Euroblast 2016
Prog-Meeting in Köln
Konzertbericht
Samstag, 1. Oktober
Nachdem Herr Klug alle Kollegen aus dem Bett und anschließend auf dem Gelände zusammengetrommelt hat, kann der zweite Festivaltag beginnen. Ein kurzer Blick auf die Running Order, die nach der kurzfristigen Absage der Briten HEART OF A COWARD abermals ein wenig durcheinandergewürfelt wurde – und ab vor die Bühne. Dort beenden gerade die Niederländer HIBAKUSHA ihr Set und versuchen, den Anwesenden den restlichen Schlaf aus den Gliedern zu treiben. Das gelingt im Falle der Kollegen zunächst nur bedingt, was allerdings weniger an der Band, sondern an den Kollegen liegt, die noch etwas schlaftrunken hin und her schwanken. Der Grund: Am Vorabend hatten sich auf der Afterparty die Schweden PORT NOIR – gewollt oder ungewollt – satte 50 Minuten Zeit gelassen, bis sie ihr Set begannen. Pflichtbewusst harrten die Kollegen aus, sahen dann eine ob der Wartezeit eher unspektakuläre Show – und sind am heutigen Morgen nun etwas vertrant.
Keine Zeit zum Schlummern
Im Anschluss gibt es dann jedoch die Chance, zu entspannteren Klängen in den Tag zu gleiten, denn die Texaner OCEANS OF SLUMBER haben sich auf der Main Stage aufgestellt. Deren zähe, theatralische Songwalzen funktionieren zu früher Stunde bereits ausgesprochen gut: Die Halle ist in tiefrotes Dämmerlicht getaucht, schwer wühlen sich die Riffs aus den Boxen, während Fronterin Cammie Gilbert am Mikrofon leidet, faucht und schmachtet. Und auch wenn in Fankreisen die Songauswahl des Fünfers dezent bemängelt wird, liefern die US-Amerikaner letztlich einen überzeugenden und stimmungsvollen Auftakt.
A DARK ORBIT demontieren das Kellergeschoss
Anschließend nehmen die Kollegen eine kleine Mittagsmahlzeit ein, die Italiener INVIVO werden daher nur aus der Ferne verfolgt. Ohnehin hat sich die Truppe aber einen anderen Termin dick im Büchlein angestrichen: A DARK ORBIT, die sich nun daran machen, das Kellergeschoss zu demontieren. Die fünf Amis knüppeln – mit dicken Achtsaitern bewaffnet – unbarmherzig und brachial von der Bühne, es wühlt und drischt, und vor der Bühne bildet sich alsbald ein Knäuel aus zuckenden, wippenden Leibern. Was eine derbe Angelegenheit – und längst ist auch das letzte bisschen Talg der Vornacht aus den Gehörgängen geräumt. Sehr, sehr stark!
Schön zu sehen auch, dass sich die allgemeine Progressivität in so ziemlich allen extremen Metal-Subgenres breit macht. Entsprechend sind die nicht zu unwesentlichen Teilen vom Black Metal beeinflussten NE OBLIVISCARIS in Köln mehr als gern gesehene Gäste. Auch ohne 8-Saiter-Gedjente und trotz reichlich Schwarzgeknüppel spielen die Australier hier heute keinesfalls die zweite Geige – außer ihnen hat nämlich eh keiner eine dabei. Mit ihren überlangen Kompositionen vereint das Sextett komplexe Griffbrettarbeit, nordische Kälte und folkige Violinen-Einschübe – und ebnet so wohl manchem Euroblastler den Weg in ein ganz eigenes Genre.
