Dark Easter Metal Meeting
Der große Festivalbericht
Konzertbericht
Sonntag, 31.03.2024
CHAPEL OF DISEASE, Werk (14:30)
Übrigens kann man im hinteren Teil des Backstage-Geländes auch mit einem Campingfahrzeug Festival-Feeling genießen, was bisher noch nicht viele Besucher:innen in Anspruch nehmen. Und so gönnen wir uns einen stressfreien Vormittag im nahgelegen Biergarten, treffen auf unzählige Metalheads, gönnen uns ein frisches Bier aus dem Kühlschrank unseres Vans und sind pünktlich zurück im Backstage. Auf der großen Bühne geben sich die Kölner Death-Metal-Prog-Rocker von CHAPEL OF DISEASE die Ehre und zeigen, dass sie auch am frühen Nachmittag überzeugen können. Zwar lichten sich die Reihen im Zuschauerraum immer wieder, was der Perfektion des Sets aber keinen Abbruch tut. „Oblivious / Obnoxious / Defiant“ drückt heute jedenfalls extrem stark und wir sind hellwach. (ODI)
FAIR OF THE FORGOTTEN, Club (15:25)
Der Club ist auch bei FAIR OF THE FORGOTTEN ordentlich gefüllt. Hier haben PERCHTA vor zwei Jahren ihr Livedebüt gegeben – heute spielen sie parallel in der größeren Halle. Insgesamt fällt auf, dass viele Frauen an den Mikrofonen stehen. Ob bewusst oder zufällig, wir erwähnen die Entwicklung mindestens aufgrund der breiteren Vocalvielfalt gutheißend.
Aus dem Publikum schallt ein kräftiges „Geil“, dem wir uns gern anschließen. FAIR OF THE FORGOTTEN sind eine neuere Band aus Bayern, die nicht nur ihren Lokalvorteil ausspielen, sondern starken Black Metal in kerzenflackernder Stimmung bieten – zu sehr lautem, aber gutem Sound, der vor allem die Ride überragend in Szene setzt. Spannende Kontraste zum Düsterambiente liefern die stimmungsvollen Ufftaparts. (AG)
PERCHTA, Halle (15:25)
Starker Tobak fährt uns bereits mit dem Opener in der Halle ein. Die Tiroler müssen sich vor ihrer Anreise zum Backstage in sämtlichen auffindbaren dunklen Kellern, auf einsamen Dachböden und natürlich in den entlegensten Ecken der Natur Inspiration geholt haben, denn mehr Düsternis geht nicht. Gleichzeitig verzaubert uns Frau Percht alleine mit ihrer Aura. Androgyn und fließend sind ihre Bewegung, die Bandbreite ihrer Stimme ist bewundernswert.
Da überrascht es uns kaum, dass viele im Nachgang der Show von Gänsehaut und Heidenangst sprechen. Und weil PERCHTA von harschem Black Metal bis stimmungsvollem Dark Folk viele Genres im Repertoire haben und diese geschickt im Songwriting miteinander verbinden, wird die Band beim nächsten Mal hoffentlich zu späterer Stunde im Werk gastieren. (ODI)
ENDSTILLE, Werk (16:20)
Nun, bei einem ENDSTILLE-Konzert kann praktisch alles passieren. Der Sound ist heute jedenfalls schon einmal sehr gut, auch wenn uns im vorderen Bereich stehend, die Ohren sausen. Dabei ertönt kaum hörbares aus dem Gitarrenamp vom Roten. Klar – den muss man natürlich vom Ruhemodus in den aktiven Modus scharfschalten. Das kann man schon mal vergessen. Ansonsten ballern die Kieler ordentlich, verzichten nicht auf „Sick Heil“ und „Endstilles Reich“, zanken sich aber extrovertiert auf der Bühne herum, weil hier noch ein Schluck Bier getrunken werden muss und dort mal ein Einzähler zu früh kommt.
Über all das können und wollen wir uns gar nicht echauffieren, denn eigentlich machen diese Stimmungs-Achterbahnfahrten mittlerweile den Reiz einer ENDSTILLE-Show aus und hinter den herumätzenden Stänkern stecken supersympathische Männer. (ODI)
CIEMRA, Club (17:15)
Die Venue zum Entdecken: Zugegeben, CIEMRA standen bis dato nicht auf unserem Zettel. Das ändert sich schon beim Gig, denn die belarussische Band überzeugt optisch und musikalisch. „Ciemra“ (Цемра) bedeutet Dunkelheit – die würzen sie zunächst mit reichlich Räucherstäbchenduft und brechen sie immer wieder durch rampensauige Performances und viel Animation auf. Das ist okay, braucht es aber nicht zwingend, weil die durch Kapuzen und verdeckte Gesichter geschaffene Mystik darunter leidet.
