Disillusion
In großer Besetzung besonders intensiv
Konzertbericht
DISILLUSION haben mit „Ayam“ im November 2022 den 1. Platz im metal.de Soundcheck eingefahren. Nun sind sie mit dem Meisterwerk auf Tour. Heute Abend wollen sie den Club im Münchner Backstage heißlaufen lassen.
Bei eisiger Kälte stehen die Fans in der Schlange, viele sind etwas früher gekommen, falls doch ein oder zwei Supportbands spielen. Das ist aber nicht der Fall und DISILLUSION legen noch deutlich später los als geplant. Da stehen die Besucher schon im gut gefüllten Club und warten relativ geduldig, bis die Helden des Abends auf der Bühne erscheinen und empfangen sie mit lautstarkem Geschrei.
DISILLUSION erzeugen von Anfang an dichte Atmosphäre
Galerie mit 31 Bildern: Disillusion - Tour 2023 in MünchenMit „The Great Unknown“ von „The Liberation“ begeben sich Band und Fans auf die Reise in die düsteren Gefilde von DISILLUSION. Eine Kreuzfahrt mit Vollverpflegung und Wellness ist das aber nicht, eher anspruchsvoll, wild und lebendig. Technik und Sound müssen noch justiert werden, Köpfe drehen aber erste Kreise.
Danach folgt mit „Am Abgrund“ schon der erste Song von der neuen Platte. Die Band füllt den Club mit drückender Atmosphäre, nimmt die Fans mit an den dunklen Abgrund unserer Existenz. Da baut sich eine dunkle Wand auf, dass einem fast die Spucke wegbleibt. Das nenne ich Riffkraft! Soundqualität und Stimmung steigern sich von Song zu Song.
Um „Ayam“ live adäquat umzusetzen, haben die Leipziger auch noch wichtige Gastmusiker mitgebracht: Keyboarder Frederic Ruckert, Cellistin Clara Glas und Birgit Horn mit Trompete und Flügelhorn. Diese Instrumente kommen nicht vom Band, das Publikum bekommt auch live das volle Brett.
DISILLUSION machen keine halben Sachen, vor allem nicht in Sachen Intensität und wer hätte gedacht, dass ein Flügelhorn Metalsongs so viel Tiefe geben kann? Unglaublich, welche Dimensionen der sanfte, klagende Klang dieses Instruments aus, äh… Metall ermöglicht.
Die Band spielt auf den Punkt, Andy Schmidt röhrt böse oder verzweifelt ins Mikro, Basser Robby singt Backing Vocals, die fast zu schade sind für Hintergrundgesang und YEAH! Eine Premiere gibt es heute auch noch mit „Abide The Storm“.
Live entfaltet sich dieses sich langsam aufbauende Epos noch besser als auf Platte, füllt den Backstage Club bis in den letzten Winkel mit der Macht des Sturms. Der Sturmtrotzer ist eine absolute Live-Granate, sogar ganz hinten singen die begeisterten Fans textsicher mit. Dazu muss man noch sagen, dass besondere Bands wie DISILLUSION auch besondere Fans ziehen: treu, langjährig, textsicher. Die meisten erkennen die Songs schon nach wenigen Noten, auch in den hintersten Reihen sind die Leute voll dabei und feiern wildere Dinger wie „Alone I Stand In Fires“ (das hat 19 Jahre auf dem Buckel!) oder lassen sich von ruhigeren Stücken wie dem neuen „Driftwood“ verzaubern.
Die Setlist ist perfekt
Andy Schmidt ist gut bei Stimme und setzt sie variabel ein. Auch seine Ansagen kommen an, manchmal wird gelacht, wenn er fragt, ob nicht zufällig jemand ein Gitarrenkabel dabei hat? Für die Band ist das natürlich nicht witzig, aber es klappt doch immer mit der Verkabelung, Gott sei dank.
Die Setlist lässt kaum Wünsche offen. „Ayam“ ist das Thema, DISILLUSION vergessen ihre anderen Alben aber nicht und mancher alte Kracher erzeugt im Publikum regelrechte Begeisterungsstürme. Die Band kündigt „The Mountain“ als letzten Song an und erzählt von Wind und Nebel, monumental und episch mit wunderschönen Gitarrenleads und Background-Gesang zum Niederknieen.
Zur Zugabe kommt das das zackige „Don’t Go Any Further“ zum Zuge, das die Headbanger wieder auf Touren bringt. Als letztes Stück spielen die Leipziger „From The Embers“. Das ist deutlich positiver und beschwingter als die anderen Songs des heutigen Abends. Vielleicht wollen uns DISILLUSION nicht mit rabenschwarzen Gedanken in die rabenschwarze Nacht schicken? Die Musiker ziehen jedenfalls ihre Instrumentenstecker und machen das obligatorische Abschiedsbild mit Publikum im Hintergrund, bevor sie sich unter großem Protest verabschieden. Tatsächlich gehen auch einige Lichter aus, das sieht nach endgültigem Konzertende aus.
Aber das Publikum ist damit gar nicht einverstanden und macht weiterhin konstant Radau, bis nach einiger Zeit ein überraschter Andy Schmidt auf die Bühne zurückkehrt. Die Band hat keine weiteren Stücke vorbereitet! Egal, die Fans grölen einfach weiter, bis man sich sich auf eine Wiederholung von „Tormento“ einigt. Das war immerhin die erste Single von „Ayam“.
Die Musiker stöpseln ihre Instrumente wieder ein und jetzt können alle so richtig loslassen, auch die Band geht nochmal richtig ab. Da kocht der kleine Club im Backstage und jetzt ist mir auch klar, weshalb diese Band nur kurzärmelige T-Shirts verkauft: DISILLUSION erzeugen die Hitze lieber mit Musik als mit Stoff. Und sie haben wie gewohnt in Premium-Qualität geliefert, mit einer dunklen Intensität, die ihresgleichen sucht. Jetzt entlassen sie uns in eine eiskalte, rabenschwarze Nacht. Ich schwebe durch die Kälte, voll im DISILLUSION-Rausch.
SETLIST:
1. The Great Unknown
2. Am Abgrund
3. Driftwood
4. …And The Mirror Cracked
5. The Black Sea
6. Abide The Storm
7. Tormento
8. Alea
9. Alone I Stand In Fires
10. The Mountain
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11. Don’t Go Any Further
12. From The Embers
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13. Tormento
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