De Mortem et Diabolum 2018
Der ausführliche Festivalbericht

Konzertbericht

Billing: Darkened Nocturn Slaughtercult, Necros Christos, Svartidauði, Misþyrming, Endezzma, Blaze Of Perdition, Darvaza, Ophis, Zhrine, Naðra, Streams Of Blood, Gaerea, Kult, Ulsect und In Twilight's Embrace
Konzert vom 14.12.2018 | Columbia Theater, Berlin

Freitag, 14. Dezember 2018

ULSECT

Pünktlich um 16 Uhr öffnen schließlich die Tore, und pünktlich um 16:35, wie es auf der Running Order steht, beginnt das Festival mit den Niederländern ULSECT. In Nebel gehüllt und bei blauem und rotem Licht betritt der Fünfer die Bühne und beginnt sein Set. Das Columbia Theater ist nicht voll, aber für die erste Band eines Festivals – zu einer Zeit, wo am Freitag wohl viele noch arbeiten müssen – stehen angemessen viele Leute vor der Bühne. Das ist ein programmatischer Punkt für das De Mortem et Diabolum 2018: Das Publikum verhält sich sehr, sehr fair gegenüber jeder Band, obwohl es natürlich bei manchen Bands voller ist als bei anderen.

ULSECT geben sich auf jeden Fall viel Mühe, spielen auf technischer Ebene einen tighten Auftritt, der bisweilen sehr atmosphärisch ist – zumal die Nebelmaschine permanent läuft. Einen richtigen Kick verpassen ULSECT dem Publikum mit ihrem schwarz-progressivem Avantgarde Death Metal allerdings auch nicht – die meisten Anwesenden stehen eher andächtig da und lauschen dem finster-technischen Treiben auf der Bühne. Die Gründe mögen in der stilistischen Ausrichtung der Band liegen, aber auch der nicht ganz perfekte Sound tut sein Übriges: Anfangs gibt es wenig Gitarre zu hören, dafür klingen Schlagzeug und Gesang überpräsent. Das bessert sich im Laufe des Auftritts, richtig gut wird der Sound des diesjährigen De Mortem et Diabolum aber erst bei den späteren Bands.

ULSECT lassen sich davon aber nicht beirren und geben sich Mühe, wagen gelungene Experimente wie zum Beispiel ein komplettes Instrumentalstück ins Set einzubauen, und verlassen die Bühne folgerichtig als Gewinner. Für einen Opener geht das allemal klar – schöne Sache!

Galerie mit 14 Bildern: Ulsect - De Mortem Et Diabolum 2018

KULT

Als nächstes sind die italienischen Old School Black Metaller KULT an der Reihe. Die betreten sogar ein bisschen zu früh und in stilechtes Corpsepaint gehüllt die Bühne – und tada, der Sound ist besser. Generell mag das De Mortem et Diabolum in diesem Jahr den besten Sound seit Bestehen des Festivals haben, und KULT sind die ersten, die davon vollauf profitieren.

Denn obwohl die Italiener zu den zugänglicheren Bands des diesjährigen Festivals gehören – DARKTHRONE in etwas fieser könnte man sagen, oder wie es der Kollege Lattemann neben mir formuliert: „Für alle, denen MARDUK noch zu progressiv sind“ -, legen sie mit knackig-knarzigem, aber fettem Sound ein ordentliches Paket Black Metal der Neunzigerschule hin. So gut der Sound auch ist, so sehr wirken KULT leider nicht eingespielt. Hin und wieder verhaut sich Gitarrist Kacele, und auch Drummer Thorns – eigentlich ein Perfektionist – hatte schon tightere Tage. Zudem scheint Sänger Tumulash Probleme zu haben, muss zwischendurch von der Bühne verschwinden und taucht direkt danach wieder auf. Ist da jemand gesundheitlich angeschlagen?

Aber der Spirit stimmt bei KULT, und so ernten die Italiener auch eine Menge Zuspruch vom mittlerweile gut gefüllten Columbia Theater. Kein Wunder, denn KULT haben in den letzten Jahren mit „Unleashed From Dismal Light“ (2013) und „The Eternal Darkness I Adore“ (2018) zwei richtig dicke Alben veröffentlicht, auf die sie sich – mit deutlicher Tendenz zur neuen Platte – ausschließlich konzentrieren, vom ersten Album „Winds Of War“ (2006) spielen sie heute gar nichts. Das, die Unrundheiten der Band und die Tatsache, dass KULT zehn Minuten zu früh von der Bühne verschwinden, lässt darauf schließen, dass da im Vorfeld des Auftritts irgendwas nicht ganz richtig lief. Gabs gesundheitliche Probleme? Oder nicht genug Zeit zum Proben?

Trotzdem: Kein schlechter Auftritt, nur eben nicht ganz rund. Der straighte Black Metal der Band ist auf jeden Fall eine schöne Auflockerung zwischen dem tendenziell finstereren und komplexeren Disharmonie-Fricklern, die heute sonst noch auf dem Programm stehen.

