Crazy Town
Live in Berlin 2017
Konzertbericht
Na, erinnert ihr euch noch? Damals, im Jahre 2000. Der Song „Butterfly“ der Band CRAZY TOWN. Falls ihr euch nicht erinnert, seid ihr wahrscheinlich deutlich u30, denn allen anderen dürfte dieser Sommerhit damals kaum entgangen sein. CRAZY TOWN gibt es auch heute noch, auch wenn sie nicht mehr allzu viele Leute auf dem Schirm haben. Das ist schade, denn an diesem Abend in Berlin können sie beweisen, dass sie nicht nur musikalisch in super Form sind, sondern auch nach wie vor wissen, wie man ein Publikum begeistert.
Fotos von Andrea Friedrich.
Bevor es allerdings auf die Bühne geht, nimmt sich Frontmann Shifty Shellshock noch die Zeit, uns in einem kurzen Interview einen Einblick in die heutigen CRAZY TOWN zu geben. Er ist als einziger von der Originalbesetzung übrig geblieben, hat es aber geschafft, eine lustige Truppe um sich zu scharen. Wer sich (so wie wir) seit Anfang der 2000er nicht mehr mit der Band beschäftigt hat, dem fällt erstmal auf, dass man den guten Shifty kaum mehr wiedererkennt. Seine Tattoos sind mittlerweile seinen Hals empor gewandert und haben sich recht flächendeckend über seinen rasierten Kopf gelegt. Auch seine recht bewegte Drogenvergangenheit ist nicht ganz spurlos an ihm vorbeigegangen. Er zeigt sich an diesem Tag aber sehr klar und vor allem sympathisch. Die Kurve scheint er also gekriegt zu haben.
Tourbus? Denkste!
Dass es bei CRAZY TOWN aber trotzdem etwas kaputt zugeht, stellt sich dann im Gespräch heraus. Shifty zeigt den Van, in dem die Band herumreist. Um möglichst viel Geld zu sparen, wurde der in Italien gemietet, kurzerhand eine Matratze aus einem Club geklaut und daraus hinten ein Bett gebaut. Die Schiebetür und eine der vorderen Türen sind außerdem kaputt und man muss durch ein Fenster reinklettern. Man sieht es aber mit Humor, denn so wird der Wagen noch einbruchsicherer. Zitat: „Auch für die Kriminellen öffnen sich die zwei Türen nicht!“ Bei voller Fahrt federt die Matratze dann aber auch noch so, dass man bei Straßenunebenheiten gegen die Decke geworfen wird.
Auf die Frage hin, was das Idiotischste ist, das er auf Tour bisher so gebracht hat, erwidert er, dass er jeden Tag versucht, sich selbst noch zu übertreffen. Eine lustige Tourgeschichte bekommen wir zwar nicht zu hören, dafür aber etwas über die Leidenschaft am Touren. Dass das ihm nach wie vor großen Spaß macht, ist dem guten Herrn Shellshock deutlich anzumerken. Er erzählt außerdem, dass bei vielen Konzerten natürlich vor allem die Leute auftauchen, die die Band von früher kennen und garnicht wirklich sicher sind, was sie heute überhaupt machen. Es gehe auch mit darum, genau diesen Leuten zu zeigen, wer CRAZY TOWN heute sind.
Jetzt aber mal zur Show
Diese beginnt vor einem noch recht leeren Badehaus. Auch wenn bereits ca. eine Stunde vor Einlass die ersten Gäste mit ihren Tickets in der Hand vor der Tür standen, so ist der große Ansturm bis Konzertbeginn ausgeblieben. Man stellt sich so ein wenig die Frage, ob sich das an diesem Abend noch ändern wird. Ist der Lack bei CRAZY TOWN ab? Der weitere Verlauf wird es zeigen.
DIE XYZ
Galerie mit 16 Bildern: Die XYZ - Support von Crazy Town
Ganz spontan und durch ihre guten Freunde von ENGST vermittelt sind DIE XYZ aus Berlin eingesprungen. Ein Zweifel daran, welche Band auf der Bühne steht, kann allein schon aufgrund der Shirts, die die Jungs tragen, nicht aufkommen. Das Trio hat sich passend zum Bandnamen jeweils in ein X, Y und Z gekleidet. Ihr Alternative Rock / Pop Punk mit deutschen Texten kommt beim Publikum recht gut an. Es ist eben keine Metal-Show. Routiniert und sympathisch interagieren sie dabei auch mit den Zuschauern und zollen ihren Freunden von ENGST Tribut, indem sie ansagen, dass sie an diesem Abend mit einer ihrer Lieblingsbands auf der Bühne stehen dürfen. Dabei handelt es sich, man hat es schon fast geahnt, allerdings nicht um CRAZY TOWN, sondern eben um ENGST.
