Audrey Horne
Audrey Horne Europatour 2013 - Audrey Horne, Karma To Burn und Gold live in Hamburg und Berlin

Konzertbericht

Billing: Audrey Horne, Gggolddd und Karma to Burn
Konzert vom 2013-10-10 | Rockcafe St. Pauli; Magnet, Hamburg; Berlin

Audrey Horne

Cool. Dreimal Rock, und jedes Mal mit einem Hauch des Bösen. Ein interessantes Package gibt sich die Ehre und wird in Hamburg – sowie zwei Tage später in Berlin – standesgemäß erwartet. Okay, im recht neu eröffneten, sehr geschmackvoll eingerichteten und gut gefüllten Rockcafe St. Pauli ist die erste Reihe auch fast die letzte, aber an einem Dienstagabend muss man auch erstmal eine Besucherzahl im unteren dreistelligen Bereich mobilisieren.

Den Anfang machen GOLD. Die holländische Gang wird zwar höflich beklatscht, kommt mit ihrem Retro-Rock inklusive dunkler Note allerdings nicht so richtig aus der (geschwungenen) Hüfte. Letztere gehört dabei in erster Linie Sängerin Eva Milena, Blickfang auf der Bühne und mit einer durchaus imposanten Stimme ausgestattet. Dummerweise hat sie meist den gleichen Stilaugen-Blick (beschwörerisch-okkult) Richtung Decke oder Publikum drauf wie meine ehemalige Deutschlehrerin (genervt-tadelnd), sodass ich mir zwar irgendwie ertappt, aber kaum schwarzmagisch verzaubert vorkomme. Und auch instrumental erreichen GOLD erst gegen Ende des Gigs zeitweise die Intensität, die beispielsweise die Hippies von GRAVEYARD auf der Bühne zur Attraktion werden lässt. Wobei man schon sagen muss, dass hier gepost wird wie im Stadion und Ex-DEVIL´S-BLOOD-Gitarrist Thomas Sciarone optisch im Vergleich zum Auftritt beim Hell Over Hammaburg zu Beginn des Jahres durch die neue schnittige Tolle deutlich an Rock und auch Roll zugelegt hat.

Galerie mit 7 Bildern: Gold - Audrey Horne, Karma To Burn Tour 2013

Und dann kommen KARMA TO BURN: Drei Männer aus West Virginia, laute Gitarre, lauter Bass, laute Drums. Der schon zu Beginn fast nackte Schlagzeuger Evan Devine ist optisch eine Mischung aus NEUROSIS-Schrat und Kettensägen-Hinterwäldler und sorgt für einen tonnenschweren Groove. Der Basser hat Dreadlocks bis zum Arsch, Metall im Gesicht und tut es seinem Kollegen musikalisch ansonsten gleich. Und der Gitarrist William Mecum erinnert mit Trucker-Cap und Bart an eine Mischung aus SACRED REICHs Phil Rind und dem Auswandererkönig Conny Reimann, hat tatsächlich während der gesamten Stunde einen Zahnstocher im Mund und türmt ein Riffgebirge nach dem nächsten auf, dass es eine wahre Pracht ist. Die Songs haben Nummern, keine Titel. Es gibt keine Texte. Keiner singt. Auf dem ersten Album war das noch teilweise anders. Aber: „Karma to Burn was Marlon Brando; the singers were Martin Sheen“ (Label). Gut so, die Riff- und Groovemaschine wünscht es nicht, durch Worte belästigt zu werden. Auf ihrem Weg direkt in Beine, Bauch und – ja! – Herz. Das klappt auch heute, und ich weigere mich, es Stoner zu nennen.

Die drei erzeugen zu dritt eine unglaubliche Soundwand, es gibt keine Löcher und die Menge ist gefesselt – zu guten Teilen jedenfalls. Aus dem Bann entlassen wird sie nur punktuell. Das erste Mal, als es gleich nach dem ersten Song technische Probleme mit dem Bass gibt: Schlagzeug und Gitarre versuchen sich an einem Mini-Jam von „Cocaine“, der bald achselzuckend abgebrochen und von in etwa folgender Ansage abgelöst wird: „Hey… (Pause, Grinsen)… howya doin‘ (längere Pause, Sinnieren)… okay?… (noch längere Pause, zufriedenes Grinsen) that’s good…“ Geil. „Mary Jane“ wäre der treffendere Pausenfüller gewesen. Die zweite Pause entsteht, als der Gitarrist seinem Kollegen an den vier Saiten vom Auditorium halb abgwandt im Gesicht oder etwas darunter rumfuchteln muss. Variante A: Der Nasenring musste gerichtet werden. Variante B: Die Brusthaare hatten sich im Shirt verhakt. Variante C: A und B hängen irgendwie zusammen. Man wird es nie erfahren. Wie auch immer: Nach dem grandiosen Finale mit „Twenty“ konstatiere ich: A wild wonderful purgatory indeed… Und: Auf einem ihrer Shirts am Merch-Stand kopulieren zwei Einhörner vor dem Regenbogen. Erneut: Wer braucht Gesang und Texte?