Andererseits passt das wieder zur vereinzelten Ufftastimmung. Generell punkten CIEMRA musikalisch mit einer guten Mischung aus brachial und gediegen, finster und lebhaft. Die Sichel ist ein Kernsymbol, das wir vom Promofoto kennen – und das auch live zum Repertoire gehört und gut mit den Outfits harmoniert, die untenrum irgendwie „pyramidhead“ und oben im Sensenmannfraustyle daherkommen. (AG)
EIS, Halle (17:15)
Wenn man den Bandnamen EIS bei den Temperaturen an diesem Wochenende in der Backstage-Halle liest, muss man gelegentlich schmunzeln. Das Lokalität ist nur nicht voll, sondern heiß und verschwitzt. Nichtsdestotrotz will die Truppe eine bestimmte Atmosphäre und Stimmung kreieren, die zum Konzept von ihrem Album „Galeere“ passt.
Die Ostwestfalen um Bandchef Alboin tragen Anzüge von Bootsmännern, die ein einheitliches und passendes Bild abgeben. Dazu steht Alboin in der Mitte der Bühne vor einem großen Steuerrad eines Schiffes, dass durch Bühnenlicht in blau und weiß erhellt wird. Das macht visuell ordentlich was her und bringt uns in die richtige Stimmung. Das EIS erprobte und langjährige Profis sind, hört und sieht man zu jeder Zeit. Hier sitzen alle Griffe und Schreie. Nicht nur, dass die Band zu jeder Zeit echt ist, viel mehr sieht man ihr auch Freude am spielen an. Mit dem Epos „Unter toten Kapitänen“, der mehr als 15 Minuten Zeit beansprucht, wird diese beeindruckende Show beendet. EIS können der Hitze trotzen. (MS)
MORTEM, Werk (18:10)
Was haben wir uns im Vorfeld über die Verpflichtung von MORTEM gefreut. Immerhin besitzt die Band einen nicht zu leugnenden Kultstatus, weil sie praktisch nie etwas sinnergebendes veröffentlicht hat und gleichzeitig eine Art Black-Metal-Supergroup darstellt. Heute haben die Norweger ihr drumstickschwingendes Schlachtross Hellhammer (MAYHEM) nicht dabei und stolzieren stattdessen mit mittelalterlichen Kriegskeulen über die Bühne. Muss das sein? Der Sound ist brillant, kann uns aber nicht vor gleichgültigen Empfindungen gegenüber des MORTEM-Sets retten. (ODI)
SUR AUSTRU, Club (19:05)
SUR AUSTRU bringen angeschwärzten Folk Metal in den Club des Backstage, den schon ihr abgefahrenes Logo untermalt. Gegründet von ehemaligen NEGURĂ-BUNGET-Mitgliedern gehen die Rumänen vorwarnungsfrei mit einem Midtempobanger in die Vollen – und werfen die Haare selbst ansehnlich synchron vor und zurück. An den Mikrofonständern hängen Masken, die die heimatliche Folklore genau wie die traditionellen Instrumente betonen.
Fronter Tibor Kati hat eine spannende Vocalrange und tönt gerade bei den Growls sehr intensiv. Schön, dass der Sound im Club erneut an „grandios“ grenzt, denn so erhält auch die teils filigrane Leadgitarre ihre angemessene Bühne. (AG)
ABYSMAL GRIEF, Halle (19:05)
Dass die Halle zugeräuchert ist, riechen wir schon draußen. So gestaltet sich der Weg hinein gelungen atmosphärisch und die Stimmung harmoniert vom Fleck weg gut mit der vernebelten, in mystisch rotes Licht getauchten Venue, dem Kerzenschein und der Kirchenfigur auf der Bühne.
Ebenso passend ist das Mikrofonpult, an dem Labes C. Necrothytus seine Messe liest. Sein Enthusiasmus und das viele Animieren brechen zwar mit dem Grundkonzept, wirken als Gegenpart aber genau deshalb auch interessant. Und natürlich kommt die italienische Institution gut an, zumal Doom Metal beim DEMM eine untergeordnete Rolle spielt. (AG)
CULT OF FIRE, Werk (20:00)
Der heimliche Headliner an diesem Wochenende heißt CULT OF FIRE. Am gesamten Wochenende vernimmt man in Gesprächen, dass viele Gäste sehr gespannt auf den Auftritt der Tschechen sind. Gefühlt sind alle Besucherinnen und Besucher rechtzeitig in der Halle, um nicht die ersten Minuten zu verpassen.