ENGST
Galerie mit 18 Bildern: Engst - Support von Crazy Town
Mit diesen Berlinern steht gleich die nächste Band auf der Bühne, für die das heutige Konzert ein Heimspiel ist. Auch sie haben deutsche Texte und bewegen sich in einem ähnlichen Genre. Sehr eingängig und melodisch geht es bei ihnen zu, was ihnen wohl manchmal schon den Titel „RISE AGAINST auf Deutsch“ eingebracht hat. Mit einem Set von ca. 45 Minuten haben sie genug Zeit, die Menge für sich zu begeistern, was ihnen auch gelingt. Auch wenn es immernoch nicht ganz so voll ist, so wird bis zur Mitte des Saals doch schon ordentlich getanzt. Vor allen mit dem MARTERIA-Cover „Lila Wolken“ spielen sich ENGST in die Herzen der Zuschauer. In ihrer rockigen Version kann man sich den Song sogar anhören. Hätte man vorher nicht gedacht.
CRAZY TOWN
Galerie mit 22 Bildern: Crazy Town - live in Berlin
Für den Hauptact des Abends geht es erstmal mit leichten Soundproblemen los. Der Track vom Band ist zu laut abgemischt, die Band zu leise in den Monitoren. Das führt bei Fronter Shifty zu einem weniger beherrschten Verhalten als zuvor im Interview. Nachdem er eine Weile rumgepöbelt hat, entschuldigt er sich aber prompt und wird auch wieder handzahm. Von Anfang an top ist dagegen die Stimmung im Publikum. Man fragt sich schon, wo die ganzen Leute alle auf einmal hergekommen sind, denn plötzlich ist der Laden bis fast ganz hinten gefüllt. Zurückhaltung ist auch nicht angesagt, denn sobald die Band die Bühne betritt, wird getanzt und bei den härteren Songs auch gemosht. In der ersten Reihe befinden sich zwar ein paar Moshpit-Allergiker, was bei „Toxic“, dem wohl härtesten Song, fast zu einem kleinen Bar Fight führt, größtenteils bleibt das Geschubse allerdings freundschaftlich.
Eine wirklich coole Interaktion gibt es zwischen der Band und vor allem auch mit dem Publikum. Als Shifty es nicht schafft, sein verheddertes Mikro-Kabel zu entwirren (O-Ton „I’m too fucked up for this!“) wird kurzerhand eine Dame aus der ersten Reihe zu Hilfe gerufen. Ihre von Erfolg gekrönten Bemühungen bringen ihr dann den Titel „the detangler“ ein. Zur Mitte der Show hin schaffen es CRAZY TOWN dann sogar, ihrem Bass den Rest zu geben. Innerhalb weniger Minuten ist aber Dank einer der Vorbands für Ersatz gesorgt und es kann weitergehen. Von Erschöpfung ist trotz der mittlerweile saunaähnlichen Zuständen nichts zu spüren. Die Jungs sind zwar schweißbedeckt, rocken aber unbeirrt weiter. Es fällt dabei häufiger auf, wie überraschend heavy die Band live eigentlich ist. Von ihrem alten und auch neueren Studiomaterial her würde man das nämlich niemals erwarten.
Letzter Song ist, wie könnte es anders sein, „Butterfly“. Dabei drehen natürlich dann wirklich alle durch. Man muss aber auch sagen, dass sich das Publikum während des ganzen Auftritts als sehr textsicher erweist, also zum großen Teil aus Leuten besteht, die die Band bis heute verfolgen. Die Ankündigung, dass man sich bald mit einer neuen EP zurückmelden werde und dann auch regelmäßig durch Europa touren will, wird dementsprechend abgefeiert. Zu Ende geht die Show dann aber etwas merkwürdig. Shifty kündigt an, man wolle nur mal eben eine rauchen und komme dann für ein paar Songs wieder. Nach ca. 15 Minuten Wartezeit wird dann aber plötzlich die Bühne abgebaut. Man soll ja aber bekanntlich Schluss machen, wenns am schönsten ist, und das war bei „Butterfly“ definitiv der Fall. Mit einem Gefühl, einen Haken hinter die eigene Jugend gesetzt zu haben, geht es dann also beschwingt nach Hause.
In diesem Sinne:
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