Galerie mit 14 Bildern: Karma To Burn - Audrey Horne, Karma To Burn Tour 2013

Antwort: Zum Beispiel AUDREY HORNE. Denn ohne diese könnte das Rockcafe schlecht gleich zu Beginn ziemlich geschlossen den Refrain des „Youngblood“-Hits „Redemption Blues“ mitgrölen: „Going nowhere… today!“ Und Sänger Toschie könnte nicht mit geschwollener Halsschlagader und gleichzeitig breitem Grinsen über die winzige Bühne fegen. Für diesen Mann ist das Wort Rampensau erfunden worden; dass seine Stimme gar nicht mal die kräftigste ist, fällt da überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Und überhaupt: Diese Band ist insgesamt bestes Rock’n’Roll-Entertainment. Der neue Basser Espen Lien ist ein Tier, und die beiden Gitarristen Thomas und Isdal strahlen, grimassieren und posen um die Wette wie Rudi und Micheal Schenker in ihren besten Tagen. Schon abgefahren, wenn man sich vor Augen hält, dass Ice Dale nebenbei auch noch beim dunklen Vikinger-Post-BM-Kommando ENSLAVED in die Saiten greift. Heute Abend jedenfalls wird gefeiert, der Schwerpunkt liegt passender Weise auf dem aktuellen, ziemlich klassisch rockenden Album, und auch die Ansagen können was: „As you can probably see – we’re on tour. We steal, burn, rape, kill… doing all the good things in life…“ Spätestens, als kurz vor eins alle bis auf den Schlagzeuger mitsamt den Mikros im Publikum stehen und weiterrocken, bin ich mir endgültig sicher, heute genau die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Band sieht dies ähnlich, bedankt sich zigmal überschwenglich und schüttelt anschließend Hände am Merch-Stand.

Rock’n’Roll is king.

Galerie mit 14 Bildern: Audrey Horne - Audrey Horne, Karma To Burn Tour 2013

Zwei Tage später stand das letzte Konzert der Tour an, die Ehre hatten die Berliner und der Magnet Club. Im Grunde genommen kann ich mich den Ausführungen von Marek aus Hamburg nur anschließen, wobei mich Eva Milena eher an die exzentrische Singer-Songwriterin Paloma Faith als eine Lehrerin erinnert. Die Saitenfraktion von GOLD post auch in Berlin, was das Zeug hält, leider kriegen das nur wenige mit; der Magnet ist noch ziemlich leer, und die Anwesenden halten sich im mittleren und hinteren Teil des Clubs auf. Da Eva Milena außer der Ansage des letzten Songs nicht ein einziges Mal mit dem Publikum spricht, können die Zuschauer auch ohne schlechtes Gewissen ihren Sicherheitsabstand von dem Lehrerinnenblick wahren.

Dieser schrumpft gewaltig während der Umbaupause für KARMA TO BURN und der Magnet füllt sich zusehends. Die einzigen Songs der Show, die über Text verfügen sind auch die überraschendsten: „Fever“ als Intro und ein Remix von „Ain’t No Sunshine“ als Outro. Die Songs dazwischen kommen hervorragend ohne Texte aus, und die drei Musiker bringen nicht nur die Köpfe vor der Bühne zum kreisen, es gibt sogar einen Crowdsurfer, obwohl der Magnet eigentlich nicht voll genug dafür ist! So tragen denn auch zu großen Teilen die gleichen Leute den Surfer durch das Publikum. KARMA TO BURN sind für mich definitiv die Entdeckung des Abends!

Bei AUDREY HORNE wirkt die Bühne wieder viel zu klein, aber die vier, die vor dem Schlagzeug rumposen, schaffen es irgendwie, sich nicht gegenseitig umzurennen. Das Publikum hat jetzt die Möglichkeit und Textsicherheit lauthals mitzusingen, dazu werden fleißig Bilder vom für jede Handycam posenden Toschie gemacht. Zwischendurch verschwindet er immer wieder im Publikum. In den Ansagen betont er, dass dies das letzte Konzert der Tour ist und Berlin dafür natürlich perfekt ist, natürlich! Und auch hier kommt die Band direkt nach der Show an den Merch-Stand. Toschie ist noch nicht einmal richtig da, als ihm schon die ersten Fans die Hand schütteln, auf die Schultern klopfen und die Show loben. Ich würde sagen, das war ein gelungener Tourabschluss!

Text Hamburg: Marek Protzak
Text Berlin: Andrea Friedrich
Fotos Berlin: Andrea Friedrich
13.10.2013

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