Vorhang auf und Manege frei heißt es dann pünktlich um 20 Uhr im Werk. Als der Vorhang fällt, ist man erstmal völlig überfordert mit der reichlich und gut geschmückten Bühne. Ein riesiger Tisch mit vielen Dekorationen ist vorzufinden, auf dem neben Obst und Kerzen zusätzlich Dekorationen aus buddhistischer und hinduistischer Religion zu entdecken sind. Dahinter steht Sänger Vojtech Holub in einer pompösen Robe mit zwei riesigen Hörnern. Doch damit nicht genug. Links und rechts von der Bühne sind zwei Schlangenköpfe aufgestellt, die in Gold glänzen und auf denen die Gitarristen im Schneidersitz sitzen. Die Frage stellt sich: Ist das zu viel oder passt das in das Konzept der Band? Das muss jeder für sich entscheiden.
Musikalisch ist die Band über jeden Zweifel erhaben. Die fetten Gitarren schreddern sich souverän durch das Set, während Sänger Vojtech in einer erhabenen Souveränität seine Texte in das Weite brüllt. Nebenbei wird eine weiße Flüssigkeit (Milch?) über eine kleine Statue gekippt, die Multitasking-Fähigkeiten voraussetzt. Diese Zeremonie lotet noch einmal die Grenzen von Kitsch aus. Insgesamt hat das Gesehene etwas von einer BATUSHKA-Show, nur das die Thematik hier im Hinduismus und Buddhismus stattfindet. Diese Show müssen wir erst noch verarbeiten, um ein endgültiges Urteil zu fällen. (MS)
PHANTOM WINTER, Club (20:55)
Marcel wusste es bereits: PHANTOM WINTER sind großartig. Mit sinkender Euphorie (nach dem zuvor erlebten, lächerlichen Spektakel von CULT OF FIRE), flanieren wir in den nicht mehr zum Bersten gefüllten Club und lassen uns sofort von den bleischweren Gitarren der Würzburger mitreißen. Im Publikumsbereich fliegen ausnahmslos lange Mähnen zu den abgebremsten Rhythmen, die bei PHANTOM WINTER von zwei Sängern begleitet werden, was schon einmal den ersten Punkt in Sachen Extravaganz auf der Habenseite der Band ausmacht. Gleichzeitig streut Gitarrist/Sänger Andreas Schmittfull (OMEGA MASSIF) immer wieder moderne Cleanvocals ein, was sich leider auf die Härte der Songs auswirkt und teilweise einen collegehaften Metalcore-Geschmack hinterlässt.
Ansonsten begeistern uns die Franken mit ihrer Idee des Sludge absolut und es fällt uns schwer, den Club fünf Minuten früher zu verlassen, aber im Werk stehen SODOM schon bereit. (ODI)
THY CATAFALQUE, Halle (20:55)
THY CATAFALQUE feiern auf dem Dark Easter Metal Meeting ihre Deutschlandpremiere. Das ist also dieser Avantgarde Metal, von dem niemand redet. Spaß beiseite, denn für etliche Besucher*innen ist der Auftritt ein echtes Highlight: Nachdem Mastermind Tamás Kátai die Band mehr als 20 Jahre lang als Studioprojekt geführt hat, starteten die Liveshows im Sommer 2021.
