Avantasia
live auf der "Ghostlights World Tour 2016" in Bamberg, Saarbrücken und Ludwigsburg
Konzertbericht
Ende Februar mussten sich AVANTASIA beim deutschen Vorentscheid zum diesjährigen „Eurovision Song Contest“ mit einem respektablen dritten Platz zufrieden geben. Doch das ficht Tobias Sammet und seine Mitstreiter nicht an, denn im Gegensatz zur europäischen Schlager-Szene müssen sie ihren Fans schon lange nichts mehr beweisen. Die wissen ohnehin um die Live-Qualitäten des Rockoper-Projekts, dessen Unterhaltungswert sich nicht in drei Minuten erschöpft hat, sondern locker über drei Stunden hinweg trägt. Mit dem aktuellen Album „Ghostlights“ haben AVANTASIA erneut ins Schwarze getroffen und sogar manch selbst ausgewiesenem Nicht-Fan Respekt abringen können. Diese Behauptung stellt Metal.de für euch auf die Probe und hat AVANTASIA-Connoisseur Floh nach Bamberg und die bekennende Kostverächterin Saskia nach Saarbrücken geschickt. Für die passende Bebilderung sind zudem Alex Becker in Saarbrücken und Dagmar Geiger in Ludwigsburg auf Fotojagd gegangen.
Die Parkplatzsituation in der Umgebung der Bamberger Brose Arena entpuppt sich als ziemliche Katastrophe. Ob das bei Heimspielen der Brose Baskets wohl ähnlich ausschauen mag? Egal, schließlich verspricht der gewaltige Andrang eine Bombenstimmung, die sich mit der bei einem packenden Basketball-Match herrschenden messen lassen kann. Auch in Saarbrücken ist die Straße schon einen halben Kilometer vor der Saarlandhalle von einschlägig dekorierten Fahrzeugen und hallenwärts pilgernden Langhaarigen gesäumt. Vorplatzgespräche der Fans bringen großen Eifer zum Ausdruck – schließlich haben EDGUY sich schon des öfteren in der Region die Ehre gegeben, während die meisten der hier Anwesenden heute erstmals live das Vergnügen mit Tobi Sammets Rockoper-Projekt haben werden.
Ihrer Popularität wird AVANTASIAs Grand-Prix-Exkurs sicherlich nicht geschadet haben, in Wahrheit sind es nämlich ihre vielfach unter Beweis gestellten musikalischen Qualitäten, mit denen sie sich ihre Fanbasis hart erarbeitet haben. Kein Wunder also, dass Vorturner Tobias Sammet den Stolz auf das eigene Schaffen weder verbergen kann noch will, wenn er das aktuellste Werk „Ghostlights“ selbst am lautesten über den grünen Klee lobt. Der omnipräsente Hang zur augenzwinkernden Selbstironie beugt ohnehin eventuellen Anflügen von Arroganz vor und macht Sammet zum besten Entertainer, den die einheimische Metal-Szene vorzuweisen hat.
Bereits vor den ersten Takten gibt die Bühnendeko die Marschrichtung vor: Eine aufwendige Burgruinen-Kulisse vor dem AVANTASIA-Backdrop teilt den Gästen mit, dass an standesgemäßem Kitsch nicht gespart wird. Und wer genau hinschaut, erfährt spätestens jetzt, dass an diesem Abend eine kleine Armee an Musikern aufspielen wird, denn ausreichend Platz und Mikrofone sind vorhanden. Und ganz nebenbei teilen AVANTASIA durch die komplett vorbereitete Bühne auch noch mit, dass sie eine Vorband nicht nötig haben. Was bei den einen (z.B. Floh) die Vorfreude schürt, schickt den anderen (z.B. Saskia) eher einen Schauer des Grauens über den Rücken – drei (!!!) Stunden nur AVANTASIA? Im Ernst?!?!
Liebe Leser, wir möchten euch nicht auf ein Fazit warten lassen – wir hatten beide Spaß wie kleine Kinder. Die Musikerbande um Tobias Sammet hat sowohl in Bamberg, als auch in Saarbrücken einen hochkarätigen Auftritt hingelegt und man muss weder Power Metal mögen, noch an Einhörner glauben, um den Hut vor dieser Leistung zu ziehen und sich drei (ja, drei!) Stunden von AVANTASIA allerbestens unterhalten zu fühlen. So viel Niveau bieten selbst Musiker des hier versammelten Formats jedoch nicht ohne Mühe und so sind die Konzerte dieser Tour offenbar minutiös durchgeprobt. Unterschiede in der Setlist finden sich keine, weshalb wir entschieden haben, unsere Konzerterfahrungen in beiden Städten für euch zusammen zu fassen. Auf gehts’s!
Galerie mit 28 Bildern: Saarbrücken, 31.03.2016 - Avantasia - Ghostlights Tour 2016
Bilder vom Konzert am 31.03.2016 in der Saarbrückener Saarlandhalle (Fotograf: Alex Becker).
In Saarbrücken wird zum Start in der ersten Reihe eine einsame Rose in die Luft gereckt. Mit „Mystery Of A Blood Red Rose“ – dem Grand-Prix-Song der Herzen – steigen AVANTASIA in ihr Set ein, das von immerhin sieben Stücken der aktuellen Scheibe dominiert wird. Jedoch will man auch die ebenfalls starke Vorgänger-Scheibe „The Mystery Of Time“ nicht zu kurz kommen lassen und hat dabei doch auch noch eine Menge Klassiker im Gepäck. Kein Wunder also, dass es sich bei den im Vorfeld versprochenen satten drei Stunden wirklich um die Nettospielzeit handelt – Sammets gewohnt umfangreiche Ansagen nicht mitgerechnet. Dass den Musikern über diese extralange Distanz nie die Puste ausgeht, ist beeindruckend. Und während die insgesamt neunköpfige Sänger-Riege die Stücke so geschickt unter sich aufgeteilt hat, dass jeder seine verdienten Schnaufpausen kriegt, gilt das für die Instrumentalisten bestenfalls in eingeschränktem Maße.
