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Kings Of The False Foundation Tour 2016
Konzertbericht
Im Oktober 2016 veröffentlichten ARCHIVE ihr zehntes Studioalbum “The False Foundation”. Im Rahmen der “Kings Of The False Foundation”-Tour spielte das Kollektiv aus London vier Konzerte in Deutschland, u.a. am 21.11.2016 im Admiralspalast in Berlin.
DR(DR)ONE
Galerie mit 14 Bildern: Dr(Dr)one - Kings Of The False Foundation TourDR(DR)ONE, gesprochen Doctor Drone, läuten im Admiralspalast das Konzert von ARCHIVE ein. Die französischen Elektropioniere bewegen sich im Spannungsfeld von Experimental und Free Jazz und schicken sich an, das Publikum mit sphärischen Klängen in das Unartikulierbare zu entführen. Vor allem aber stehen da drei Jungs um einen Tisch mit viel Musikequipment drauf und der Schlagzeuger neben dran.
Reaktion des Publikums
Das Publikum ist noch im ganzen Gebäude verteilt, holt sich Getränke, versucht sich auf die Ränge zu schleichen oder beäugt den Merchandise. Ein schlagartiges vor die Bühne strömen bleibt aus, da die vielschichtigen Arrangements vor allem am Anfang zu wenig Alleinstellungsmerkmale aufweisen, in denen auch die Vocals eher als Beiwerk verschwinden. Dies ändert sich merklich, als sich Gitarrenriffs wie ein Lichtstrahl durch einen wolkigen Himmel schneiden. Das Mehr an erkennbarer Struktur gefällt dem Publikum sichtlich. Musikalisch passt die Vorband zum Headliner, schafft es jedoch nicht, sich über stellenweise Highlights hinaus zu profilieren. Für diese Art der Musik braucht es Ruhe und Zeit und nicht das hektische Hin- und Her eines Vorband Auftritts.
ARCHIVE
Galerie mit 28 Bildern: Archive - Kings of the False Foundation Tour 2016Ein weißer Vorhang aus einzelnen Fäden. Dahinter lassen sich Instrumente und durch Bewegungen auch die Musiker von ARCHIVE erahnen. Als die Show losgeht, erkennen wir, dass der Vorhang nicht anfängliche Verhüllung, sondern integraler Teil der Show ist. Sowohl über den Vorhang vorne als auch die LED-Wand hinter der Band jagen Logo des neuen Albums “The False Foundation” sowie zahlreiche visuelle Effekte. Mithilfe dieser zwei Ebenen entsteht eine Räumlichkeit, die für uns völlig neu ist und uns in Staunen versetzt. Die Londoner beschreiten in Sachen Bühnenshow einen neuen Weg und es funktioniert.
“The False Foundation”
Die musikalische Darbietung ist, wie bei ARCHIVE üblich, auf hohem Niveau, doch ist das neue Album im Gegensatz zum viel gefeierten Vorgänger “Restriction” dystopischer, mit weniger Gesang und Melodie. Sie beschwören eine düstere Welt herauf, in der Emotionen wie Einsamkeit, Ohnmacht, Sehnsucht und das Gefühl, dass die Menschheit unrettbar auf den Abgrund zusteuert, so greifbar sind wie der Staub verfallener Ruinen einst prachtvoller Städte.
Songzusammenstellung
Umso besser, dass die Setlist sich nicht ausschließlich auf das neue Album stützt, sondern Stücke wie “Crushed”, “Hatchet” und “Bullets” enthält. Es wäre auch reine Verschwendung die räumlichen Animationen nicht über eine große Bandbreite unterschiedlicher Stücke zu nutzen. Symbole, Textkolonnen und Lichtermeere flackern in neuer Dimension durch den Admiralspalast bis vor “Hatchet” schließlich der Vorhang fällt, nicht zuletzt, damit das Publikum begrüßt und Maria Q bei ihrem Gesang bestaunt werden kann.
Audiovisuelles Gesamterlebnis
Das Publikum zeigt sich teils hypnotisiert und in sich gekehrt. Es ist schwer zu sagen, wie die Songs von “The False Foundation” ankommen, denn Begeisterungsstürme wären hier fehl am Platz. Wohl eher ein berührt sein, sich wiegen und eintauchen. So sind auch auf dem neuen Album die meisten Lyrics, es sind insgesamt weniger, poetisch, kraftvoll und zugleich vage genug, um jedem genügend Platz zu bieten, seinen eigenen Zugang zu finden, sich seine eigene Geschichte zu erzählen. Selbst der Titel der Scheibe, so Darius Keeler, ist ein Wortspiel auf das Wort Foundation mit vielen Bedeutungen, in deren Raum sich der Hörer bewegen kann. Die Show wirkt auf diese Weise optisch und musikalisch zusammen.
ARCHIVE kreieren einen dystopischen Traumraum, den das Publikum durchschreiten und mit eigenen Gedanken und Emotionen füllen kann und soll. Die Band selbst tritt damit hinter ihre Ideen zurück, was gerade angesichts ihres großen Erfolgs in den letzten Jahren, die Musiker sympathisch macht. Während des Zugabenblocks, der sich vor allem aus Liedern voriger Alben zusammensetzt, reagiert das Publikum wieder extrovertierter und mit Klatschen und Jubel endet eine Show, die ihresgleichen sucht.
Text: Tobias Mühlau
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21.02. - 22.02.25 | Archive - 30th Anniversary TourArchiveTempodrom, Berlin |
Hallo!
Liebgemeinte Grüße an den Autor dieses Reviews. Schön beschrieben, die Show, die Srimmung etc. Dicker Wermutstropfen: Maria Q war definitiv nicht auf der Bühne in Berlin. Die Sängerin ist Holly Martin, die seit mehreren Alben bereits die unersetzliche Maria Q – nun ja – die halt stattdessen singt nun bei Archive. Die für sie gemachten Stücke und auch Stücke die man von Maria kennt.
Vielen Archive-Fans wird an dieser Stelle des Berichts also nicht nur ein verwundertes „Hä?“ wiederfahren, sondern auch ein langer, tieftrauriger Seufzer des Vermissens.
Möge der Autor nun in Scham und Schande im Boden versinken. Oder es war einfach Wunschdenken, dass wir vielleicht doch noch einmal die GrandDame des Kollektives auf der Archive-Bühne erleben dürfen.
Oder gar Roya Arab – die Uroma der fabelhaften Archive-Frontfrauen? Ok. Das wohl eher nicht.
Mit vorweihnachtlich, augenzwinkernden Grüßen
LuiLu