Dying Fetus, Chelsea Grin, Despised Icon und Vitriol
European Tour Fall 2024
Konzertbericht
Das aus Maryland stammende Trio DYING FETUS geben in diesem Herbst/Winter noch einen Nachschlag zu ihren gefeierten Auftritten im diesjährigen Festivalsommer und sorgen für ein volles Haus bei ihrem Stopp in München. Während das Publikum sich aus einer wilden Mischung aus Teenagern in übergroßen Klamotten und Metalheads der alten Schule zusammensetzt, ist auch das Billing nicht das, was man ein perfektes Match nennen würde.
VITRIOL
Dass aus Portland, Oregon nicht ausschließlich akustische Gitarrenmusik von Flanellhemden tragenden, bärtigen Vanlifern kommt, beweisen VITRIOL mit ihrem Brutalo-Tech-Death bekanntlich schon seit mehr als einer Dekade. Heute liegt der Fokus klar auf dem Adjektiv „brutal“, denn laut Frontmann Kyle Rasmussen wurde die Band spontan von ihrem Bassisten verlassen und so müssen die beiden verbleibenden Musiker eben lautstärkemäßig den fehlenden Druck der vier Saiten kompensieren. Das Ergebnis lässt sich nicht sehr gut hören, denn von all den technischen Finessen dringt nicht allzu viel in den Zuschauerraum. Stattdessen dürfen wir uns aber vom durchweg virtuosen Schlagzeugspiel Matt Kilners überzeugen, denn sein Kit ist dekorativ, seitlich am vorderen Bühnenrand platziert. Nach Aussage seines Bandkollegen, musste er sich 30 Sekunden vor dem Gig noch übergeben, während dem Set deutet aber nichts mehr darauf hin.
DESPISED ICON
Im Anschluss geben die Frankokanadier von DESPISED ICON ihren ikonischen (…) Deathcore zum Besten, was der jüngere Teil des Publikums sichtlich zu schätzen weiß. Erste Moshpits entwickeln sich schnell, während die beiden Sänger Steve Marois und Alex Erian wie zwei Gangster-Rapper über die Bühne stolzieren. Besonders letztgenannter wirkt dabei aber müde und uninspiriert. Soundtechnisch ist dagegen alles top, die Musik bleibt speziell in diesem Segment Geschmacksache. Wir haben den Eindruck, dass nicht alle Besucher:innen sich auf das abgeklärte Geballer einlassen wollen.
CHELSEA GRIN
Apropos „abgeklärt“: Davon können die vier Musikanten der nächsten Deathcore-Truppe CHELSEA GRIN ein Liedchen singen. Gitarrist Stephen Rutishauser blickt stoisch ins Publikum und lässt sich kaum zu einem Zucken im Bereich der Gesichtsmuskulatur hinreißen. Ex-LORNA-SHORE-Mann Tom Barber schreitet mit schräg sitzendem Cap obercool am vorderen Bühnenrand auf und ab, während sich der Rest der Band den Hintern wund spielt. Wir sehen uns schnell an diesem Konglomerat aus ausgezeichneten Musikern und arrogant posierenden Hipster-Kids ab. Ein Großteil des Publikums scheint die heiligen Hallen des Backstage am heutigen Dienstag aber in erster Linie wegen CHELSEA GRIN aufgesucht zu haben. Entsprechend energiegeladen ist die Stimmung. Musikalisch lassen die vier Musiker auch keinen Anlass für Beschwerden zu, wenngleich die Performance für Menschen, die auf Seele und Gefühl wert legen, kaum rentabel ist.
DYING FETUS
Der Mainact ist über alle Zweifel erhaben. Sofern irgendein Mensch behauptet, jemals ein schlechtes DYING-FETUS-Konzert erlebt zu haben, muss es sich um eine infame Lüge handeln. Aber der ersten Sekunde schiebt das Trio massiv an, bleibt über die gesamte Spielzeit präzise und hämmert uns einen perfekten Sound in die Eingeweide. Auch wenn das Frühwerk bis auf „Intentional Manslaughter“ („Killing On Adrenaline“) nicht berücksichtigt wird, treiben uns Songs wie „From Womb To Waste“, „Grotesque Impalement“ und „In The Trenches“ Schweißperlen auf die Stirn. Diese Band ist live so atemberaubend perfekt, dass wir das beklemmende Gefühl, dass man kurz vor einer Panikattacke hat, kaum zurückhalten können. Fett, fetter, am fettesten. Diese Lehrstunde für alle live debütierenden Bands beenden DYING FETUS mit „Subjected To A Beating“ mit einem Donnergrollen und lassen uns in der Gewissheit zurück, dass sich das lange Warten an diesem Abend natürlich gelohnt hat.
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