Galerie mit 19 Bildern: Kult - De Mortem Et Diabolum 2018

NAÐRA

Bei den ersten Isländern von insgesamt dreien heute – NAÐRA – merkt man, dass Berlin so etwas wie die Hipster-Hauptstadt ist: Die dritte Band heute und das Columbia Theater ist proppevoll. Zum Glück spielen isländische Hipster in der Regel besseren Black Metal als viele ihrer Kollegen, und so rockt der Fünfer aus Reykjavik das ganze Haus, von Kuttenträger bis Tunnelträger ernten NAÐRA viel Applaus – und das, obwohl sie ein ähnliches Problem haben wie ULSECT: zu viel Schlagzeug, zu wenig Gitarren. (Damit sind NAÐRA die letzte Band des De Mortem et Diabolum-Freitags, die keinen nahezu perfekten Sound haben.)

Die Band – vor allem Sänger und Bandkopf Ö. – dankt das der Band mit einem engagierten Auftritt, dessen Augenmerk auf dem Full-Length-Album „Allir Vegir Till Glöttunar“ liegt. Vor allem Ö. selbst ist eine Augen- wie eine Ohrenweide und legt sich richtig ins Zeug. Nicht nur geht sein emotionales Gebrüll durch Mark und Bein, nein, auch seine Posen wirken aufrichtig, wild und mit jeder Faser des Körpers gefühlt. Das druidenartige Image der Band verkörpert er damit richtig gut.

Ein beeindruckender Auftritt, der aber mit mehr Gitarren wohl noch gänsehauttreibender gewesen wäre. Auf jeden Fall räumen die Isländer beim Publikum massiv ab, und eine weitere Band verlässt die Bühne des Columbia Theater als Gewinner.

Galerie mit 15 Bildern: Naðra - De Mortem Et Diabolum 2018

ZHRINE

Im Anschluss machen sich dann gleich die nächsten Isländer daran, auf die Bühne zu klettern – und dass isländische Bands immer das gewisse Extra in petto haben, ist ja bekannt, aber einen E-Kontrabass bei einer Black-Metal-Band ist dann doch was Neues. Und dann experimentiert die Band auch noch damit rum: Während Bassist Ævar das Instrument meist zupft, greifen er und Gitarrist/Sänger Þorbjörn hin und wieder auch zu Bögen und spielen die Instrumente als Streicher. Das erzeugt viel Atmosphäre und hört sich wunderbar an, in Kombination ein bisschen wie ein verzerrtes Cello.

Aber auch sonst haben ZHRINE musikalisch was zu sagen und zocken ihren Post-Black Metal finster, aber melodisch, wütend, aber hypnotisch von der Bühne des Columbia Theater herab ins Publikum. Sie sehen dabei ein wenig aus wie die perfekten Schwiegersöhne, was im Rahmen des De Mortem et Diabolum auch mal was anderes ist. Die Anwesenden finden das gut und lassen sich gerne von der hypnotischen Stimmung des Albums „Unortheta“ (2016) einfangen. Viel Bewegung gibt es dabei selbstverständlich nicht, aber lauten Applaus in den Pausen zwischen den einzelnen Songs. Ein beeindruckender Auftritt – das sagen alle, auch diejenigen, die die Band vorher nicht auf dem Schirm hatten.

Galerie mit 10 Bildern: Zhrine – De Mortem Et Diabolum 2018

DARVAZA

Zwei der DARVAZA-Musiker stehen heute zum zweiten Mal auf der Bühne, nämlich KULT-Sänger Tumulash, der hier als Bassist fungiert, sowie KULT-Drummer Gionata „Thorns“ Potenti, der bei DARVAZA die Gitarre spielt und sich am Mikro betätigt. Optischer Blickfang der Band ist hingegen Hauptsänger Wraath, auch bekannt von unter anderem ONE TAIL, ONE HEAD und BEHEXEN. Dieser windet sich und wendet sich und schreit nicht nur mit Gänsehautfaktor die Bühne zusammen, sondern verkörpert dabei den reinen Wahsinn, zeigt pure, animalische Getriebenheit. Zwischendurch nimmt er immer wieder einen Schluck Rotwein aus der Flasche – das hat Steele!

Besonders hörenswert sind die Gesangsduette zwischen Wraaths heftigem Gekrächze und Thorns‘ halbklarem Wahnsinnsgesang, zu dem teilweise auch noch Tumulash‘ Screams dazukommen. Aber auch die Instrumentalfraktion von DARVAZA entfesselt getrieben surrenden, absolut finsteren Orthodox Black Metal in der Tradition von zum Beispiel Wraaths anderem Betätigungsfeld BEHEXEN. Das Ganze präsentiert sich dem De Mortem et Diabolum 2018 in klirrendem, aber sauberem und ausgewogenem Sound – so darf Black Metal klingen!

