Dymytry
Jubiläumskonzert
Konzertbericht
Ein Drumsolo und eine Legende
Der Großteil der Band verabschiedet sich dann kurzerhand von der Bühne und alle Augen sind auf das Drumkit von Miloš Meier gerichtet. Meier gilt als einer der besten Schlagzeuger des Landes und stellt das auch eindrucksvoll unter Beweis. Mit einem über achtminütigen Schlagzeugsolo der Extraklasse lässt er bei so ziemlich jedem in der Halle die Kinnlade runterklappen. Meier kann mühelos mit den Großen der internationalen Szene mithalten.
Nach einer kleinen Verschnaufpause geht es mit der nächsten großen Überraschung für die lokalen Fans weiter, denn die Musiker von ARAKAIN werden angekündigt. Die Band wurde 1982 gegründet und zählt zu den einflussreichsten und wichtigsten des Landes. Die Bands haben eine tiefe Verbundenheit zueinander und die Songs „Jedna Krev“ und „Žít Svůj Sen“ aufgenommen. Sie gingen schon mehrmals zusammen auf Tour, weshalb es sich wie ein Familientreffen anfühlt. Ihre Verbundenheit kommt auch nicht von ungefähr – ARAKAIN-Gitarrist Jiří Urban ist der Vater von DYMYTRY-„Saitenhäcksler“ Jiří Urban Jr. Das Publikum ist dementsprechend außer sich vor Freude. Beide Songs werden hintereinander gespielt und es sieht schon eindrucksvoll aus, wenn 10 Musiker aus 40 Jahren Metal-Historie auf einer Bühne zusammen performen.
Noch mehr Legenden
Man kann sich vorstellen, was für einen großen Eindruck es auf die tschechischen Zuschauer machen muss. Auf Deutschland projiziert wäre es in etwa so, als würden POWERWOLF mit ACCEPT gemeinsam auftreten. Die Legenden von ARAKAIN verabschieden sich danach unter tosendem Applaus und eine osteuropäisch klingende Melodie ertönt aus den Lautsprechern. Alle wissen, was nun kommt: „Chernobyl“ – die große Hymne von DYMYTRY über die schwerwiegende Katastrophe des ukrainischen Atomreaktors. Wieder einmal wird der gesamte Bühnenbereich in Feuer gehüllt, während die Melodie von allen Zuschauern mitgesungen wird. Ein magischer Moment, der zu Recht Gänsehaut erzeugt.
Das Konzert dauert zu diesem Zeitpunkt schon stolze zwei Stunden. Wo andere Bands schon längst die letzte Zugabe geben, werden DYMYTRY erst warm. Denn das nächste, sehr große Überraschungsmoment wartet auf die Fans (die auch noch nicht genug zu haben scheinen). Mit TRAKTOR kommt die letzte Gast-Band an diesem Abend. Und was für ein Gast – TRAKTOR sind eine der wenigen tschechischen Bands, die vermutlich auch außerhalb der Landesgrenzen bekannt sind. Sie zählen noch vor ARAKAIN zu DEN Bands der 80er Jahre, die wie kaum eine andere die lokale Szene geprägt und aufgebaut haben. Mit dieser Legende haben DYMYTRY vor ein paar Jahren die beiden Songs „Monster Meeting“ und „Spolu Se Cítíme živí“ produziert und spielen diese auch live in voller Besetzung.
Das Publikum ist außer sich vor Freude und beide Songs werden in voller Lautstärke mitgesungen. Viele können es nicht fassen, dass sie an diesem Abend gleich zwei Legenden zusätzlich live erleben dürfen. Mit gebührendem Applaus verschwinden TRAKTOR wieder in die Katakomben und Protheus und seine Maskenmänner nehmen am vorderen Ende des Laufstegs Position ein. Im Namen der Band hält er eine längere Rede (auch hier wieder die bekannte Sprachbarriere).
Die letzte Zugabe
Nachdem die Ansprache beendet ist, liefern sie mit „S Nadějí“ einen DER Überhits ihrer zwanzigjährigen Karriere ab. Unter feurigem Applaus verlassen die Tschechen ein weiteres Mal die Bühne. Ist das das plötzliche Ende des Abends? Die Antwort folgt schnell: Nein – ein weiteres Mal kommt eine zehrende Videobotschaft von dem „Trainer“. Die Fans haben genug von der Ansage und mit Sprechchören fordern sie die Band auf, wieder zurückzukommen. Die lässt ihre Anhänger aber noch ein paar Minuten zappeln, bevor sie unter Applaus wieder auf die Bühne kommt.
Nach einer weiteren Ansprache spielen DYMYTRY dann den Hit „Ocelová Parta“ ihres 2012 erschienenen Albums „Neonarcis“. Dieses wird von einem fantastischen Gitarrensolo von Jiří „Dymo“ Urban gekrönt, der sich im Zentrum der Halle dafür feiern lässt. Hierauf folgt mit „Strážná Věž“ der größte Hit der Tschechen. Kein Wunder, dass der Chorus frenetisch mitgesungen und es auf der Bühne erneut feurig wird. Gigantischer Konfettiregen breitet sich im Saal aus und Protheus richtet sich erneut an die Zuschauer. Er stachelt die Leute an, den Chorus mitzusingen, was diese auch willig mitmachen. Am Ende des Songs angekommen wendet er sich ein letztes Mal an alle und bedankt sich aus tiefstem Herzen. Die linke Hand greift zur Maske und unter lautem Knall und Funkenregen reißt er sich diese vom Kopf. Das Konzert ist damit nach drei Stunden beendet und Protheus erklärt unter gigantischem Jubel seine zwanzigjährige Karriere mit DYMYTRY für beendet. Signalträchtig lässt er die Maske vom Mikrofonständer baumeln, während er und seine Bandkollegen sich von den Anwesenden feiern lassen.
Ein Abschied?
Niemand weiß genau, was die Zukunft für die tschechische Seite von DYMYTRY bringen wird. Auch die Band hat sich hierzu nicht äußern wollen. Auf YouTube wurde lediglich ein theatralisches Video hochgeladen, bei dem ein Sarg mit dem Bandnamen in die Erde eingelassen und der Schriftzug „2003-2023“ gefolgt von einem „?“ eingeblendet wird. Fest steht jedoch, dass der internationale Teil der Band 2024 mit Alen am Gesang auf Deutschlandtour gehen wird. Wer die Maskenmänner also auch einmal live erleben möchte, hat im März einige Chancen dazu.
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