Architects live
in der Columbiahalle, Berlin
Konzertbericht
Da behaupte mal noch einer, Metalcore sei tot. Columbiahalle, Berlin, ausverkauft, und das weit vor der eigentlichen Show. Die ARCHITECTS sind angesagt, denn es ist längst nicht der einzige „Sold Out“, der auf der 2018er-Tour wartet. Das Package hat aber mit WHILE SHE SLEEPS und COUNTERPARTS noch zwei fette Support-Acts an Bord, welche der Zielgruppe einen weiteren Grund zum Erscheinen liefern. Die Voraussetzungen stimmen also, doch wer am Abend des 26. Januar 2018 zur Halle pilgert, gerät ziemlich sicher in einen Stau. Die Schlangen reichen einige hundert Meter weit: Die eine, um direkt den Weg in die Halle zu finden, die andere, um Rucksäcke, Taschen und was man sonst noch mit sich rumschleppt abzugeben. Denn heute ist alles, was größer als ein kleines Handtäschchen ist, aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt, wie die Veranstalter im Vorfeld auf Facebook verlauten ließen. Blöd für diejenigen, an denen die Nachricht vorbeigegangen ist oder die etwas mehr mitnehmen mussten – denn ein Schalter für eine ganze Menge Menschen kostet Zeit und Nerven für alle Beteiligten. Viel schneller geht es durch den normalen Besuchereingang aber auch nicht, wer nicht weit vor Showbeginn da war, kann sich ziemlich sicher sein, dass die COUNTERPARTS vor dem ersten Kaltgetränk ihr Set bereits beendet haben …
COUNTERPARTS
… so ergeht es nämlich auch uns. Trotz sehr pünktlichem Treffens vor der Columbiahalle sind wir erst zum letzten Drittel des Sets vor der Bühne. Allgemein wirken die COUNTERPARTS auf der großen Bühne etwas verloren, denn es gibt auch keine große Lichtshow und die Reihen sind noch licht. All das macht den Opener-Slot noch undankbarer als ohnehin schon, aber die Kanadier machen das Beste draus und liefern energisch treibenden Melodic Hardcore, der als Anheizer für den ersten Pit sehr gut funktioniert – und das, obwohl die Lautstärke ebenfalls gedrosselt scheint. Das Vergnügen wärt allerdings nur kurz, denn kaum hat man den brachialen Sound des Quartetts für sich entdeckt, ist auch schon Schluss. Eine wirkliche Einschätzung ist also leider kaum möglich.
WHILE SHE SLEEPS
Galerie mit 31 Bildern: While She Sleeps - live with Architects in Berlin
Das sieht bei WHILE SHE SLEEPS schon ganz anders aus. Bis auf ein paar Nachzügler sind inzwischen alle durch die Einlasskontrollen ins Innere gelangt und der Platz in der Columbiahalle ist spürbar weniger geworden. Während der Weg zum Merch, dem Raucherbereich oder den verschiedenen Bars auch nicht mehr mal so nebenbei und ganz ohne Körperkontakt möglich ist, zeigt sich auch auf der Bühne, dass der Fünfer aus Sheffield im vergangenen Jahr einen weiteren Sprung auf der Erfolgsleiter genommen hat. Eine eigene, fette Lichtshow und ein direkt beim Opener „You Are We“ deutlich drückender Sound zeigen, dass WHILE SHE SLEEPS mehr als ein einfacher Toursupport sind, und das Quintett liefert. Gerade im ersten Set geht es energetisch zur Sache, die Band rennt und springt über die Bühne, das Publikum mutiert in den ersten Reihen zu einer hin und her wabernden Masse – zumindest aus der Ferne. Denn im Pit geht es bei „Civil Isolation“ oder „Brainwashed“ deftig zur Sache. Aber nur auf die Fresse geht bei den Briten nicht, denn ebenso präsent wie gewaltige Breakdowns sind melodische Momente und Singalongs. Berlin jedenfalls ist heute voll auf der Höhe und feiert auch das restliche Set gebührend ab, egal ob „Four Walls“, „Silence Speak“ oder das Ende in Form von „Hurricane“. Denn dann zeigt sich, dass WHILE SHE SLEEPS eben doch „nur“ Support sind und nicht Headliner. Auch wenn die Zugaberufe nicht wenige sind, ist klar, dass es jetzt erst richtig los geht …
ARCHITECTS
Galerie mit 28 Bildern: Architects - live with While She Sleeps in Berlin
Wer nämlich bei den ARCHITECTS alleine durch die Tracklist der letzten drei Alben stöbert, trifft auf ein ganzes Arsenal an Hits und Ohrwürmern. Filler sind also nicht zu erwarten und das belegen die Jungs um Frontmann Sam Carter allein damit, dass sie direkt mit „A Match Made In Heaven“ ins Set starten, nur um dann in Form von „Downfall“ und „Naysayer“ gewaltig nachzulegen. Gerade letzterer dürfte bei anderen Bands den fulminanten Abschluss bilden, aber da wartet bei den ARCHITECTS noch einiges. Was sofort auffällt: Der Sound sitzt auf den Punkt, ist optimal ausbalanciert, um die Wucht der Songs zu transportieren, ergänzt um die Emotionen, die der Fünfer seit jeher in seine Musik legt, entsteht eine explosive Mischung. Abgerundet wird das Ganze heute von einer starken, die Dramaturgie stützenden Lichtshow, die durch Bilder, die ein Beamer ans Backdrop wirft, noch zusätzlich in den Fokus gerückt wird – und natürlich von einer Menge Pyros! Aber all das dient nur als Sahnehäubchen, mit dem die Mannen aus Brighton ihre gewohnt überzeugenden, fast schon perfekten Fähigkeiten als Liveband versehen. Als „The Devil Is Near“ quasi den Schlussakt einläutet, sind die Feierlichkeiten im Publikum auf dem Siedepunkt. Es folgen „These Colours Don’t Run“ (gewohnt überragend), „Gravedigger“ und „Doomsday“, bevor erst einmal das Licht ausgeht. Aber nur kurz, denn klar ist: So gehen die ARCHITECTS nicht von der Bühne. Im Zugabenteil gibt es noch „Nihilist“ und das überaus emotional dargebotene „Gone With The Wind“. Apropos Gefühle: Die offenbart die Band nachfühlbar in einer Gedenkansprache für ihren 2016 viel zu jung verstorbenen Gitarristen, Songwriter und Gründer Tom Searle, bei der es Sam Carter zu Tränen rührt und eine Columbiahalle in andächtigem Schweigen versinkt. Ein tiefgreifender Moment, der in einem musikalisch packenden Finale samt denkwürdigem Funkenregen das Ende eines schweißtreibendem Konzerts fand. In jedem Fall ein richtig starker Auftakt ins Konzertjahr 2018 – und wer ARCHITECTS immer noch nicht live gesehen hat, der schreibt es jetzt ganz oben auf seine To-do-Liste!
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