Atrocity
Zillo Open Air 1998
Konzertbericht
The Cure – Eigentlich zählen The Cure nicht gerade zu meinen abosluten Heroen, sind die meisten Stücke der Briten mir zu poppig, besonders das letzte Album hinterließ einen recht zwiespältigen Eindruck bei mir. Aber was The Cure um Punkt 22:30 auf die wartenden Masse losliessen, war einfach nur mit dem Wort „schön“
zu beschreiben: Keine großen Lichteffekte, keine großen Bühnenshow, sondern ein rein akkustisches Feuerwerk, das The Cure in ihrer ganzen Zerrissenheit
und Melancholie offenbarte. Selten hab ich derart emotionsgeladene Lieder gehört, selten wurde sie live so warm und doch so traurig interpretiert. Auch die
rockige Seite von The Cure wurde berücksichtigt und lieferte den Leuten vor der Bühne eine guten Grund sich ausgiebig zu bewegen. Die Bühne war ganz
in rot und blau Tönen gehalten und bot nur Platz für die Träume und Ängste eines Mannes: Robert Smith, der mit seiner Art wohl zu recht als eine der Ikonen der Szene gilt. Kein Rockstargehabe, keine blutarme Performance, Sympathie, Ausstrahlung und das Auslassen der Hits „Friday I´m in Love“ und „Lullabuy“ ließen den einzigen und wahren Headliner des Festivals erkennen! Illuminate – Diese Band hier scheint sich so langsam nach oben zu arbeiten. Mit der dritten CD „Erwachen“ liegt endlich mal wieder ein Album vor, das den Namen „Romantic Wave“ vollends gerecht wird, auch wenn es hie und da noch etwas holprig und seicht
klingen mag. Aber Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen. Lernen werden Illuminate aber hoffentlich bald einmal, das vom Band eingespielte Musik eigentlich nicht viel mit Liveatmosphäre zu tun hat. Der Gesang mag zwar „live“ gewesen sein, unterschied sich aber nicht sehr stark von dem auf CD Gebotenem. Sicherlich wäre eine Liveumsetzung des Materials nicht gerade ein leichtes Unterfangen, aber immer noch besser als diese Halbplaybackshow. Wo ist der Sinn von einem Konzert, wenn die Hälfe eh vom Band kommt? Illuminate haben zwar noch mit der Tänzerin und dem Tänzer etwas außergewöhnliches zu bieten, was aber nicht so ganz zu fesseln vermag. Sicher sind die beiden bemüht, die Texte in Bewegung umzusetzten, dabei wirken sie aber stellenweise etwas steif oder gar lächerlich. Dennoch ein guter Anfang, daran kann man ja durchaus noch arbeiten und musikalisch ließ die Band auch nichts anbrennen, mit ihrer Mixture der besten Songs aller drei Alben. Element of Crime – Was genau diese Band sein soll versteh ich nicht so ganz. Nervtötender konnte man wohl kaum das Publikum am Sonntagnachmittag belästigen. „Stimmungsvoll reduzierte Musik und lyrische Texte mit Tiefgang laden zum Schwelgen ein. Außergewöhnlich, ästhetisch und feinsinnig“. Naja. Für mich klang das eher wie eine Countryband auf dem Schlagertrip, strunzlangweilig und seicht. Therapy? – Die Band findet eigentlich in jeder Nische Platz, denn neben dem recht alternativem und teils recht punkigem Material, haben die Jungs noch eine tiefe Melancholie
in ihren Liedern, die oftmals mit derart viel Zynismus aufgeppt wird, daß es einem jedem Freund düsterer Klänge Spaß machen sollte, sich einmal mit den Texten
der Iren auseinander zu setzen. So war denn auch der Gig der Vier von der grünen Insel sehenswert, vermieden Therypy? doch Klischeés und versuchten mit Innovation und Spieleifer zu überzeugen. Auf der Bühne wurden die Lieder spontan umarrangiert, „Dian“