Insbesondere Trommelbube Felix Bohnke leistet beachtliches, zumal er in Bamberg krankheitsbedingt eigentlich das Bett hüten sollte. Ohne einen entsprechenden Hinweis Tobi Sammets hätte man ihm die „40 Grad Fieber“ genauso wenig angemerkt wie dem Sangeskollegen Michael Kiske, dessen Erkältung sich erstaunlicherweise in den tieferen Tonlagen deutlicher bemerkbar macht als bei den an die guten alten HELLOWEEN-Tage erinnernden schrillen Schreien. In Saarbrücken sind indes offenbar alle wieder genesen, denn außer einem frei flottierenden Bühnenaccessoire, das Tobi Sammet zu einem humorigen Verbalausbruch mit dem Thema „Haftpflichtversicherungen und Gewerkschaften“ verleitet, gibt es dort nichts zu beklagen.
Wie eingangs bereits erwähnt ist die Stimmung im Publikum hervorragend. Dies macht die Künstler auf der Bühne sichtbar glücklich und stachelt sie zu Höchstleistungen an. Gerade in Saarbrücken überschlagen Sammet und Co. sich regelrecht mit Lob an die Saarländer und versprechen, sich öfter in der Hauptstadt von Maggi und Lyoner blicken zu lassen. An großen Posen wird ebenfalls ganz bestimmt nicht gespart, völlig egal ob damit nun das eine oder andere Stadionrock-Klischee in den Sonnenuntergang geritten wird oder nicht. Wer in Sachen Kitschfaktor nicht so fürchterlich abgehärtet ist, muss sich schon bei der einen oder anderen Tanzeinlage (Stichwort: Synchronwindmühle) zwingen, nicht fremdbeschämt wegzugucken. Die bereits gepriesene Selbstironie Sammets lässt jedoch auch Kostverächterin Saskia die gewisse Extra-Portion Schmalz verzeihen.
Das beständige Wechselspiel der charakterlich wie stimmlich vollkommen verschiedenen Sänger, die mal alleine, mal im Duett, mal sogar als Gruppe auf der Bühne agieren, lässt keinen Raum für Langeweile. Immer wieder bieten AVANTASIA etwas neues zu sehen und zu hören, von der gefühlvollen Märchenstunde mit Bob Catley (MAGNUM) über den energieüberladenen Wahnsinn, mit dem sich Ronnie Atkins (PRETTY MAIDS) „Invoke The Machine“ zu eigen macht, bis hin zur affektierten Großmäuligkeit von Eric Martin (MR. BIG). Und wenn die beiden letztgenannten in „Twisted Mind“ zum Duett antreten, erreicht die Show den vielleicht unerwartetsten ihrer nicht wenigen Höhepunkte.
Galerie mit 29 Bildern: Ludwigsburg, 01.04.2016 - Avantasia - Ghostlights Tour 2016
Bilder vom Konzert am 01.04.2016 in der Ludwigsburger MHPArena (Fotografin: Dagmar Geiger).
Wer „Ghostlights“ hingegen kennt und beim Blick auf die Bühne den fast durchgehend als Background-Sänger agierenden Herbie Langhans (SINBREED, SEVENTH AVENUE) entdeckt hat, durfte „Draconian Love“, das AVANTASIA genau in der Mitte ihres Sets platzieren, hingegen längst als Highlight auf dem Schirm gehabt haben. Mit seinen SISTERS-OF-MERCY-artigen Goth-Rock-Vibes tanzt das Stück aus der Reihe und eignet sich gerade deshalb hervorragend als kommende zweite „Ghostlights“-Single. Und wem die erste Hälfte des Sets mit zu vielen neuen Stücken gespickt war, der wird von nun an vor allem mit den absoluten Klassikern beglückt und kommt so doch noch auf seine Kosten.
Abstriche müssen in Bamberg lediglich bei der etwas undifferenzierten Soundabmischung gemacht werden. Als Konzertsaal eignen sich große Sporthallen eben doch nur in den seltensten Fällen – zum Beispiel in Saarbrücken, wo auch am äußeren Hallenrand noch bester Klang die Ohren der Menge krault. Aber wen interessiert das schon, wenn er hier satte drei stunden bester Metaloper-Unterhaltung genießen darf? AVANTASIA bieten auf ihrer aktuellen Tour großartige Unterhaltung und haben uns bewiesen, dass sie auch mit Erkältung und defektem Inventar auf höchstem Niveau aufzuspielen und selbst Nicht-Fans zu begeistern wissen.
Setlist:
- Mystery Of A Blood Red Rose
- Ghostlights
- Invoke The Machine
- Unchain The Light
- A Restless Heart And Obsidian Skies
- The Great Mystery
- The Scarecrow
- Lucifer
- The Watchmakers‘ Dream
- What’s Left Of Me
- The Wicked Symphony
- Draconian Love
- Farewell
- Stargazers
- Shelter From The Rain
- The Story Ain’t Over
- Let The Storm Descend Upon You
- Promised Land
- Reach Out For The Light
- Avantasia
- Twisted Mind
- Dying For An Angel
- Lost In Space
- Sign Of The Cross / The Seven Angels
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