Arch Enemy + Behemoth
The European Siege 2022

Es sind gleich zwei schwergewichtige Touren, die die Geldbeutel der deutschen Metalfans derzeit schwer zu schaffen machen. Zum einen haben sich AMON AMARTH mit den legendären MACHINE HEAD zu der „Vikings And Lionhearts Tour 2022“ zusammengeschlossen und machen die größeren Hallen unsicher. Als wäre das noch nicht genug Gigantismus, gibt es derzeit auch die „The European Siege Tour“. Hier haben sich die schwedische Melodic-Metal-Speerspitze ARCH ENEMY und die theatralisch-düsteren BEHEMOTH aus Polen für eine Co-Headliner-Tour vereint. Doch das ist noch nicht alles. Als Sahnehäubchen obendrauf präsentieren sie als Support die Death-Metal-Urgesteine von CARCASS und die Darkwave-Metaller von UNTO OTHERS. Vier große Namen der internationalen Metalszene an einem Abend. Wir können da natürlich nicht „nein“ sagen und schmeißen uns mittenrein.

Früher Start mit UNTO OTHERS

Galerie mit 22 Bildern: Unto Others - The European Siege Tour 2022 in Berlin

Wenn so viele namhafte Bands auf einen Haufen kommen, können diese natürlich nicht nach schon dreißig Minuten wieder von der Bühne verschwinden. Damit die armen Anwohner neben der Berliner Columbiahalle nicht zu sehr in ihrem Freitagnachtschlaf gestört werden, müssen die US-Amerikaner von UNTO OTHERS leider schon um 18 Uhr beginnen. In vielen Fällen ist das keine gute Zeit, um sich selbst als Band zu präsentieren. Vor allem, da die Halle auch erst eine halbe Stunde vorher ihre Pforten geöffnet hat und der Einlass gewohnt schleppend läuft.

Normalerweise drängen sich nur die hartgesottenen Fans der Headliner bis dicht an den Bühnenrand und sind meist nur wenig an den Openern interessiert. Doch an diesem Abend haben UNTO OTHERS sehr viel Glück, schon zu Beginn ihres Auftrittes wirkt die Halle bis auf den Oberrang hin gut (aber noch nicht vollständig) gefüllt. Das wirkt sich auch positiv auf die Herren aus, die mit großer Leidenschaft ihren Mix aus Darkwave und frühen Heavy Metal präsentieren.

Da der Rest des Billings aus Death-Metal-Bands besteht, kann sich Sänger Gabriel Franco den ein oder anderen Growl-Shout nicht verkneifen. Schließlich wirken UNTO OTHERS im Vergleich zu den anderen Bands wie der bunte Paradiesvogel (trotz der grunddüsteren Note ihres Sounds). Deshalb braucht es für das Berliner Publikum ein paar Anläufe, bis der Jubel komplett auf die Leute übergreift. Dennoch geben sich UNTO OTHERS souverän und zeigen sich sichtlich dankbar dafür, dass so viele schon so früh gekommen sind.

CARCASS – Die rostige Klinge des Metals

Galerie mit 29 Bildern: Carcass - The European Siege Tour 2022 in Berlin

Dass viele BerlinerInnen so zeitig in die Halle gedrängt sind, mag sicherlich an der zweiten Support-Band liegen. Denn mit CARCASS haben sich BEHEMOTH und ARCH ENEMY ein wirkliches Powerhouse ins Boot geholt. Als sie die Bühne betreten, werden sie von den Fans fast wie Headliner begrüßt. Kein Wunder, denn so häufig sieht man CARCASS nicht in Berlin. Für manch einen mag es gar das erste Mal überhaupt sein, die Mitgründer des Death Metals live und in Farbe zu sehen.

CARCASS legen gutgelaunt los und hauen uns ihren „Heartwork“-Klassiker „Buried Dreams“ auf die Ohren. Das Publikum feiert den Trip in die Metal-Historie. Mit „Kelly’s Meat Emporium“ von ihrem aktuellem Album „Torn Arteries“ beweisen sie dann, dass sie auch 37 Jahre nach Gründung immer noch zurecht zu den großen Namen der Szene gehören. Song um Song präsentiert uns CARCASS in Berlin eine pikant gewürzte Schlachtplatte, die auch mit vielen Klassikern aufwarten kann. Dass sie „nur“ die Vorband sind, scheint Steer und Co. egal zu sein. Sie spielen, als wären sie das eigentliche Highlight des Abends. Und dem Jubel am Ende des Sets zu urteilen, sind sie das auch für viele Angereiste.

Nergal über allen

Während sich so manche der knapp 3000 ZuschauerInnen ihre von Carcass trocken geriebenen Kehlen mit dem nächsten Bier befüllen, blicken andere andächtig auf den Umbau auf der Bühne. Denn wie könnte es für BEHEMOTH anders sein, gestaltet sich dieser wie ein kleines Theaterstück. Während die Roadies die edlen LED-Bildschirme von CARCASS von der Bühne rollen, wird ein gigantischer, weißer Vorhang vor den Bühnenrand gespannt. Wie eine gigantische Leinwand bleibt den Fans nun verborgen, was dort extra für BEHEMOTH aufgebaut wird.

Die Umbauphase zieht sich dadurch etwas in die Länge und die Spannung steigt ins unermessliche. Bis auf einmal das Licht im Saal ausgeht. Tatsächlich nutzen BEHEMOTH den Vorhang nicht einfach als solchen, sondern als tatsächliche Leinwand. Plötzlich nimmt das einer Totenmaske wirkende Gesicht Nergals einem übergroßen Geist ähnlich Gestalt an. Fast schon unheimlich wabert sein immer wieder zu Fratzen verzerrtes Gesicht über der Bühne. Nach und nach nimmt dann auch der Rest des Körpers Gestalt an. Über mehrere Minuten hinweg zuckt und windet sich ein gigantischer Nergal, bis er nur noch ein kleiner Schatten in der Ecke ist. Erst als er nur noch ein kleiner Fleck ist, fällt der Vorhang und unter einer Riffwand und in blutrotem Licht gehüllt, beginnen BEHEMOTH ohne Kompromisse mit „Ora Pro Nobis Lucifer“.