zum Beispiel war jetzt mit Gitarren versehen, ohne jedoch die Grundstimmung zu verlieren. Experimente standen dann auch im Vordergrund, sei es die weiße Sanitäterkluft der Musiker oder das Bearbeiten der Gitarre mit einem Geigenbogen – die Überraschungen machten es schwer, seine Augen von der Bühne abzuwenden und hielten die Spannung bei den Zuschauern. Love Like Blood – Leider scheint dieser wirklich ambitionierten Kapelle nie der große Erfolg
beschieden zu sein, auch wenn man überall mit Lobeshymnen überhäuft wurde. Auf dem Zillo zumindest war die in einem Hangar ansäßige Nebenbühne ob
des Gedrängels kaum zu sehen, zumindest wenn man wie ich von kleiner Statur ist. Dafür wurde man mit einem musikalisch soliden Programm belohnt, das hoffen
lässt, daß die Gothics von Love Like Blood bald mal endlich richtig Erfolg haben. Und mit ihrem Hit „Doomsday“ hatten man sowieso die Massen auf seiner
Seite… Rammstein – Rockstars bleiben Rockstars. Rammstein sind Rockstars und versuchen das auch jedem zu beweisen, ungeachtet dessen, ob es ihn nun interessieren mag oder nicht. So ließ man als einzige Band auf dem Zillo sein Publikum warten, damit man ja nicht ganz uncool den Zeitplan einhält. Um 9:15 bequemte man sich dann doch noch auf die Bühne und legte mit seinem Stampfmetal los. Die Show war bis ins letzte Detail durchgeplant, von Spontanität keine
Spur. Zwar wurde mit einer echten Hochzeit während „Heirate mich“ ein netter Gag eingebaut, aber größtenteils war die Show derart vorhersehbar,
das man genau wußte, welcher Effekt als nächstes kam.
Den Rammstein Fans gefiel es natürlich umso mehr und so wurde die Band von der ersten Sekunde ab voll abgefeiert, was mir angesichts der Arroganz und
dem Gehabe um Schenkelklopfer Till völlig unverständlich ist. Zugegeben, die Show hat was bombastisches, aber einmal gesehen wird sie schnell langweilig und nervt mit ihrer sterilen und völlig emotionslosen Ausstrahlung. Da hilft auch das solide dargebrachte Material, das sich fast nur um die Präsentation des immer noch in den Charts vertretenen Herzeleid Albums dreht, nicht weiter. Zwar beherrschen die Jungs ihr simples Material fast perfekt und auch die Stücke wurden ein klein wenig umarrangiert, aber genauso gut könnte man sich Rammstein auf Video anschauen: Eine Liveatmosphäre war nicht zu spüren. Stehen, glotzen, heimgehen. Langweilig. Der Rest: Ein Festival ohne Freß- und Händlermeile ist kein solches, denn wo noch sonst könnte man so herrlich seine schwerverdienten Taler lassen? Dabei war das Zillo allerdings in dieser Hinsicht eher enttäuschend: Zwar bot man eine große kulinarische Spannbreite (Döner, Pizza, Pommes und Gyros) und das zu meist recht fairen Preisen und auch die Flüssigkeiten waren durchaus bezalhbar (4 DM für 0,3l Cola), allerdings enttäuschten die aufgestellten Händlerbuden: Ausschußware oder 08/15 Schmuck zu meist recht happigen Preisen, drei CD-Stände die recht teuer ihr nicht gerade berauschendes Sortiment anboten, dazu einen Merchandising-Stand, an dem nicht mal ein
The Cure T-Shirt vorzufinden war. Am X-Tra Stand mußte man sogar eine Wartezeit in Kauf nehmen, nur um dann ein mageres Angebot vorzufinden. Eine derartige Händlermeile mag zwar nicht die Kaufgelüste befriedigen, ist aber am Ende doch ungemein wohltuend für den eh schon geplagten Geldbeutel. Der Schluß:
Die Bandzusammenstellung, die Stimmung und auch die Organisation konnten im Rückblick trotz der von mir bemängelten Punkte eigentlich voll überzeugen und lassen mich hoffen, daß man es das nächste Jahr wieder genauso handhabt, damit sich dieses Festival als Alternative zu den gängigen Riesenveranstaltungen
halten kann.
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