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Restriction Tour 2015 – live in Köln und Berlin
Konzertbericht
ARCHIVE sind verdammt fleißige Bienchen. Zehn Studioalben in 21 Jahren Bandgeschichte, drei davon seit 2012. Zur letztjährigen „Axiom“-Platte drehen die immer mehr als Kollektiv agierenden Briten gemeinsam mit Regisseur Jesus Hernandez anschließend noch einen Kurzfilm, schlappe acht Monate später schiebt man mit „Restriction “ die nächste Scheibe hinterher. Die deutschen Fans der Band danken es ihnen mit einer Top-50-Platzierung, ARCHIVE revanchieren sich mit satten elf Deutschland-Terminen im Zuge der aktuellen Europa-Tournee.
SAMSTAG, 04. MÄRZ 2015, E-WERK KÖLN
Apropos Fans. Publikumsmäßig ist vom vierzehnjährigen Flanellhemd-Röhrenjeansträger über den orthodoxen Black Metaller bis hin zur gerade-aus-dem-Büro-gehetzt-Ü40-Fraktion heute Abend mal wieder alles dabei. Hat doch was. Nach und nach flutet diese bunt gemischte Masse den 2000-Mann-Saal, bevor sie um punkt 20 Uhr nicht von einer Vorband, sondern von einer großen Leinwand empfangen wird. Die zeigen hier echt den angesprochenen „Axiom“-Film, starke Sache! Ja, von wegen starke Sache. Denn das ruft natürlich den Typus von Zuschauer auf den Plan, der sich hier und heute in geschwätziger Feierabendlaune eingefunden hat. Also: Film ab, Laberei an. Jawohl. Irgendwie hätte ich ja doch erwartet, dass Musikfans, die so eine Veranstaltung besuchen, sich zumindest einbilden würden, so etwas wie einen „künstlicheren Approach“ zu schätzen. Doch die folgende Zitatsammlung, die ich den Lesern weder vorenthalten kann noch möchte, sollte mich eines Besseren belehren.
- „Man, ist das lahm.„
- „Also das hätte ich mir auch zuhause angucken können.„
- „Das ist irgend so’n Endzeit-Kram, oder?!„
- „Ich find’s bisher ziemlich scheiße.„
Yeah! Endzeit-Scheiße, du hast’s erkannt! Denn was ARCHIVE hier dank Crowdfunding zusammengeschustert haben, würde vermutlich sogar „Metropolis“-Papa Fritz Lang stolz machen. Heißt: Keine Megan Fox und auch keine explodierenden Autos. Kann ja nur scheiße werden, wa? Der knapp 40-minütige Streifen zeigt eigentlich ein klassisches Dystopie-Szenario: Man taucht ein die Welt des „Axiom“-Systems, in der Menschen durch Glockenklänge kontrolliert werden, welches von einer Gruppe Taubstummer (sogenannter „Distorted Angels“) bekämpft wird. Mehr möchte ich in an dieser Stelle auch nicht spoilern, denn wem bei einer Trip-Hop/Dystopie-Kombination ähnlich wir mir das Wasser im Mund zusammenläuft, der ist hier bestens aufgehoben. Sowieso besser daheim, als im E-Werk, denn auf Gemütlichkeits-Störenfriede im Kölner Publikum ist eben immer Verlass. Da bieten einem ARCHIVE als mittelgroße Band schon mal ein wahrhaft audiovisuelles Erlebnis für wenig Geld und das Publikum nimmt’s nicht an. Machste nix.
(Und Buddy, falls du das hier liest: DU bist der Grund, warum ich mich manchmal frage, weshalb ich überhaupt noch auf Konzerte gehe.)
So, genug geheult. Nachdem ich in 20 Metern Umkreis die freundliche Empfehlung verlauten lassen habe, den Saal doch einfach zu verlassen, wenn’s nicht beliebt, kehren die vom Vorprogramm nicht vollends abgeschreckten Gäste pünktlich um 21 Uhr in den Saal zurück. Zeitgleich betreten sieben Silhouetten in aller Ruhe die mit Kabelsträngen gepflasterte Bühne. Der letzte Akkord von THE BEATLES‘ „I Want You (She’s So Heavy)“ verklingt und wir sind mitten im Geschehen: Mit dem auf Platte erschreckend indielastigen „Feel It“ zünden die Briten hier gleich mal die erste Stimmungsbombe und alle anfänglichen Zweifel an „Restriction“ verfliegen. Das Publikum feiert ARCHIVE, im Saal beinahe Tanzstimmung. Dann erscheint erstmals Sängerin Holly Martin auf der in tiefes Blau getauchten Bühne und plötzlich kneten einem die Synth-Subbässe von „Kid Corner“ auch schon saftig das Trommelfell durch. Alles klar, ich habe verstanden, das wird krass.
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