Die Ärzte
Läuten den Herbst des Lebens ein

So ganz möchte der Sommer aus der Hauptstadt noch nicht weichen. Dennoch versuchen drei Berliner Herren, einen Vorgeschmack auf den Herbst zu geben. Es ist eine laue Septembernacht in Berlin und die selbst ernannte beste Band der Welt lädt zu einem fast schon privaten Konzert in der Columbiahalle ein.

DIE ÄRZTE live: Wohnzimmerfeeling mit BelaFarinRod

Normalerweise füllen DIE ÄRZTE mühelos das Tempelhofer Feld (das sich in Spuckweite zur Columbiahalle befindet) bis zum Zerbersten. Heute (und auch schon am Abend zuvor) laden sie jedoch in den alten Flugzeughangar der amerikanischen Luftwaffe – und es fühlt sich fast wie ein Wohnzimmerkonzert an. Obwohl auch die Columbiahalle aus allen Nähten platzt, denn die „Herbst des Lebens“-Tour war schon am ersten Tag des Ticketverkaufsstarts restlos ausverkauft.

Bei der Ankunft fällt auf, dass die Bühne vor dem geplanten Beginn um 20 Uhr von einem schwarzen Vorhang verhüllt ist. Eine Vorband dürfen wir also nicht erwarten – stattdessen eher eine Veranstaltung im Sinne von „An Evening with…“.

Vorhang auf – Manege frei

Fast pünktlich ertönt das Intro „Erinnerungen Aus 41 Jahren“ aus den Lautsprechern, der Vorhang lichtet sich und Bela, Farin und Rod stehen in den Startlöchern. Ohne große Worte zu verlieren, beginnen DIE ÄRZTE routiniert mit „Wer Verliert, Hat Schon Verloren“ von ihrer 2020er-Platte „Hell„. Und brechen damit direkt mit ihrem Lockruf, dass es „So wie früher!“ werden würde.

Auch ohne Füllhorn an alten Songs, wie es die BEATSTEAKS ein paar Wochen zuvor geliefert haben, feiern die Fans bis in die letzte Reihe des Oberrangs ihre drei Bademeister.

Nach drei Songs in Folge unterbricht eine erste Ansage die Show. Laut Farin habe man für den Abend eine Setlist von 100 Minuten gehabt. Aber auf der Bühne hätten sie drei Stunden gestanden – dann nickt er verschmitzt zu Bela, der gut gespielt alle Schuld von sich weist. Wer noch nie auf einem Konzert von DIE ÄRZTE war, mag sich an so einer (langen) Zwischenansage gestört fühlen. Die Anwesenden in der Columbiahalle machen aber deutlich, dass sie genau deswegen so zahlreich erschienen sind.

Galerie mit 18 Bildern: Die Ärzte - Herbst Des Lebens Tour 2023

Ein langer Abend mit Durchhaltevermögen

Egal ob DIE ÄRZTE neues Material oder alte Schinken präsentieren, das bunt gemischte Publikum nimmt alles mit frenetischem Jubel auf und präsentiert sich Song um Song extrem textsicher. Da stört es auch nicht, wenn sich Farin oder Bela B. (natürlich absichtlich) nicht immer textsicher präsentieren. Das gehört natürlich alles zum Konzept, und als wahrer Fan von DIE ÄRZTE will man sowas auch sehen.

Teils fragwürdige Witze unter der Gürtellinie oder Anspielungen auf den Skandal um RAMMSTEIN und Till Lindemann werden gebührlich gefeiert. Das alles scheint der Band sehr zu gefallen, denn sie binden die Zuschauenden aus den vorderen Reihen immer mehr in ihren Quatsch ein.

Am Ende wird der zweite Abend in Berlin lang und länger. Das liegt nicht nur am Unterhaltungswert von Farin und Bela, sondern auch an der extrem langen Setlist: insgesamt 37 (!) Songs und ein abschließendes „Schlaflied“. Ein buntes Potpourri aus alten, ganz alten und neueren Songs, bei dem wirklich jeder Fan des Berliner Urgesteins auf seine Kosten kommt, und somit ein perfekter Abend.

Wer wenig Berührungspunkte mit DIE ÄRZTE hat und sich die Herren mal eben geben möchte, mag angesichts der wirklich vielen Unterbrechungen und Blödeleien aber vielleicht über- oder unterfordert sein.

Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann ist es wie immer der Veranstaltungsort. Es ist schon seit Jahren bekannt, dass die Columbiahalle ein mangelhaftes beziehungsweise nicht vorhandenes Belüftungssystem besitzt. Bei über 3.000 Menschen und Außentemperaturen von 20 Grad sind spärlich geöffnete Feuerschutztüren nicht genug. Schon nach einer Stunde wird es in der Halle, die manch einer verfrüht verließ, nicht nur mollig warm, sondern auch gefährlich luftarm.