Cancer Bats und Lord Dying
live in Köln
Konzertbericht
Das Underground im multikulturellen Köln-Ehrenfeld wird gern übersehen, zwischen Live Music Hall und Burger King. Der vorgelagerte Biergarten ist an einem warmen Augusttag sicherlich auch einladender als an einem verregneten Februarabend, einen Tag bevor der Karnevalssturm in der Domstadt losbrechen wird. Zu Beginn bevölkern an diesem Abend nur knapp 35 Besucher den kleinen Innenraum. Die Bar leuchtet, Kölsch ist teurer als Beck’s und am Merchandise-Stand steht Liam Cormier, Shouter und Frontsau der CANCER BATS, die einen an diesem Abend hier hergetrieben haben. Im Schlepptau haben die kanadischen Sludge Punker ihre Kollegen von LORD DYING aus Portland, Oregon.
Diese schicken sich dann auch gegen halb neun an, den mittlerweile gut 70 Anwesenden etwas einzuheizen. Mit einem Frontmann, dessen BMI Karl Sanders Konkurrenz macht und einem Sound, der trotz fehlender Bassgitarre mindestens genau so heavy daherkommt, klappt das soweit auch ganz gut. Die Genre-Mixtur aus Sludge, Metal und Stoner erinnert an RED FANG, mit denen man laut Aussage von Fronter Erik Olson das letzte Mal Europa bereiste. Viel Bewegung gibt es im Publikum zwar noch nicht, dafür jede Menge wohlwollendes Kopfnicken und Headbangen. Nach acht Songs beendet das Trio ein Set, das zumindest auf Rezensentenseite stark Lust machte, sich näher mit dieser Band zu befassen.
Setlist Lord Dying
- What Is Not … Is
- The Clearing at the End of the Path
- Greed Is Your Horse
- Poisoned Altars
- In a Frightful State of Gnawed Dismemberment
- A Wound Outside of Time
- Suckling at the Teat of a She-Beast
- Darkness Remains
Die Umbaupause ist schnell vorbei und effektiv genutzt, LORD-DYING-Gitarrist Chris Evans schreibt die Setlist des Abends netterweise nochmal für den Rezensenten auf. Nach Monaten auf Tour hat man die bei LORD DYING nämlich nur noch im Kopf.
Und dann ist ein Song vom Band plötzlich wesentlich lauter als die restliche Umbaupausen-Beschallung und spätestens als es auch noch dunkel wird, ist klar: die CANCER BATS sind drauf und dran die Bühne zu entern. Mittlerweile haben sich mehr als 100 Leute im Underground eingefunden. Es ist nicht dicht gedrängt, aber vor leerem Haus spielt man auch nicht. Die Orange-Amps werden aufgerissen, kurzes Feedback, ein paar dumpfe Akkorde und dann stürmt ein Derwisch die Bühne und bringt den Laden zum Kochen.
Liam Cormier ist ein großartiger Frontmann. Abseits der Bühne ein dauerhaft lachender, herzlicher Zeitgenosse mit einem schrägen Sinn für Humor und keinerlei Interesse an Drogen und Alkohol – mit dem Mikrofon in der Hand ein keifendes Energiebündel mit unfassbarem Bewegungsdrang und wahren Entertainer-Qualitäten. Die Band haut „True Zero“ vom aktuellen Album „Searching For Zero“, „Bricks and Mortar“ und das zeitlose „Sorceress“ ohne Unterbrechung raus, und augenblicklich tropft der Schweiß. Hat man den Bass bei LORD DYING nicht vermisst, so ist man nun doch froh, ihn zu haben. Jaye R. Schwarzer verleiht dem Doom/Hardcore-Gebräu der Band die angemessenen Tiefenfrequenzen und auch seine Backing Shouts erweisen sich für das Gesamtsoundbild als ziemlich wichtig. Scott Middletons Gitarrenriffs sind so schwer, dass sie ihn an der Bewegung hindern. Er bleibt der Fels in der Brandung, während Cormier und Schwarzer über die Bühne toben. An der Schießbude verwendet Mike Peters nur zwei Toms – in erster Linie muss das Trommelfundament für diesen Sound dreckig und massiv sein.
Richtig Punk Rock wird es, als Cormier nach nur wenigen Songs von der Bühne springt und die Bühnenlichter mit einem Beckenstativ als Armverlängerung hochdreht, damit die Band nicht mehr von selbigen geblendet wird und das Publikum begutachten kann. Der Rest der Show ist nur noch Party. Cormier springt umher, klopft Fans auf die Schultern und lässt sie ins Mikro brüllen. Es gibt genau zwei ernste Minuten, in denen der Frontmann auf die Krebs-Spendenaktion der Band hinweist. Jeder Fan solle nach der Show „eins Euro“ in den abgehalfterten Stiefel am Merchandise-Stand werfen, am Ende der Tour will Cormier zudem seine Haare abrasieren und spenden.
Ansonsten gibt es insgesamt fast 20 Songs mit leichtem Fokus auf dem neueren Material. Bewährte Banger des Backkatalogs wie „Hail Destroyer“ und „Lucifer’s Rocking Chair“ funktionieren genauso gut, wie die für CANCER-BATS-Verhältnisse schon experimentellen Klargesangs-Passagen im schleppenden „Beelzebub“. Zum krönenden Abschluss kommt das Set mit dem liebgewonnenen „Sabotage“-Cover und der taufrischen Hymne „Satellites“. Man ist am Ende hin- und hergerissen: Einerseits wünscht man dieser sympathischen Band allen Erfolg der Welt, und andererseits gehört sie einfach in die Clubs dieses Planeten und nicht auf die Stadion-Bühne. „All Hail“ CANCER BATS!
Setlist Cancer Bats
- True Zero
- Bricks and Mortar
- Sorceress
- Pneumonia Hawk
- R.A.T.S.
- Pray For Darkness
- Arsenic in the Year of the Snake
- Hail Destroyer
- Trust No One
- All Hail
- Smiling Politely
- Scared to Death
- Buds
- Road Sick
- Beelzebub
- Lucifer’s Rocking Chair
- Drunken Physics
- Sabotage
- Satellites
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