Rock im Park
Der große Festivalbericht vom 18. Rock im Park in Nürnberg
Konzertbericht
Samstag
Kann ein Tag noch besser beginnen als mit einem kühlen Bier, strahlendem Sonnenschein und einem Konzert von BAD RELIGION? Wohl nur schwerlich. Die Punkrock-Urgesteine um Sänger Greg Graffin, 1980 gegründet, vier Jahre später aufgelöst und 1987 wiederbelebt, sind keine Freunde großer Posen und Gesten. Aber wer braucht das auch mit unzähligen, oft politisch angehauchten Ohrwürmern im Repertoire, um eine Menge schon am frühen Nachmittag zu begeistern? Mit seiner prägnanten Stimme trägt Graffin einige davon quer durch die ganze Bandhistorie vor, darunter „21st Century Digital Boy“, „No Control“, „Generator“ oder „American Jesus“. Auf einen Song sind sie ganz besonders stolz: „Wir haben 30 Jahre gebraucht, um dieses Lied zu schreiben“ erzählt Graffin, was folgt sind zwanzig Sekunden Geschrammel und ein lautes „Fuck you“.
Da uns die folgenden Bands nicht sonderlich antörnen, verpassen wir SIMPLE PLAN, KRAFTKLUB und Konsorten zugunsten eines kurzen Ausflugs in die mittelalterlich geprägte Nürnberger Altstadt, um danach gegen 18.30 Uhr in der Clubstage noch den Rest eines durchaus sehenswerten Deutschland-Debüts der „Trolle des Deathmetal“, NEKROGOBLIKON, mitzuerleben. Die urigen Gestalten samt Animateur mit grüner Goblin-Maske, der den Fans schon aus dem Video zu ihrer Single „No One Survives“ bekannt ist und später auch am Merch-Stand für das ein oder andere Foto posiert, liefern mit ihrer Kombination aus melodischem Death Metal, einer mitreißenden Bühnenperformance und den blutrünstigen Geschichten, die sie vertonen, einen unterhaltsamen Augen- und Ohrenschmaus ab.
Wir harren weiter in der Clubstage-Halle aus und warten gespannt auf IN THIS MOMENT, die mit ihrem aktuellen Studioalbum ein neues, ungezügelteres Kapitel ihrer Bandgeschichte aufgeschlagen haben, nur leider warten wir vergebens – per Lautsprecherdurchsage erfährt man, dass das Konzert leider ausfällt, nähere Gründen bleiben ungenannt; Gerüchten zufolge hat die Band wohl ihren Flug verpasst und es deshalb nicht rechtzeitig zu ihrem Auftritt geschafft.
Wir gönnen uns einen kleinen Ausblick auf das Treiben vor der Centerstage, wo gerade die SPORTFREUNDE STILLER ihren Auftritt mit einer riesigen La-Ola-Welle, die sich über das ganze Zeppelinfeld erstreckt, beenden, und verkrümeln uns wieder zurück in die dunkle Arena der Clubstage, wo ESCAPE THE FATE nach einem episch-düsteren, ins Melodische übergehenden Intro ihr Konzert mit „You’re Insane“ beginnen – der zweiten Singleauskopplung ihres erst im Mai erschienenen Albums „Ungrateful“. Die Band strahlt mit ihren harten, verzerrten Gitarren, über dem der klare Gesang und mittelhohe Screams als Backing Vocals stehen, und vereinzelt rasenden Doublebass-Salven eine enorme Kraft und Dichte aus. Sie weigern sich mit den Worten „No pussy fucking song“ das eher ruhige, von einer Person aus dem Publikum gewünschte „Ashley“ zu spielen, und brettern lieber munter nach vorne. Die Strategie geht auf und der Funke springt über, bald ist die ganze Meute in Bewegung.
Auf der Centerstage laufen derweil GREEN DAY zu einer Filmscore von Ennio Morricone ein und starten mit „99 Revolutions“ durch – jene Band also, die Ende der Achtziger mit puristischem Punkrock durch kleine Clubs tingelte, diesen seit dem dritten Album „Dookie“ mit unwiderstehlich poppigen Melodien aufpolierte und damit den Durchbruch schaffte, und die vor wenigen Jahren mit „American Idiot“ ein Konzeptalbum veröffentlichte, das zu den wichtigsten und erfolgreichsten des noch jungen Jahrtausends zählt.
„Ich will, dass ihr verdammt nochmal ausflippt“ schreit Sänger und Gitarrist Billie Joe Armstrong frei übersetzt ins Mikro, dann knallt das hymnenhafte „Know Your Enemy“ in die Menge, die seiner Aufforderung bereitwillig nachkommt. Schnell formieren sich einige größere Circle Pits, die Stimmung ist prächtig – längst sind Armstrong, Bassist Mike Dirnt und Schlagzeuger Tré Cool an einem Punkt angelangt, wo man sie als echte Stadionrocker bezeichnen darf. Man kann sie mögen oder nicht, aber wer es schafft, fast zweieinhalb Stunden lang in nahezu perfekter Choreographie durchgehend Zehntausende zum Ausflippen zu bringen, der hat höchsten Respekt verdient.
