Aurora Infernalis Festival
IV

Konzertbericht

Billing: Archgoat, Aura Noir, Fen, Isvind, Moonsorrow, Primordial, Thulcandra und Tulus
Konzert vom 2012-10-26 | Willemeen/Luxor Live, Arnheim

Aurora Infernalis Festival

WOLFHETAN

Das Festival eröffnen die Hessen WOLFHETAN, die an diesem Abend heimlich, still und leise nach sechs Jahren ihr zweites Album „Was der Tag nicht ahnt“ mitgebracht und an den Merch-Tisch geschmuggelt haben. Ähnlich obskur gibt sich die Band auch während ihres vierzigminütigen Auftritts. Bassist Wolfhetan, in eine Mönchskutte mit verhülltem Gesicht gekleidet, wirkt vollkommen versunken, ähnlich Gitarrist Drahcir. Nur Livesänger Zodel, mit irrer Mimik und Gestik und einigen verhaltenen Ansagen, pflegt eine Art der Kommunikation mit dem schon einigermaßen zahlreich anwesenden, aber eher zurückhaltenden Publikum. WOLFHETAN geben sich musikalisch allerdings auch als Band, die einen persönlichen, introvertierten Genuss eher fördert, denn ihre Musik ist trotz der Black Metal-Grundlage hochanspruchsvoll und komplex. Das gilt für die Stücke des neuen Albums, von dem die Band unter anderem den Titelsong spielt, noch mehr als für die Songs des 2006er Erstlings „Entrückung“. Leider macht der arg gitarrenlastige und dazu sehr kreischige Sound es zusätzlich schwer, die Komplexität der WOLFHETAN-Kompositionen voll zu erfassen. Klar ist jedenfalls, dass innerhalb der sehr eigenwilligen, aber immer atmosphärischen Riffs die beidseitig komplexen Linien von Gitarre und Bass schon eigene Wege gehen, denen man kaum gleichzeitig folgen kann. Das setzt sich bei den Arrangements innerhalb der Stücke selbst fort, die zwischen wilden Blastbeat-Ausbrüchen und ruhigen, instrumentalen Passagen zunächst undurchschaubar hin- und herpendeln. Kurzum: ein stimmiger, exklusiver und für einen Opener hervorragender Auftritt, dessen ganze Qualität sich leider einfach nicht in seiner Gänze erfassen lässt.

Aurora Infernalis Festival

ISVIND

Da machen es die Norweger ISVIND ganz anders, die seltsamerweise schon als zweite Band auf die Bretter geschickt werden. Im Gegensatz zu dem gemäßigten, eigenständigen Auftritt WOLFHETANs gibt’s jetzt 40 Minuten Vollbedienung mit der klassischen norwegischen Black Metal-Keule. Black Metal mit Corpsepaint und Patronengurten, aber in bequemen Sneakers – das drückt ziemlich gut aus, was hier passiert. Goblin, statt am Drumkit heute als Frontmann, geht der zu viert auflaufenden Truppe selbstbewusst und bösartig voran und verliert keine Zeit, in schneller Folge und abwechselnd Songs vom Debüt „Dark Waters Stir“ und dem erst letztes Jahr erschienen Nachfolger „Intet Lever“ anzukündigen. Beeindruckend, wie zwischen sattem Drumming, einfachen, effektvollen Riffs und keifigem Gesang die ohnehin minimalen Unterschiede zwischen den Schaffensphase der Neunziger und der letzten Jahre verschwinden. Da gehen „Ulv!Ulv!“, „Stille Sjel“, „Pisslunka Kjøtt“ oder „Kjølhalt“ nahtlos ineinander über und schaffen ein einziges Gewitter aus DARKTHRONE-Reminiszenzen, zu denen man hervorragend die Nackenmuskulatur aufwärmen kann. Im Vergleich zu früheren Zeiten haben sich ISVIND zu einer mehr als soliden Liveband entwickelt, die wirklich Spaß macht. Und das dankt man der sympathischen Truppe auch mit kräftigem Beifall und vollen ersten Reihen.

