Despised Icon
live in Leipzig
Konzertbericht
Wie leider häufiger der Fall startet auch dieser Konzertbericht mit der Darlegung der Gründe für das verspätete Eintreffen der Kollegin am Veranstaltungsort. Das angeregte Gespräch mit dem Mitfahrer und ein Navi, das noch am Startpunkt unbemerkt den Dienst quittierte (bezeichnenderweise in der „Leipziger Vorstadt“ in Dresden), führten zu Umwegen, die exakt so lange dauerten wie der Eröffnungsgig von VULVODYNIA. Gemessen an dem Applaus des Publikums bei den späteren gegenseitigen Huldigungen der nachfolgenden Bands, scheint es amtlich gewesen zu sein. Auch ein Besuch des „Slamcamps“, sprich VULVODYNIA auf Bandcamp, im Nachgang lässt Unheil ahnen.
Mit Restreue verfolgt die Kollegin den Soundcheck von ARCHSPIRE. Und stellt schon dabei erneut den Wahnwitz fest, mit dem Schlagzeuger Spencer Prewett zu Werke geht. Die kanadischen Tech-Deather gaben überhaupt den Ausschlag für die Reise nach Leipzig. Hat das, was akkurat und ansprechend von Platte kommt, live Bestand? Theoretisch und zum Teil auch praktisch schon. Wenn denn der Sound entsprechend wäre. Gesang und Schlagzeug sind so präsent, dass von den Gitarren nur unter Anstrengung etwas zu hören ist. Die Griffbrettartistik lässt sich allerdings optisch auch nicht viel besser verfolgen. Kaum ein Strahl Licht erleichtert ARCHSPIRE die Sicht auf ihr Gefrickel. Das Publikum nimmt das nicht krumm und vor allem groove-lastige Tracks wie „Remote Tumour Seeker“ sehr dankbar an. Stark, mit technischen Abstrichen. Nachdem zügigen Set, durch das Sänger Oliver Rae Aleron etwas aufgekratzt führt, springt gefühlt mit der letzten Note auch gleich die Pausenmusik an. Man schaut auf die Uhr, das ist den ganzen Abend über zu spüren. Alles ist knapp getaktet, Zugaben gibt es nicht. Einerseits verständlich, denn bei vier Bands kann es mit laxer Handhabe zeitlich schnell aus dem Ruder laufen. Etwas unbequem ist diese latente Hektik dann doch.
Mit MALEVOLENCE kommt noch mehr Leben in die Bude. Es dauert nicht lange, da stapeln sich textsicher krakeelende, faustschwingende Fans am Bühnenrand und sorgen für ordentlich Stimmung. Oder aber man stellt konzentriert das Bier ab, eskaliert eine Runde übel, tritt dann wieder aus der Gefahrenzone, richtet den Kragen und tippt eine Whatsapp. Immer eins nach dem anderen. In welcher Form auch immer, MALEVOLENCE machen Spaß. Nach ARCHSPIRE wirkt hier alles eher grobschlächtig und vor allem auch behäbig – es wird ziehend fies und tief. Das tut der Abwechslung über den Abend aber gut. Und falls der Sound noch Mätzchen macht, bleibt es hier unbemerkt. So gehen 40 Minuten ratzfatz vorbei und die letzte größere Verschnaufpause bricht an.
Die erweist sich auch als bitter nötig, denn DESPISED ICON erwarten ein bisschen was von den Anwesenden. Ob Circle Pits eingefordert werden oder allgemein zum Aufwachen ermuntert – die Energie, die sie selber auf der Bühne versprühen, verlangen sie auch dem Publikum ab. Und der Spielfreude auf der Bühne kann man sich auch schwer entziehen. Das ist vor allem der Verdienst der dynamischen Doppelspitze am Mikrofon, Alex Erian und Steve Marois. Ob „The Aftermath“, „Inner Demons“ oder „Beast“ – jeder Schuss ist ein Treffer. Bei aller Brachialität, mit der DESPISED ICON ihren Deathcore durch die aufgeheizte Halle ballern, fallen immer wieder sehr kollegiale, familiäre Gesten unter den Bandmitgliedern auf. Auf grundauthentische Art reißen sie so ziemlich alle Zuschauer mit sich und dadurch den Stundenzeiger schnell zur nächsten Ziffer. Zurück bleiben vor Schweiß triefende, verausgabte und hochzufriedene Menschen, die dank der straffen Organisation noch vor Mitternacht in die Laken kippen können.
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