Avantasia
live 2011 in Kaufbeuren

Nun wird es episch, denn MAGNUM-Märchenonkel Bob Catley betritt die Bühne und übernimmt die Führung bei „The Story Ain’t Over“. Die Mid-Tempo-Halbballade passt perfekt zur emotional-warmen Stimme des Briten und wird von den Fans begeistert aufgenommen und mitgesungen. Catleys Gestiken dazu wirken zwar stets etwas über-affektiert, sind aber auch so etwas wie sein besonderes Markenzeichen. Und als eine Art Übervater der melodischen Hard-Rock/Soft-Metal-Szene sei ihm der überbordende Pathos auch gestattet.
Catleys Gastspiel setzt ganz besondere Akzent obwohl – oder gerade weil? – es eher kurz ist. So bildet seine Stimme einen markanten und wichtigen Kontrast zu den heute abend wesentlich länger auf der Bühne stehenden Tobias Sammet, Jorn Lande und Michael Kiske. Und für letzteren wird es jetzt Zeit. Der Stellenwert, den das Nordlicht sich – in erster Linie durch seine Zeit bei HELLOWEEN mit den beiden legendären „Keeper Of The Seven Keys“-Alben – erarbeitet hat, ist enorm. Kaum erscheint er auf der Bühne, wird er von lautstarken Jubelstürmen und fanatischen „Kiske!“-Rufen empfangen. Offensichtlich trägt ihm die anwesende Metal-Szene die teils deutlich übers Ziel hinaus geschossenen verbalen Attacken der letzten Jahre nicht nach, deren Relativierung momentan verständlicherweise eine von Kiskes Hauptbeschäftigungen in Interviews darstellt, um wieder in der Welt der harten Rockmusik Fuß fassen zu können.
Heute auf der Bühne erleben wir nicht das selbstgerechte Großmaul, als das viele den inzwischen zum Anthroposophen mutierten Ausnahmesänger mit seinen im Internet veröffentlichten Statements wahrgenommen haben. Richtiggehend bescheiden wirkt Kiske und man merkt ihm an, dass es ihm ehrliche Freude bereitet, wieder mit einer echten Rockbank auf der Bühne vor einem großen Publikum performen zu können. Bei der euphorischen Lobeshymne von AVANTASIA-Kopf Tobias Sammet („Dieser Mann hat in mir den Wunsch geweckt, Sänger zu werden!“) wirkt er fast ein wenig peinlich berührt und wiegelt bescheiden ab und auch sonst ist sein Auftreten heute bestens geeignet, ihn in der Szene vollends zu rehabilitieren. Bei den anwesenden Fans kann von Rehabilitation jedoch gar keine Rede sein, für sie ist der Sänger offenbar nach wie vor der Größte und erntet den heftigsten Einzelapplaus des Abends. Die Mütze (böse Stimmen sagen, sie sei inzwischen fest mit seinem Kopf verwachsen) mag Kiske dann allerdings doch nicht abnehmen.