Bad Brians
Eläkeläiset
Konzertbericht
Ich freute mich schon Wochen vorher tierisch auf den 31.03.06! Und warum freute ich mich? Weil die Humppa-Götter von ELÄKELÄISET mal wieder in der Stadt aufspielten. „Die Rentner“, so die deutsche Übersetzung dieses finnischen Zungenbrechers, treten durchschnittlich ein Mal im Jahr in Berlin/Potsdam auf. Das ist schon eine Art ein Naturgesetz! Doch welche Überraschung! Das diesjährige Ziel der Band, war nicht etwa der Potsdamer Lindenpark, sondern der legendäre Kreuzberger Club SO36. Dieser Bruch mit der Tradition hatte natürlich zur Folge, dass das Publikum sehr durchwachsen war und eher alternativ gekleidet – nicht mehr dieses Stundentenvolk, welches man vom Lindenpark her kennt. Aber egal, gab’s doch die „Rentner“ zu sehen. Also schnappte ich mir einen Kumpel, der weder die Musik, noch die Band kannte, und machte mich an, ihn zum „Rentnertum“ zu bekehren. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass er anstatt ELÄKELÄISET irgendwas mit „legalize it“ verstanden hat und um so neugieriger geworden ist. Na mir soll’s recht sein, solange ich ihn auf den Pfad der Gerechten führen konnte.
Der Auftritt der ersten Band ist an den meisten Konzertbesuchern sang- und klanglos vorbeigegangen, ohne, dass sie davon wirklich Notiz nahmen. Der Grund dafür war die Tatsache, dass die vier Musiker ohne jeglichen Technik-Schnickschnack ein Akustikset spielten und so für verdammt gute Laune im kleinen Kreis sorgten. Gespielt wurde unter anderem auf einer Balalaika und einem Akkordeon. Die Band hieß DIE WALLERTS und mir wurde bestätigt, dass es sich bei den Jungs um waschechte Straßenmusiker handelte. Was ich so mitbekommen habe, war recht gut, denn es wurden in ELÄKELÄISET-Manier Coversongs gespielt, was natürlich an dem Abend besonders gut anzukommen schien. Was ebenfalls reichlichen Applaus nach sich zog, war die Idee der Band, mitten im Publikum zu spielen.
Nach und nach füllte sich der Club und Platz wurde langsam Mangelware, an leichtsinniges Bier holen gehen war nicht mehr zu denken, denn man musste ja um seinen guten Platz fürchten und so arrangierte man sich und ließ Bier holen. Herr Bodo sei dir meines Dankes Gewiss! An der Eingangstür des Clubs stand zwar, dass das Konzert ausverkauft sei, aber ich dachte der Zettel übertreibe etwas, doch nach einer Stunde war die Halle zum Bersten voll und so blieben körperliche Kontakte mit anderen Konzertbesuchern nicht aus. Unter anderem traf ich Hippies, die alle mindestens 40 Jahre auf dem Buckel hatten und die garantiert keine Pommesbude betreiben dürften, weil sie die Hygienevorschriften nicht einhalten könnten. Ihr versteht? Sie sprachen in einer mir fremden Zunge, zwar war ich mir absolut sicher, dass es sich um Deutsch handeln musste, doch da hatte anscheinend jemand kollektiv zu tief ins Glas geschaut! Weiterhin traf ich den Sänger von einer kleinen Berliner Band mit reichlich Potential wieder. Die Band soll hier nicht unerwähnt bleiben– es handelt sich hierbei um VOLKSTROTT. Nette Mucke sollte man antesten!
Ich stellte an dem besagten Samstag überdies fest, dass die Musik der Finnen völkerverbindend ist. Mehrere illustre polnische ELÄKELÄISET-Fans fanden sich weitab von der Heimat im SO36 ein und präsentierten sich stilecht in gehobener Kleidung, kombiniert mit russischen Schapka-Mützen. Wirklich witzige Typen – nur verstand ich sie genauso so wenig, wie auch die Hippies!
