Enter Shikari und Hacktivist
live im Substage Karlsruhe
Konzertbericht
Einkaufswagen, Thekenterroristen, Blitze, Schweiß und Chöre! ENTER SHIKARI reißen mal nebenbei das Substage in Karlsruhe ab und bescheren einer Menge Fans den perfekten Einstieg in das Wochenende. Nach dem fuluminanten Auftritt auf dem Rock’n’Heim Festival 2013 war klar, dass die Engländer hier in der Region noch einige neue Anhänger überzeugt haben dürften. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass das Substage bezüglich des Konzertes „ausverkauft“ melden durfte.
Es regnete mal wieder, was aber keinen der Zuständigen dazu veranlasste den Einlass früher zu starten. Und so standen die Fans brav und artig im prasselnden Regen und bildeten die längste Schlange, die ich vorm Substage je gesehen habe. Der Einlass ging dann zügig, kaum Zeit um das Merchandise zu begutachten, denn schon begannen HACKTIVIST zu spielen. Die Band hatte bereits auf Rock Am Ring begeistert, schien sich aber heute für eine „mystisch-dunkle“ Show entschieden zu haben. Es gab ordentlich Strobo auf die Augen, aber sonst wenig Licht um die zappeligen Bewegungen zu erhaschen. HACKTIVIST hatten es leicht mit dem Publikum, viele waren schon textsicher und der Rest nahm den basslastigen, vertrackten Mix aus Metal, Rap und Core dankbar auf. Überall hüpfende und groovende Leute, so muss ein Konzert starten. Auch wenn HACKTIVIST vielversprechend sind, so fehlt für meinen Geschmack noch die ein oder andere zwingende Hitmelodie. Es gab auch einige neue Stücke zu hören, die sich aber allesamt vom üblichen Schema relativ wenig unterschieden, was man live aber auch nicht so gut beurteilen kann. Mit den bereits bekannten Stücken „Elevate“ und „Unlike Us“ geht es soundmäßig schon deutlich in die richtige Richtung. Die beiden Groovemonster gehen live richtig ab und bieten gute Inhalte „A middle finger for liars that won’t learn“. Beeindruckend ist der Bassist, der tatsächlich mit seinem Instrument komplett verschmilzt und den Bass zupft wie ein sehr erfahrener Musiker. Die beiden Rapper animierten ebenfalls, als ob sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht hätten. Die Karlsruher Menge gehorchte brav auf „get the fuck up“ und „bounce motherfucker“, man weiß ja nie was sonst passiert. HACKTIVIST haben sicherlich einige aufhorchen lassen und wenn die Truppe nun endlich eine Platte bringt, dann geht es bestimmt bergauf.
Nach dem Auftritt der Vorband folgte eine Pause. Eine lange Pause. Sogar eine sehr lange Pause, denn ENTER SHIKARI kamen und kamen nicht. Eigentlich hatten fast zehn Roadies zügig alles weggeräumt, doch schlichen dann noch zwei, drei Schnarchnasen über die Stage, die hier und dort irgendwas im Schneckentempo festklebten. Allerdings befürchte ich, dass es nicht an der Crew sondern an der Band lag. Irgendwann schaute Bassist Chris mit groß aufgerissenen Augen hinter dem Vorhang in die Menge. Würde mich nicht wundern, wenn die Engländer sich auf der nebenan stattfindenden Kirmes verbummelt und dort für Aufregung gesorgt hätten. Die enorme Verspätung war vergessen, sobald ENTER SHIKARI mit „System…“ und „…Meltdown“ die Bühne stürmten. Nach weniger als dreißig Sekunden hing Rou schon mitten im Publikum und ich würde mal sagen, das ist neuer Rekord. Es ist immer wieder beeindruckend, wie die Fans die Lyrics mitbrüllen können. Gleichzeitig ist es auch sehr befriedigend, denn das nährt die Hoffnung, dass neben dem Spaß auch der Sinn und die Message der Engländer ankommt.
