine beeindruckende Show, für die sie entsprechend gefeiert werden, aber fürs Herz ist das leider nichts.
Zahlreiche Höhepunkte – auch auf der Side-Stage.
Eher schon das, was THE INTERBEING im Keller veranstalten. Schwer, fett, technisch und mit einem Schuss Industrial-Atmosphäre geht der Fünfer aus Kopenhagen zu Werke. Statt MINISTRY-Dauergebolze gibt’s aber jede Menge Groove mit einigen pointierten Core-Refrains dazwischen – das gefällt den meisten in der Menge. Gereckte Fäuste, dankbares Gebrüll, tosender Applaus. Definitiv ein Höhepunkt.
Allerdings: Das vermeintliche Tages-Highlight steht noch aus. In freudiger Erwartung und mit flüssiger Marschverpflegung ausgestattet postieren sich die Kollegen zentral vor der Bühne, auf welcher gerade das stattliche Banner der Australier TWELVE FOOT NINJA aufgezogen wird. Mehr oder weniger jeder weiß, was jetzt passieren wird, oder besser: passieren soll. Entsprechend voll ist es in der Essigfabrik. Und in der Luft liegt jetzt endlich dieses magische Euroblast-Flair, diese wohlige, freudige Spannung.
Ebendiese entleert sich dann mit einem großen Knall, als Kin Etik und Kollegen ihr Set beginnen. Eine Stunde komplettes Ausrasten, Menschen, die mit vollem Körpereinsatz hin- und herschleudern, Grölen, Tanzen, Springen allerorten. Es ist die rauschende Djent-Genreclashing-Party, die sich alle erhofft haben – und die alle, Fans und Macher, auch gebraucht haben. Mit immer mal wieder dezent spürbaren Einflüssen aus Reggae, Funk und Jonathan-Davis-Vocals wird das Set gnadenlos abgefeiert, wenngleich Fronter Etik zu Beginn des Sets stimmlich ein wenig schwächelt. Was aber kein Problem ist, wenn man auf ein Publikum zurückgreifen kann, das so textsicher ist wie das heutige. Mit „One Hand Killing“ setzt die Band schließlich noch das letzte dicke Ausrufezeichen hinter ihren Gig. Bäm. Einfach bäm.
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