Die zweite Band des Abends passte nur bedingt in das Billing. Außer der Tatsache, dass die Band ebenfalls ausschließlich Coversongs spielte, hatten die Jungs nur am Rande mit Humppa oder Akkordeonmucke zu tun. Als das Intro aus der Konserve erschalte, kam es allerorts zu wissendem Nicken, denn zu hören gab es den Song zu dem grandiosen Film „Das Leben des Brian“, was, wie ich glaube, jedem ein Bergriff sein sollte. Passend dazu hieß die Gruppe dann auch BAD BRIANS. Als die vier Herren auf die Bühne kamen, begrüßten sie die Anwesenden mit den Worten: „Hallo wir sind BAD BRIANS und wir spielen nur nach!“ und los ging’s. Geboten wurde Hardcore, wie man ihn kennt – nicht mehr und nicht weniger, durchaus unterhaltend, doch nicht sonderlich innovativ. Das altbekannte Spiel eben, nach drei Songs hätten sich auch aufhören können. Doch durch ihren Verdienst kontrastierte der Auftritt der Finnen besonders schön mit den Hardcore-Fetischisten, sodass man ELÄKELÄISET in Nachhinein um so mehr zu schätzen wusste. Witzig war allerdings, dass alle vier Mann sich gegenseitig Brian riefen. Als zum Beispiel der Gitarrist das Solo anstimmte, zeigte Sänger „Brian“ auf ihn und meinte: „Brian, meine Damen und Herren!
Nach einer Umbaupause ging es dann auch schon los mit dem Hauptact des Abends. ELÄKELÄISET kamen auf die Bühne und nahmen Platz auf den Stühlen vor den, extra für diesen Anlass, aufgestellten Tischen. Diesmal hatten die feinen Herrschaften allerdings keinen Koffer voller Alkoholika mit, vielleicht werden sie alt – wer weiß! Gesoffen wurde trotzdem, aber dann doch eher vor der Bühne. Danach wurde auch ordentlich eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt. Humppa ist ausgezeichnet zum Tanzen geeignet. Der einfache Offbeat, das witzige Keyboard und das Akkordeon sind wie geschaffen dafür! Zum ersten mal in meinem Leben hab ich gemerkt, dass ELÄKELÄISET gar keine Gitarre benutzen. Skandal. Aber wen stört das schon, wenn die Mucke trotzdem geil ist? Keinen. Richtig!
Und sogar ich Kniekrüppel hatte an dem Abend meinen Spaß beim Tanzen. Nach drei Jahren Pogo-Abstinenz, habe ich mich tatsächlich wieder in den Pit geworfen. Das Knie ist heil geblieben – doch wurde ich während der anderthalb Stunden von so vielen nackten Männerkörpern berührt, dass ich mich am liebsten danach gehäutet hätte oder wenigsten mit kochendem Wasser abgekocht worden wäre. Das wäre doch das Mindeste. Gespielt wurden viele Klassiker und einiges, was meiner Meinung nach schon länger nicht bzw. noch nie live zum Besten gegeben wurde. Schade war’s, dass viel zu wenige Songs aus der Anfangszeit der Band gespielt wurden – das so heftigst von mir geforderte „Humppanirvana“ wurde zum Beispiel nicht gespielt! Als Ausgleich wurde aber später am Abend „Pöpi“ gezockt. Zwar völlig übermüdet und dehydriert, habe ich auch da mein Tanzbein geschwungen und nach mehr verlangt. Tja, so sind sie die Humppa-Fans! Was mich ebenfalls freute, ist, dass mindesten sechs Titel vom neuen ELÄKELÄISET-Album „Humppasirkus“ dargeboten wurden. Klasse Sache dieses Album, sehr frisch und munter! Der Rest des Sets bestand aus Liedgut aus der mittleren Schaffensperiode. Unglaublich welche Popularität die „Rentner“ hier in Berlin haben. Als ich meinen Fotoapparillo wegbringen war und die 20 Meter Luftlinie quer durch die Halle überwinden musste, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass sogar in den hintersten Winkeln die Leute ausgelassen tanzten und feierten. Ein Achtungserfolg für die Band. Ebenfalls hat mich überrascht, dass viele, ich sage mal, Ältere anwesend waren, sieht man auch nicht sooft auf Konzerten. Nach anderthalb Stunden Schwitzen im Pit gab es noch brav eine Zugabe, die sich über mehrere Songs erstreckte und es wurde wie auch schon die ganzen 90 Minuten über, heftigst Stagediving betrieben. Sogar ein Mädel ließ es sich nehmen auf dem Bauch durch die Männerschaft weitergereicht zu werden. Wem es gefällt! Und so waren wir alle nach 90 Minuten überglücklich und begaben uns klitschnass auf den Nachhauseweg. Doch nicht bevor die Band noch fleißig feste Händedrücke in der ersten Reihe verteilte. So benehmen sich richtige Gentlemen.
Fazit: Ein grandioses Konzert mit unglaublicher Stimmung! Wer es noch nicht erlebt hat, sollte unbedingt auf ein ELÄKELÄISET-Konzi gehen! Ihr werdet es nicht bereuen. Alles in allem ein wunderbarer Abend! Stay Humppa!
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