Wir machen einen kleinen Schlenker zu NEWSTED auf der Clubstage, aber der grimmig dreinblickende Ex-METALLICA-Bassist erweist sich schnell als die weit unspektakulärere Wahl, und so trollen wir uns bald zu GREEN DAY zurück. Dort folgt ein Klassiker dem nächsten, von „Boulevard Of Broken Dreams“ über „When I Come Around“ und „Basket Case“ bis hin zu „American Idiot“ oder „Jesus Of Suburbia“ im langen Zugabenteil – eine exakt im Takt zuckende, opulent ausstaffierte Lichtshow, krachende Böller, buntes Feuerwerk und aus einer Kanone in die Menge geschossene Tourshirts inklusive. Der Sound ist druckvoll und kompromisslos, die Band strotzt vor ungezügelter Energie; vor allem Armstrong rennt unermüdlich von links nach rechts, stachelt gestenreich und mit clownesker Mimik das Publikum an, und er holt gar einige Fans auf die Bühne, die als frisch gegründete Zuschauerband einen ihrer Songs spielen.
Großes Kino, das sich leider mit dem Konzert von COAL CHAMBER auf der Clubstage überschneidet, aber dessen Ende erleben wir immerhin noch mit. Sänger Dez Fafara ist gerade dabei, das Publikum den Refrain von „The Roof Is On Fire“ der Rap-Combo ROCK MASTER SCOTT & THE DYNAMIC THREE – welches heute jedoch eher durch die Coverversion „Fire Water Burn“ von THE BLOODHOUND GANG bekannt sein dürfte – so lange intonieren zu lassen, bis er mit dem Gegröle zufrieden ist und die Band in ihren Song „Sway“ einsteigt. Dieser setzt sich aus HipHop-Elementen, Screams, finster riffenden Gitarren und morbider Atmosphäre zusammen, und ist prototyisch für den Sound der Nu-Metal-Pioniere mit Goth-Einschlag. Nach dem letzten Akkord schmeißt Gitarrist Meegs Rascon kurzerhand seine Gitarre über die halbe Bühne, die sein Roadie, bevor sie auf dem Boden zerschellt, gerade noch gekonnt auffängt.
Im Anschluss geht es weiter mit dem spieltechnisch höchst anspruchsvollen Progressive-Rock der großartigen Konzeptband COHEED AND CAMBRIA. Die düstere, ruhige, jedoch umso intensivere Musik der Ausnahmekönner an ihren Instrumenten erzählt die Geschichte des Ehepaars Coheed und Cambria Kilgannon, die auf einem erdähnlichen Planeten leben. Live verliert die Story selbst natürlich an Detail, da sie viel zu ausführlich und komplex ist, um sie in ein paar ausgewählten Liedern (darunter „No World For Tomorrow“, „Here We Are Juggernaut“ oder „Welcome Home“) unterbringen zu können, aber das schmälert das außergewöhnliche Musikerlebnis nicht im geringsten.
Danach ist die Zeit für den heutigen Headliner der Clubstage gekommen: FIVE FINGER DEATH PUNCH. Oder auch nicht, denn die relativ kleine Arena wird so von Leuten bestürmt, dass die Veranstalter die oberen Ränge mit Sitzplätzen freigeben müssen. Und solange noch nicht alle ein freies Plätzchen gefunden haben, muss man sich noch in Geduld üben. Aber die Warterei hat nach ca. 15 Minuten ein Ende, und das Spektakel kann beginnen. Während Sänger Ivan Moody teils ins Mikrofon growlt, teils mit klarer Stimme melodisch singt, beknüppelt Schlagzeuger Jeremy Spencer gleich von Beginn an manisch seine Felle und gibt der Doublebass Saures; zwei Gitarren feuern dazu verzerrte, brachial moshende Riffs, und der dumpfe Bass zaubert dazu einen treibenden Rhythmusteppich. Ihr Set strotzt förmlich vor Energie und Aggression, wird aber immer wieder auch durch ruhige Parts aufgelockert – die passende Mischung, um ein ausgelassenes Tohuwabohu anzuzetteln.
Zeitweise lassen sich über zwanzig Crowdsurfer parallel auf vielen Händen Richtung Bühne tragen und dort in den Fotograben spucken, wo die Security reichlich Mühe hat, sie alle aufzufangen. Ein Fan im einteiligen Camouflage-Kostüm, das von den Füßen über den Kopf reicht, kommt gar in den Genuss einer Lifetime-Erinnerung: Moody lässt ihn für einige Songs lang neben sich den Moshkönig geben und ein paar Zeilen ins Mikro brüllen. Mit einer Danksagung an Max Cavalera und Jamey Jasta für die Unterstützung beim neuen Album „The Wrong Side Of Heaven And The Righteous Side Of Hell“ und der Ballade „The Bleeding“ endet die Show nach zwei Uhr nachts. „Das war ein würdiger Abschluss“ murmelt ein schweißgebadeter Fan beim Herausströmen, und das finden wir auch. Ein letztes Bier und bettwärts.
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