Konzertbericht
Das fing an mit der Abmischung, die rein technisch gesehen ziemlich übel war. Man sollte meinen, dass es kein Problem sein sollte, vier verschiedene Melodiespuren differenziert abzumischen, ohne dass Bass und Gitarre zu einem unhörbaren Brei mutieren. Atmosphärisch gesehen erfüllte sie aber ihren Zweck, denn so bekamen die gewohnt auf Hochglanz gemischten Songs eine erdige rockige Note. Jene wurde auch durch die mehr als nur minimalistische Lichtshow verstärkt, die tatsächlich nur aus einer Hand voll dreifarbiger Scheinwerfer bestand, und damit (im „positiven“ Sinne) keinerlei Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Aber selbst eine Pyroshow wie in Audioslave’s „Cochise“-Video hätte der Band nicht die Show stehlen können. Hier wurde gepost, gehüpft, angeheizt, und ständig der Augenkontakt zum Publikum gesucht. Und das schreibe ich nicht einfach so um mich beim Label einzuschleimen; tatsächlich habe ich selten so eine vitale und überkochende Liveband gesehen. Da fiel auch das suizidgefährdete und anorexische Aussehen des Sängers nicht mehr auf.
Mir jedenfalls nicht. Aber ich bin ja auch männlich. Frauen haben das sichtlich anders wahr genommen und vereinzelt statt Pommesgabeln, mit beiden Händen geformte Herzen in die Luft gestreckt, wenn sie mal nicht ausgiebig am schmachten waren. Glücklicherweise taten sie das aber hauptsächlich nach dem Konzert, denn solange die Band spielte, war die Garage ein Hexenkessel aus Jubel und Partystimmung. Wenn nicht gerade gehüpft wurde, flogen Haare durch die Gegend, wurden Arme hochgerissen oder besonders auffällige Einlagen bejubelt. Nen Moshpulk gab’s zwar nicht, aber dennoch hab ich mich verdammt wohl gefühlt. Wieder eine positive Überraschung und ein entkräftigtes Vorurteil mehr. Im Gegensatz zu Sergejs Konzerterfahrung, war hier bis in die kleinste Ecke der Halle eine fanatische Musikbegeisterung zu spüren.
Allerdings war teilweise schon merkbar, dass jene Band eben noch nicht so viele Hochkaräter geschrieben hat, wie eine Band mit mehr Alben auf dem Buckel. Gerade der Mittelteil lebte allein von der beeindruckenden Stageperformance, bis am Schluss wieder stärkere Sachen runtergezockt wurden. Warum die mächtigen „Quarter Void“ und „Tsuki no Kioku -fallen-“ nicht gespielt wurden, bleibt mir aber auch nach dem Konzert noch ein Rätsel. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Truppe nach einer Stunde schon wieder verschwand, und dann nur noch drei Songs in ihrem ersten und einzigen Zugabenblock präsentierte. Für die horrenden Ticketpreise, hätte da durchaus mehr drin sein können. Die Ausrede, dass man Kreislaufzusammenstürze der Fans verhindern wollte, zieht auch nicht: Die Security hat das komplette Konzert über absolut vorbildlich Wasser ans Publikum verteilt.
Im Endeffekt überwog also das Positive der Konzerterfahrung. Irgendwie ist es schwer, den J-Rock Fan und Musikredakteur in mir unter einen Hut zu bringen. Klar trägt der Fankreis nicht unbedingt zur Seriösität der Musikrichtung bei (wenn eine Japan-Metalcore Band wie Dir En Grey einen drastischen Suizid-Song nach dem anderen schreibt, und sich etliche Fanforen nur darüber streiten, welcher Musiker welchem Fan gehört), aber bisher konnten mich die vergangenen Ereignisse auch immer wieder vom Gegenteil überzeugen. Klar bekommt D’ESPAIRS RAY für die Rockband die sie sind, viel zu viel Aufmerksamkeit und Fanatismus entgegen gestreckt, aber nach so einem Auftritt kann ich der Band dafür beim besten Willen keine Schuld geben. Vielleicht verschmilzt der J-Rock- und Metalfankreis ja irgendwann zusammen, und japanische Bands stoßen in Europa auch mal auf eine andere Kultur, als ihre eigene.
Setlist D’espairs Ray:
1. Grudge
2. Maze
3. Injection
4. Dears
5. In Vain
6. Reddish
7. Closer To Ideal
8. Kogoeru Yoru Ni Saite Hana
9. Yami Ni Furu Kiseki
10. Abel To Cain
11. Pig
12. Garnet
13. Forbidden
–
14. „New Song“
15. Born
16. Fuyuu Shita Risou
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37188 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!