Neuer Sänger, alte Intensität
Danach wird es etwas filigraner, aber nicht minder großartig: Die indisch-US-amerikanischen SKYHARBOR betreten die Hauptbühne, und durch stimmungsvoll tänzelnde Lichtkegel bahnt sich der erste Backing-Track den Weg an die Oberfläche. Dann legen Keshav Dhar und Kollegen los, und bieten im Anschluss sowohl vertrackt-ruppige, als auch verträumt-schwelgerische Klangkost, die von vielen Anwesenden im Publikum völlig zu Recht abgefeiert wird. Neu-Fronter Eric Emery ist zwar nicht der stimmgewaltigste Sänger auf dem Planeten, das muss er aber auch gar nicht sein – denn der neue Anführer der Truppe setzt seine Stimme zu weiten Teilen als zusätzliches Instrument ein, nutzt verschiedenste Gesangseffekte, summt und flankiert die Gitarrenmelodien – und sorgt auf diese Weise für viel Atmosphäre. Am Ende sind sich dann die meisten einig: Das war eine runde Nummer.
VOLA sind erwachsen geworden
Danach betreten VOLA die Bühne. Galten die Dänen im vergangenen Jahr noch als Geheimtipp, sind sie mittlerweile den meisten Besuchern ein Begriff. Die Setlist bietet derweil kaum Überraschungen, nach wie vor werden Songs des einzigen und aktuellen Albums „Inmazes“ gespielt. Die Schüchternheit aus dem Vorjahr ist bei der Band verschwunden, mit breiter Brust und dickem Sound spielt das Quartett einen starken Gig. Die Folge: Jubelstürme in der Halle und allgemeine Zufriedenheit. Bei den US-Amerikanern BLACK CROWN INITIATE gönnen sich die Kollegen anschließend ein weiteres Päuschen, der Lärmpegel vor der Halle legt aber den Schluss nahe, dass es drinnen ausgesprochen wüst und – vor allem – überzeugend zugeht.
Überzeugend und vor allem mutig ist auch die Verpflichtung ENSLAVEDs für die diesjährige Festivalausgabe. Mit der Einladung der norwegischen Black Metal-Veteranen halten die Veranstalter an ihrer erfreulichen Über-den-Tellerand-Politik fest. Die Band um Vordenker Ivar Bjørnson versprach im Vorfeld ein „proglastigeres“ Set, startet nun vielversprechend mit dem dynamischen „Roots Of The Mountain“ – und massiven Soundproblemen. Dank der Überlange von neun Minuten verkommt – Blast sei Dank – dann aber nur die halbe Komposition zum Real-Time-Soundcheck. Kurz darauf ist aber alles wieder in Butter. Dem Gelingen des großen Experiments steht fortan nichts mehr im Wege.
Das Ende vom Lied: Publikum happy, ENSLAVED mit enormer Spielfreude. Alles geglückt. Rappelvoll ist die Bude zur frühen Abendstunde vielleicht nicht, dafür schütteln insbesondere die vorderen Reihen alles, was sie haben. Egal ob Undercut-Zopf oder getunnelte 9-Millimeter-Ohrläppchen: Das Euroblast-Publikum kann auch headbangen. Oder zumindest Genrefremdes tolerieren.
Totalabriss zu viert
Fehlt noch? Genau – der letzte Headliner des Tages. Und mit VEIL OF MAYA hätte die Wahl nicht besser getroffen werden können. Die Band um Fronter Lukas Magyar haut ein dermaßen starkes Set auf die Bretter, dass kaum noch irgendwer stillstehen kann. Circle Pit, ohrenbetäubender Jubel, Partystimmung, wohin man auch blickt. Die Band tut es der ausgelassen feiernden Menge derweil auf der Bühne gleich, transportiert eine unglaubliche Spielfreude und Energie. Zu viert diese Bühne so zu vereinnahmen, das ist in den vergangenen Jahren wahrlich nicht jeder Band gelungen. Die Team-Kollegen und ein nicht mehr ganz nüchterner junger Herr mit BAP-Shirt und Jack Daniels-Turnbeutel sind sich einig: Daumen hoch und danke für diese Show!
Text: Anton Kostudis & Alex Klug
Fotos: Anton Kostudis | AKOS Livemomente
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