Aurora Infernalis Festival

FUNERAL WINDS

Wofür man sich allerdings die Nackenmuskeln aufwärmen sollte, wenn danach FUNERAL WINDS folgen, ist eine sehr fragliche Sache. Die schon seit über 20 Jahre existierende niederländische Black Metal-Institution gibt sich zwar mit einer WATAINschen Bühnendeko mit einer Vielzahl von schwarzen Kerzen, viel Blut und Leder Mühe, Atmosphäre zu schaffen. Das gelingt ihnen auch, bis sie dann tatsächlich anfangen zu spielen – denn musikalisch können FUNERAL WINDS mit ihrem zwar bösen, schnellen, satanischen und vielleicht ein wenig an MARDUK erinnernden, aber meinem Empfinden nach erschreckend ausdruckslosen Black Metal das Niveau des restlichen Festivals nicht halten. Das werden lokale Besucher anders sehen, für die die Band eine der sehr wenigen Legenden der Anfangszeit des Black Metals in den Niederlanden ist. Das macht sie leider nicht besser. Erschreckend ist vor allem die fast unbeholfene, unmotivierte Performance von Gründungsmitglied und Sänger Hellchrist Xul, dem man die vielen Jahren Berufserfahrung weder anhört noch -sieht. Das versucht der erst 2010 dazugestoßene Bassist Angaroth Xul mit einer Menge Show wieder wettzumachen, was ihm allerdings in Gänze kaum gelingt. Diese Trueness, auf eine Stunde gestreckt, ist leider kein bisschen fesselnd, was geradezu dazu verleitet, lieber an der frischen Luft ein spätes Abendessen einzunehmen.

Aurora Infernalis Festival

ONE TAIL, ONE HEAD

Eine halbe Stunde später wuselt eine Ansammlung von netten, schüchtern wirkenden Jungs in Flanellhemden und mit putzig hochgeknoteten Haaren auf der Bühne herum und baut auf, und das eine endlos lang wirkende Zeit. Als die Jungs kurze Zeit später in schwarzen, abgerissenen Klamotten, geschminkt und mit deutlich wahnsinnigem Blick auf die stimmungsvoll nach Weihrauch duftende Bühne zurückstürmen und als ONE TAIL, ONE HEAD loslegen, staunen viele nicht schlecht. Das ist eine Verwandlung, die ohne Kokain kaum nachzuvollziehen ist. Die ganze Band, allen voran Sänger Luctus, dem fast die Halsschlagader platzt, ist ein einziger Wirbelwind aus theatralischen Gesten, Drehen um die eigene Achse, Moshen und anderen Formen der Bezeugung, dass man ganz in seiner Musik aufgeht. Und das tun die vier Norweger definitiv, auch wenn dabei die reine Performance (so tight sie ist!) fast zur Nebensache wird. Mit dem besten Sound des Abends gesegnet, zocken ONE TAIL, ONE HEAD eine erfrischende, manchmal regelrecht avantgardistische, dann wieder fast rockig-simple Black Metal-Mischung. Vermutlich ist diese bestechende, gleichzeitig anspruchsvolle wie bangkompatible Stilistik noch besser zu begreifen und zu genießen, wenn man die Musik schon kennt. Die kenne ich leider nicht, was auch daran liegen mag, dass es ONE TAIL, ONE HEAD bis jetzt nicht zu einem Album, sondern nur zu zwei Demos und zwei kurzen EPs geschafft haben. Deshalb wird der Großteil des Materials, das die Norweger zum Besten geben, sicher von diesem potentiellen Album stammen – und das das ist etwas, worauf man sich wirklich freuen kann. Der (gemessen an der Spielzeit) Headlinerposten steht der Band jedenfalls gut und passt zur Ausrichtung des Festivals, den Mutigen, den Einzigartigen und Ausdrucksstarken viel Platz zu schaffen. Damit ist das Arnheimer Publikum mitunter sichtlich überfordert, aber auch das ist ja ein sicheres Zeichen echter Kunst.

Aurora Infernalis Festival

ARCHGOAT

Da sind die Finnen ARCHGOAT wieder ein extremes Kontrastprogramm – nicht nur sind sie eine der dienstältesten Rumpelbands ihres Landes, sondern in ihrer klassischen Triobesetzung mit martialischem Look nicht unter 30 Kilo Nieten, Spikes und Patronen auch geradezu der Inbegriff traditionellen Black/Death Metals. Das setzt sich musikalisch nahtlos fort in den tiefgestimmten Brachialitätsorgien der Truppe, die im Grunde zu einer einzigen einstündigen Mixtur aus unnachvollziehbaren, aber immer sehr ähnlichen Death Metal-Riffs, Prügelschlagzeug und eintönigen Growls verkommt. Stumpf as stumpf can, sozusagen. Das bekommt den Anwesenden, gerade mit Alkoholpegel am Limit, sichtlich besser und führt dazu, dass ARCHGOAT gebührend gefeiert werden. So ganz passt die Band damit nicht zum Anspruch des Aurora Infernalis-Festivals, gerade weil sie eher ein Death Metal-Vertreter und sicherlich wenig sophisticated sind – aber zum Ausklang eines eher durchwachsenen Festival-Freitags, der gefühlt keinen echten Headliner hatte, dann am Ende doch passend.

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07.11.2012

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1 Kommentar zu Aurora Infernalis Festival - IV

  1. odal sagt:

    Wolfhetan sind aus Thüringen?! Oder habe ich etwas verpasst?