Galerie mit 16 Bildern: Enter Shikari - Enter Shikari, Karlsruhe Substage 08.11.2013
Wer also angezogen von dem verrückten Rock’n’Heim-Auftritt zum Konzert gekommen war, der dürfte befriedigt gewesen sein. ENTER SHIKARI klatschen uns einen Knaller nach dem anderen vor die Nase und im Karlsruher Substage wurde eine Party gefeiert, die seinesgleichen sucht. Selten habe ich die Ordner so schuften sehen und es sah aus, als ob jeder aus dem Publikum mindestens einmal nach vorne gereicht werden musste. Ein kleiner Höhepunkt ist immer „Gandhi Mate, Gandhi“, diesmal gab es keine großen Mülltonnen, sondern kleine Bierfässer. Um natürlich nicht showmäßig abzustinken und den hinteren Reihen auch etwas zu bieten, stieg der verdrehte Rou auf die Theke des Substage. So hatte auch das Thekenpersonal eine kleine Abwechslung, denn nachdem das Trommeln zu langweilig wurde, nutzte der Sänger nämlich die komplette Theke aus. Abklatschen mit Fans, bösartig ins Gesicht brüllen und mindestens 3 Mal an der herunterhängenden Lampe den Kopf anhauen, so geht Show bei ENTER SHIKARI. (Ich glaube mit Ritalin merkt man die Schmerzen gar nicht so dolle…). Erwähnenswert ist auch die tolle Lightshow, die ENTER SHIKARI im Gepäck haben. Es blitzt und leuchtet in allen Farben und das gibt der Musik noch den letzten Schliff. Allerdings weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die Lightshow auch böse in die Hose gehen kann, wenn man die falsche Location wählt und dann den falschen Platz erwischt.
„The Paddington Frisk“ eignete sich dann wunderbar zum Circle Pit starten. Noch bevor die ersten Klänge ertönten, drängte sich jemand von hinten an mich ran. „Excuse me…“, es war der Sänger Rou, der den grinsenden Chris in einen riesigen Einkaufswagen gestopft hatte. Unter lautem Johlen fuhren die beiden direkt in die Menge und heizten diese zu einem Circle Pit direkt um den Einkaufswagen an. Die Freude war groß und die Show erlebte einen erneuten Höhepunkt. Was für ein Bild, als erst Chris aus der Menge auftauchte und nach vorne gereicht wurde, dann Rou und dann der riesige Einkaufswagen. Crank aber lustig! Richtige Verletzte sah ich diesmal nicht, dafür lagen einige Schuhe im Fotograben und dann auch auf der Bühne. Rou wunderte sich über die „SitSHOEation“ und die Engländer fingen an, darüber zu witzeln. ENTER SHOEKARI machten den Besitzer des Treters aus und gab ihm den Schlappen zurück. Mit nur einem Schuh nach Hause gehen müssen, wäre auch echt ärgerlich gewesen, dafür versprachen uns die Engländer noch eine SHOEgabe. Neben all der Party und all dem Käse, denn die vier Irren immer veranstalten, sind sie aber auch noch sehr freundlich, fahnah und engagiert. Im Fotograben war ein Rollstuhlfahrer geparkt, der dann mal eben die Gitarre übernehmen durfte und anscheinend froh war, dass man diese kaum hörte. Aufgefallen wäre es dem wuselnden Haufen wahrscheinlich nicht, überall feierndes, tanzendes, hüpfendes und fäusteballendes, begeistertes Publikum. Sicherlich wird von diesem Abend niemand enttäuscht gewesen sein. ENTER SHIKARI hatten sich entsprechend verausgabt und Gitarrist Rory machten vor den Zugaben noch eine kleine Pause im hinter der Bühne geparkten Einkaufswagen. Enorm ist auch das Equipment, das die Engländer am Start haben. Dies kam bei „Solidarity“ in Form einer bunt leuchtenden, seltsam klingenden Kugel zum Einsatz, der Rou durch Drücken elektrische Klänge entlockte und welche man wohl auch ähnlich eines Theremins bedienen kann. Vorher zeigten sich die Briten traditionell und schon fast jazzig, im neuen Song „Rat Race“ kommt eine Trompete zum Einsatz, welche Rou einwandfrei beherrschte.
Musikalisch gab es einige kleine Höhepunkte, aber eigentlich wurde alles durchgehend mitgebrüllt und die Stimmung war von Anfang bis Ende am Kochen. „Juggernauts“ ist immer etwas lauter und ich persönlich freute mich über den älteren Song „Solidarity“. Wer gerne schwitzt und feiert bis zum Anschlag, der ist bei ENTER SHIKARI goldrichtig. Kleines Minus ist, dass die Verrückten soviel abreißen, dass man manchmal ganz kurz mehr auf die Show achtet, als auf die Songs. Aber das als Nachteil zu werten ist echt schon unverschämt, also nur am Rande. Selbst ausgerottet hat sich anscheinend das Ritual ein aus vier Fingern geformtes Dreieck zu zeigen, zumindest habe ich es nicht gesehen. Ein Lob wieder an das Substage, der Club ist einfach perfekt. Tolle Organisation, gute Sicht, guter Sound und von der Tür, bis zu den Ordnern über das Thekenpersonal immer ausnahmslos freundliche, kompetente Leute. ENTER SHIKARI legen von Auftritt zu Auftritt einen drauf und ich frage mich, ob und wann deren Performance nachlässt. Solange genieße ich und bin immer wieder dabei, wenn es heißt „Heute Chaos á la ENTER SHIKARI!“.
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