Dir En Grey
European Tour
Konzertbericht
Wenn eine kultige Band wie DIR EN GREY aus Japan mal nach Berlin anreist, bin ich doch gern bereit, mal über den musikalischen Tellerrand zu blicken. Hinzu kommt, dass die Vorband einen zu interessanten Namen hatte, um dieses Großereignis zu verpassen.
Als Metaller ist man sehr verwöhnt, was Konzertzeiten angeht. Man geht irgendwann nach um 22 Uhr abends auf ein Konzert, trinkt ein paar Biere und dann geht es irgendwann um 23 Uhr los – nicht so bei DIR EN GREY. Da mir zu Anfang vorsichtig kommuniziert wurde, dass zu jenem Konzert auch „jüngeres Publikum“ kommt, war um 18 Uhr 30 nachmittags (!) Einlass. Wo gibt’s denn so was? Doch als ich an die Konzerthalle reinkam verstand ich, was „jüngeres Publikum“ zu bedeuten hatte. 3500 kleine Mädchen tummelten sich vor der Halle, sodass Polizeiverstärkung gerufen wurde, um die Massen zu bändigen. Und so standen die kleinen Mädels stundenlang einfach in dieser unendlich langen Schlage und warteten, um ihre Helden live sehen zu können. Nachteilig erwies sich das Wetter, denn es regnete in Strömen, sodass die geschmacksfreie Gesichtsbemalung der holden Weiblichkeiten zu zerlaufen begann – auch ein witziger Anblick – 3500 kleine, weibliche Alice Cooper! Nachdem man sich in wenigen Augenblicken durch die Massen gekämpft hat, betrat man die Halle und erblickte einen Wust vor der Bühne, den ich so noch nicht gesehen habe. Nach stundenlangem Anstehen waren die Weiber anscheinend so müde, dass sie es vorzogen wie die Hühner in der Massentierhaltung übereinander zu hocken. Der Vorteil darin war, dass der Biertresen komplett entvölkert war – es gab mehr Tresenpersonal, als Kunden, ich vermute es kam daher, dass man dort keine Milch kaufen konnte.
Um etwa halb acht ging es mit der Vorband los. OSTKREUTZ – was ein Name! Ein Bandname, dessen Herkunft jedenfalls einem jeden (Ost-)Berliner klar sein sollte. Für alle Unwissenden/Wessis sei schnell erklärt, dass OSTKREUTZ von der S-Bahn Station Ostkreuz abgeleitet wurde, und dass diese besagte Station so etwas ist, wie ein infrastruktureller Knotenpunkt in Ostberlin. Für eine beliebige völlig unbekannte Berliner Band wäre es bestimmt eine große Ehre gewesen, für eine japanische Kultband, wie DIR EN GREY einen Gig zu eröffnen, doch wir Ostberliner sind halt abgebrühter und so kam die Zwei-Mann-Combo mitsamt Aushilfs-Schlagzeuger auf die Bühne und rockte professionell und absolut cool die Menge, die zu 98 Prozent aus weiblichen Pickelplantagen bestand und man bedenke, dass in die ausverkaufte Berliner Columbiahalle rund 3500 Leute reinpassen. Weil mir zum Zeitpunkt des Konzertes lediglich die 3-Track-Single vorlag, kann ich nur sagen, dass „Gangbang“ und „Berlin“ mit Sicherheit gespielt wurden. Alle anderen Songs waren demnach vom bald erscheinenden Debütalbum „Motor“ und mir namentlich nicht bekannt. Die Ostrocker haben bei ihrer ersten riesenhaften Show aber eher geklotzt und auf keinen Fall gekleckert! Da wurden etwa 15 (!) Fernsehapparate auf die Bühne gekarrt, die alle simultan die gleichen Bilder zeigten. Die Songtexte und Bilder waren zwar schlicht, aber flackerten was das Zeug hielt – es war die absolute visuelle Reizüberflutung, Epileptiker hätten eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt! Das witzige an der Fernseher-Sache war, dass die Texte, die über die Schirme flackerten, lediglich „Übersetzungen“ waren, denn die Jungs singen in einer Art „Fantasiesprache“, die sich für mich nach Polnisch, Tschechisch oder Klingonisch anhörte. Wie geil! Einfach nur zum Abfeiern! So etwas habe ich in meinem Leben noch nie gehört. Etwas nervig gestaltete sich das Schlagzeug, dass viel zu laut war, und durch die minimalistische Ausführung der Songs, irgendwann etwas monoton daherkam. Die Musik ist zwar astreiner Rock, doch so frisch und minimal, dass es an Intensität der früheren Werke von KRAFTWERK erinnert. OSTKREUTZ haben da etwas ganz Neues erschaffen und ich bin sicher, dass die Band durch die Decke gehen wird! Die Band ist einfach anders als andere Bands und das ist jetzt nicht nur ein Claim, den man zuhauf in der Musikindustrie vorfinden – es ist wirklich so. Verrückt wie sie sind, haben sich die beiden Musiker Ostklamotten übergezogen, wie zum Beispiel Schapka-Mützen und riesige Sonnenbrillen. Witzig! Ich freu mich schon aufs Full Force!