Ob man sie mag oder nicht, eines garantieren THY CATAFALQUE allemal: Abwechslung. Ständig wechseln die Menschen am Mikrofon, manchmal sind es gleich mehrere, sodass sich nicht nur die Stimmfarben ändern, sondern auch die musikalische Grundrichtung. Das ist insgesamt viel Input, den wir erst mal verarbeiten müssen – der im Bandrahmen des Festivals aber auch ein klares Ausrufezeichen setzt. (AG)
SODOM, Werk (21:50)
Mit einem Oldschool-Set haben sich die Ruhrpottlegenden angekündigt und mit einem Oldschool-Set macht die Band um Tom Angelripper das Backstage dem Erdboden gleich. Vom ersten Moment an, geht im Werk der Punk ab und es bildet sich ein wirklich ausgewachsener Moshpit, der fernab jeglicher Circle-Pit-Kultur eine Würdigung an die 90er Jahre darstellt. Davon beflügelt, rotzen SODOM allerlei klassisches Songmaterial ins Publikum, wobei die Highlights genauso erwartbar wie tanzbar sind. „The Saw Is The Law“, „Agent Orange“, „Outbrake Of Evil“ und „Bombenhagel“ hört man vielleicht nicht nur bei einem Oldschool-Set, aber man hört sie eben immer gern. Dass das Dark Easter nicht Woodstock ist, merken wir bei all den schiefen Tönen während der deutschen Nationalhymne im Schlussteil von „Bombenhagel“. Immerhin ist Frank Blackfire cool genug, sich nicht öffentlich mit Jimi Hendrix zu vergleichen, dessen Interpretation von „Star Spangled Banner“ seinerzeit um ein vielfachen entrückter klang. Egal. Denn SODOM treten heute Hinterteile und bilden einen absoluten Höhepunkt des Festivals. (ODI)
IMHA TARIKAT, Club (23:00)
Geballte Action klingt etwas eigenartig im Zusammenhang mit einer Black-Metal-Show, aber IMHA TARIKAT bieten voller Power, Energie, Inbrunst und Hingabe. Als einer der letzten Acts hat man nochmal die Aufgabe, dass Publikum für die letzten Stunden anzuheizen und das gelingt der Truppe im Handumdrehen. Die markanten Brüllattacken von Sänger und Gitarrist Kerem sind mittlerweile zum stilprägenden Merkmal geworden. Und dass die Band aus einem eingeschweißten Freundeskreis besteht, sieht man an den festen Umarmungen untereinander. Einziger Wermutstropfen ist heute der etwas schwächere Sound, der manchmal undifferenziert ist. IMHA TARIKAT schießen uns perfekt auf die nächste Band ein, die niemand geringeres als BENEDICTION ist. (MS)
SYLVAINE, Halle (23:10)
SYLVAINE haben einen Riesensprung gemacht. Daher überrascht es kurz, dass sie „nur“ in der Halle spielen – übrigens ihr Münchendebüt. Kurz, denn es zeigt sich, dass die mittlere Venue genau richtig für die Band um Multiinstrumentalistin und SYLVAINE-Gehirn Kathrine Shepard ist. Für die Intensität und Emotionalität ihrer Lieder wie „I Close My Eyes so I Can See“ wäre das Werk zu groß – und das ist absolut positiv gemeint.
Obwohl SYLVAINE mit Metal und harschen Geisterschreien starten, ist die musikalische Mischung immer die Kaiserin ihrer Auftritte. Gepaart mit den ästhetischen Bewegungen der Fronterin entsteht ein kraftvoller Sog, dem man gar nicht entkommen möchte. Im Gegenteil: Die träumerische Musik und die Vocalfacetten von SYLVAINE laden dazu ein, sich hinter geschlossenen Lidern fallenzulassen. (AG)
BENEDICTION, Werk (00:05)
Endspurt! Bis zur letzten Sekunde bleibt das Werk spärlich besetzt und viele Menschen erholen sich im Außenbereich von einem vollgepackten, erlebnisreichen Wochenende. Viele haben sich nach der SODOM-Show aber auf den Heimweg gemacht, womit das Werk nur noch halbvoll wird. Die Band um Dave Ingram scheint das kaum zu stören und so bedient man sich zwischen den Tracks aus dem mitgebrachten Bierträger, der dekorativ auf dem Drumriser thront. Der Sound ist wieder druckvoll, austariert und einfach extrem gefällig. Die Laune auf der Bühne steckt die unverwüstliche Death-Metal-Schar davor an und so wird ausgelassen zu Klassikern wie „Vision In The Shroud“, „Subconcious Terror“ und „Dark Is The Season“ gebangt und Fäuste in den Himmel gereckt, was das Zeug hält. Das die aktuellen Songs wie „Stormcrow“ und „Progenitors Of A New Paradigm“ genauso gut zünden, bemerkt auch Ingram, der mehrfach die „Beer O´Clock“ aufruft.
Leider viel zu spät müssen BENEDEICTION also beweisen, wie vital und frisch ihr Death Metal noch immer ist. Stattdessen hätte CULT OF FIRE dieser unsägliche Final-Slot sicherlich besser gestanden und vielleicht wären noch mehr Menschen in der Halle geblieben. (ODI)
Damit endet ein wie immer spektakuläres Osterwochenende unter Freunden und mit viel neuer, aber auch gut gealterter Musik. Mit anregenden Gesprächen, tollen Konzerten und nur wenigen Ausfällen. Bis nächstes Jahr!
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