Passend zum Dargebotenen verlässt Wraath die Bühne, nachdem er nochmal kräftig aufs Mikro gehauen hat und während der Rest der Band noch den Song zuendespielt. (Er kommt aber nochmal zurück auf die Bühne – schließlich hat er noch zehn Minuten!) Während des letzten Songs im DARVAZA-Set bietet er noch einen optischen Höhepunkt, als er von der Bühne auf einen Lautsprecher klettert und das Publikum von dort wie besessen anstarrt. Es folgt: Der beste Abgang des Festivals. Wie es Wraath schon vorgemacht hat, ist der letzte Ton des DARVAZA-Rausschmeißers noch nicht ausgeklungen, da lässt Wraath das Mikro fallen, der Rest schnallt sich die Instrumente ab und ohne weiteres Wort eilt der Fünfer von der Bühhne. No Bullshit, just fvkkyng Black Metal – danke!

Galerie mit 23 Bildern: Darvaza - De Mortem Et Diabolum 2018

NECROS CHRISTOS

Anschließend ist es Zeit für einen kleinen Abschied – denn NECROS CHRISTOS spielen zwar noch live (unter anderem im Februar eine Tour mit den Orthodox-Black-Metal-Königen ASCENSION), aber es heißt von Seiten der Band, dass es zumindest keine weitere Alben mehr geben wird. Wie oft man also noch Gelegenheit haben wird, die Band live zu sehen, ist fraglich – und folgerichtig ist das Columbia Theater gerammelt voll (gefühlt NOCH gerammelter, als es schon bei ZHRINE und DARVAZA der Fall war) und genießt okkulten Blackened Death Doom Metal (oder so) bei perfektem, fettem Soundpaket.

NECROS CHRISTOS lassen sich nicht lumpen und rattern Hit um Hit herunter, tendenziell liegt das Augenmerk auf dem letzten Album „Domedon Doxomedon“ und der EP „Nine Graves“, aber auch die Klassiker von „Doom Of The Occult“ kommen zur Geltung. Nicht nur die Setlist der Band ist der Hammer, sondern auch die technische Darbietung – denn wenn man sich bei den Berlinern auf eines verlassen kann, dann darauf, dass sie stets nahe der Perfektion agieren und dass schlechte NECROS CHRISTOS-Auftritte eine Unmöglichkeit sind.

Folgerichtig sieht man auch das erste Mal beim De Mortem et Diabolum 2018 massenhaft fliegende Mähnen im Publikum – zwischen den ganzen abstrakt-komplexen Black-Metal-Bands schadet ein ein bisschen straighter Death Metal zur Abwechslung halt nicht. Und so ist nach „Necromantique Nun“ von „Doom Of The Occult“ (2011) viel zu früh Schluss – das hätte auch ruhig noch eine Stunde weitergehen dürfen. Schade, dass in absehbarer Zeit wohl Schluss mit NECROS CHRISTOS sein wird. Und Schande über jeden, der nicht noch eine der letzten Gelegenheiten mitnimmt, diese Band live zu sehen.

Galerie mit 20 Bildern: Necros Christos - De Mortem Et Diabolum 2018

SVARTIDAUÐI

Mit SVARTIDAUÐI – den dritten Isländern im Bunde – ist dann schon die letzte Band des De Mortem et Diabolum-Freitags an der Reihe. Die Erwartungen sind groß, schließlich hat der Vierer aus Reykjavik vor kurzem erst mit „Revelations Of The Red Sword“ ein verdammt gutes Album hingelegt und gilt überdies als hervorragende Liveband. Um so größer ist die Enttäuschung, als SVARTIDAUÐI pünktlich ihr Set beginnen – denn das Schlagzeug hat einen ganz komischen Plastik-Triggersound.

Das wirkt unpassend zu der ansonsten sehr atmosphärischen Herangehensweise der Band, allein wegen des schon während der Umbaupause mindestens 15 Minuten laufenden Atmo-Tracks. Die Wirkung der hypnotischen, disharmonischen Leads, die zum Augenschließen und Wirkenlassen einladen, wird von den harten, BELPHEGOR-artigen Drums einfach ein Stück weit zerschossen.

Das ist aber in diesem Falle Kritik auf hohem Niveau, denn ansonsten spielen SVARTIDAUÐI einen Auftritt, der nahe an die Perfektion heranreicht. Jeder noch so schiefe Ton sitzt mit voller Absicht da, wo er sitzen soll, und das reduzierte, aber um so brutalere Stageacting der Band – allen voran Sänger und Bassist Sturla Viðar – tut sein Übriges, um das De Mortem et Diabolum-Publikum auf SVARTIDAUÐI-Seiten zu ziehen. Damit darf der Auftritt auf jeden Fall als gelungen verbucht werden, auch wenn mehr Material vom ebenfalls hervorragenden Debütalbum „Flesh Cathedral“ nett gewesen wäre.

Somit geht der Freitag des De Mortem et Diabolum 2018 zu Ende und hinterlässt trotz einiger kleiner Mäkelchen einen guten Eindruck. Schnell noch eine Gerstenkaltschale getrunken und einen Teller Suppe von Pinatz gelöffelt, und dann ab ins Hostel – am morgigen Samstag gehts dann mit einer Band mehr weiter. Gute Nacht allesamt!

Galerie mit 18 Bildern: Svartidauði – De Mortem Et Diabolum 2018

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11.01.2019

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