Viele Gothic Lolitas hatten die OSTKREUTZ-Vorstellung und die Umbaupause zum Umziehen genutzt und so erblickte man einen Haufen von Weibern in Schuluniformen, Haushälterinnen-Kleidung und ganz abgefahrenen andren Mimikri (Scheinwarntracht – müsste man in Bio aber gehabt haben!). Zu meinem Schreck hatten sich unter die kleinen Mädels auch einige Männer gemischt, die ebenfalls wie Schulmädchen aussahen. Homoerotik mit Röckchen! Überhaupt habe ich noch nie so viele abgefuckte Weiber auf einem Haufen und in diesem Alter gesehen. Alters- und geschlechtstypisch wurde auch jede Bewegung auf der Bühne mit hochfrequenten Tönen belohnt/bestraft(?). Und noch ein anderes Phänomen konnte man beobachten: Ein sehr hoher Prozentsatz der Fans der japanischen Boygoup, dessen Bandname phonetische Ähnlichkeiten zu „Earl Grey“, der englischen Teesorte aufweist, hätte locker einen Hässlichkeitswettbewerb gewonnen. Es gibt auch hier anscheinend bevorzugte stereotypische Phänotypen. Und ich dachte, Metaller, und hier möchte sich der Autor dieser Zeilen keinesfalls ausschließen, seien hässlich! Bevor das Konzi angefangen hat, haben die Mutigen sich von ihren Stehplätzen getraut, um mit dem zusammengesparten Taschengeld die Japanische Wirtschaft in Form von Merchandise-Käufen anzukurbeln. Die haben sich regelrecht auf den Stand geschmissen, die Merch-Verkäufer mussten sogar die Stimme erheben, damit die Verrückten sich beruhigen.
Und plötzlich waren die Japaner auf der Bühne, man konnte zwar nichts sehen, aber man hörte es am Kreischen der Massen, dass das Konzert jetzt anfängt. Und irgendwie habe ich mir „Visual Kei“ anders vorgestellt, trug die Band auf den vorangegangenen Konzerten noch Röckchen und so weiter, sahen sie jetzt wie japanische Metalcore-Typen aus. Nach nur wenigen Songs, war ich mir sicher die japanische Interpretation von Metal bzw. Metalcore zu hören. DIR EN GREY waren irgendwie – scheiße. Der Sound war mies, das Schlagzeug komplett undifferenziert, lediglich der Sänger und die Gitarre waren einigermaßen ok. Der Frontmann war zwar klar zu hören, doch er sang auf japanisch, was sich einerseits sehr exotisch anhörte und andererseits irgendwie unangenehm im Ohr. Besonders die asiatischen Melodieführungen waren irgendwie befremdlich und hörten sich einfach falsch an. Zumal der Gesang von Song zu Song immer schlimmer wurde, es nervte schlicht und einfach, doch das Auditorium feierte alles ab, was die Band machte – jeden Scheiß! Wenn der Sänger dem Publikum seinen Arsch zeigte, gab es kein halten mehr, es wurde geschrieen, stundenlang, das konnte gar nicht gut gehen und so endete für einige die Vorstellung etwas früher als für andere. Um die Kollateralschäden mussten sich Sanitäter kümmern. Zum Ende des Gigs hin wurde die Mucke der Band westlicher und westlicher – es wurde wirklich Metalcore gezockt! Einen Circle Pit gab es nicht, auch kein Violent Dancing.
Und irgendwann nach einer Stunde war das Konzert vorbei! Das war zwar etwas kurz, aber ich dachte, na ja so sind sie die kultigen Japaner. Verwunderlich war aber dann doch, dass die kleinen Weiber nicht weggingen. Die hockten sich wieder hin und warteten und schrieen. Nach geschlagenen fünfzehn Minuten kamen die Japaner wieder auf die Bühne, die Weiber schrieen sich die Seele aus dem Leib, sodass ich sogar durch meine Ohropax schmerzen im Ohr hatte. Nachdem zwei weitere Songs gespielt wurden, ging das Spiel nach zehn Minuten Warten wieder von vorne los. Es wurden fünf weitere Songs gespielt und dann sind sie entgültig abgehauen. Doch die eigentlichen Zugaben wurden so dermaßen Gefeiert, dass es praktisch Anbetung glich – die Fans konnten tatsächlich mitsingen (!) auf japanisch (!). Verrückt.
Um etwa 23 Uhr war dann aber doch Schluss. Und die ganzen geschminkten Gothic Lolitas liefen aufgeregt in die Garderobe, um sich wieder gesellschaftsfähig zu machen, denn die Eltern warteten draußen im Regen.
Fazit: Ich weiß nicht warum diese Band Kult sein sollte. Sie sind weder besonders gut noch auf irgendeine Weise interessant. Das einzig Interessante an dem Konzert war, wie das Publikum abgegangen ist. Das war schon ein Erlebnis.
Übrigens: Ich weiß nicht warum, aber Martin „Angel Of Berlin“ Kesici war auch da. Wahrscheinlich ist er auch so ein „Fan“.
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